Strom- und GaspreisanstiegThüringer Kunsthandwerk in der Energiekrise: Ein Besuch in der Töpferstadt Bürgel
Nach der Corona-Pause kann wieder über die Weihnachtsmärkte flaniert werden. Doch sind die Thüringer Kunsthandwerker nach zwei Jahren auch wieder dabei? Ein Besuch in der Töpferstadt Bürgel im Saale-Holzland-Kreis.
- Keramik aus Bürgel erstmalig nicht auf Weihnachtsmärkten
- Fachkräftemangel macht sich auch im Kunsthandwerk bemerkbar
- Steigende Preise führen zu anderer Kundschaft
Fußballfans denken bei den Farben blau-weiß womöglich an den FC Schalke 04 oder an Hertha BSC. Liebhaber des Töpferhandwerks denken an die weltbekannte blaue Keramik mit den weißen Punkten aus Bürgel im Saale-Holzland-Kreis. Antje Frömel ist Töpfermeisterin, sie besitzt eine von sieben Töpferwerkstätten in Bürgel. In der Hintergasse 13 hat sie seit über 23 Jahren ihre Werkstadt - dort verkauft sie das berühmte Bürgeler blau-weiß, in Form von Krügen, Schlüsseln und Tassen. Letztere macht sie am liebsten.
Auch im Onlineshop bringt sie ihr Handwerk an die Keramikliebhaber. Doch besonders wichtig ist ihr der Verkauf auf Märkten und insbesondere auf dem Weihnachtsmarkt in Suhl. Antje Frömel ist froh, dass es endlich wieder losgeht.
Der Brennofen in der Töpferei Frömel wird mit Strom betrieben. Wie hoch die Stromkosten werden, kann Antje Frömel noch nicht sagen, doch die Inflation und die steigenden Materialkosten machen auch vor dem Kunsthandwerk nicht Halt. Frömel sagt, daher müsse sie bis spätestens Anfang des nächsten Jahres die Preise erhöhen. Ausgerechnet in einer Zeit, in der die Kundschaft ohnehin zögerlicher wird.
Man merkt natürlich, dass sich die Leute überlegen: Kaufen sie sich jetzt eine Tasse oder kaufen sie sich sechs Tassen? Die Keramik ist eine Sache, die nicht wirklich lebensnotwendig ist.
Antje Frömel
Bürgeler Keramik zum ersten Mal nicht auf Weihnachtsmärkten
Doch nicht alle ziehen mit. Die größte Töpferei in Bürgel, "Echt Bürgel", ist dieses Jahr gar nicht auf Weihnachtsmärkten zu finden, weil die Lohnkosten für das Unternehmen zu hoch sind und sich der Weihnachtsmarktverkauf nicht mehr rechnet.
"Echt Bürgel" wird demnach auch nicht auf dem Dresdner Striezelmarkt verkaufen. Dort seien zudem die Standkosten höher geworden. Geschäftsführer Falk Wächter hat MDR THÜRINGEN mitgeteilt, dass sich die Töpferei auf den Ladenverkauf in Bürgel und den eigenen Onlineshop konzentrieren will.
Schwierige Suche nach Nachwuchs
Und die Personalfrage? Noch ist der Bedarf an Lehrlingen nicht so hoch, da die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei "Echt Bürgel" im Durchschnitt 50 Jahre alt sind. Doch bereits in zehn Jahren macht sich der Fachkräftemangel auch im Kunsthandwerk bemerkbar. Wächter sagt, es gebe zwar viele Menschen, die in ihrer Freizeit töpfern. An dem Vollzeitberuf würde aber kaum jemand Interesse zeigen.
Außerdem könne ein Auszubildender erst nach zwei Jahren etwas an der Töpferscheibe produzieren, was verkauft werden könne – somit seien auch die steigenden Lohnpreise für Lehrlinge schwer zu stemmen.
Kundschaft verändert sich
Die gestiegenen Preise führen auch dazu, dass sich nicht mehr jeder mit der Bürgeler Keramik ausstatten könne. Was in der DDR noch für jedermann erschwinglich war, sei heute vor allem für eine besserverdienende Kundschaft gedacht, sagt Wächter.
In Berlin hat "Echt Bürgel" einen weiteren Laden. Hier seien vor allem Touristen bereit, die höheren Preise zu zahlen. Vor wenigen Jahren habe eine Tasse im Durchschnitt noch zehn Euro gekostet, heute sei der Preis um mehr als das doppelte gestiegen und liege somit bei 25 Euro, so Falk Wächter.
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MDR (jn,mte)
Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Regionalnachrichten | 16. November 2022 | 18:30 Uhr
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