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TrockenheitMehr Wasser für die Apfelstädt: Umweltministerium kündigt Konzept an

16. Juli 2022, 08:00 Uhr

Die Bilder sind inzwischen nicht mehr neu: Wieder ist der Sommer heiß und trocken. Wieder führt der Fluss Apfelstädt im Landkreis Gotha auf kilometerlangen Abschnitten kein Wasser. Den Streit darum, wofür das Wasser aus der Talsperre Tambach-Dietharz verwendet wird, führt auch die Landespolitik. Die CDU-Fraktion will die Wasserkraftanlage abschalten. Das Umweltministerium kündigt eine Lösung für den Herbst an.

von Loréne Gensel, MDR THÜRINGEN

Rico Heinemann ist sehr wütend. Beim Ortstermin mit MDR THÜRINGEN zeigt er auf das ausgetrocknete Flussbett der Apfelstädt zwischen Wechmar und Neudietendorf. Diese Aue ist geschützt. Der Sprecher der Bürgerinitiative "Lebensraum Apfelstädt" sagt, das FFH-Gebiet sei quasi tot.

Weil es schon über so lange Zeit trocken liege, sei hier nichts mehr zu retten. Heinemann führt die Bürgerinitiative seit ihrer Gründung 2020. Immer wieder und in immer harscher werdendem Ton fordert er beim Thüringer Umweltministerium ein: Tut endlich etwas gegen das Sterben des Flusses! Auch in diesem Jahr liegen kilometerlange Abschnitte des Flusses nun schon seit Wochen trocken. Es sind die gleichen Bilder wie aus den Trockenjahren 2019 und 2020.

Konflikt um Gründe für Austrocknung des Flussbettes

Kurz hinter ihrem Quellgebiet wird das Wasser der Apfelstädt gestaut. Zwischen Tambach-Dietharz und Luisental sind zwischen 1905 und 1993 insgesamt drei Talsperren gebaut worden, aus denen Teile von Thüringen mit Trinkwasser versorgt werden: Die Ohra-Talsperre, die Schmalwasser-Talsperre und die Talsperre Tambach-Dietharz.

Ein Teil des Wassers der Tambacher Talsperre wird seit 2020 für die Stromproduktion genutzt. Weil die damit betriebenen Wasserkraftwerke abseits des Flusses liegen, fließt das für den Betrieb der Turbinen genutzte Wasser nicht zurück in die Apfelstädt.

Seitdem das Projekt in Betrieb ist, eskaliert der Streit um das Wasser immer mehr: Die Bürgerinitiative hatte zwischendurch gefordert, die als Westringkaskade bekannte Wasserkraftanlage abzuschalten, damit der Fluss nicht trockenfällt. Das Thüringer Umweltministerium hatte beinahe gebetsmühlenartig wiederholt, nicht die Stromproduktion sei der Grund für die Austrocknung. Der Fluss versinke in einem von Karst geprägten Untergrund und der Klimawandel sorge dafür, dass weniger Wasser zur Verfügung steht.

Antrag der CDU schafft es nicht in den Landtag

Im Februar 2022 hatte die Bürgerinitiative mit einer Petition dafür gesorgt, dass die Apfelstädt Thema im Petitionsausschuss des Thüringer Landtages war. Seitdem ist der Fluss auch in der Landespolitik Gegenstand von Auseinandersetzungen. Die Landtagsfraktion der CDU versuchte immer wieder mit Anträgen im Parlament, den Forderungen der Bürgerinitiativen und der Kommunalpolitik vor Ort mehr Gewicht und Gehör zu verschaffen.

Abgeordnete auch der AfD machten die Situation am Fluss zum Thema im Umweltausschuss. Zuletzt scheiterte am vergangenen Mittwoch ein Versuch der Union, das Thema noch kurzfristig auf die Tagesordnung der letzten Landtagssitzung vor der Sommerpause zu setzen: Der Dringlichkeitsantrag bekam nicht die nötige Mehrheit. Vor allem die umweltpolitische Sprecherin der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Laura Wahl, fand den Antrag überflüssig: Im Umweltministerium werde bereits an einer Lösung gearbeitet, ließ sie wissen.

Unionsfraktion fordert Abschaltung der Stromproduktion

Die CDU-Fraktion fordert in ihrem gescheiterten Antrag drei Dinge: Das Thüringer Umweltministerium solle die Thüringer Fernwasserversorgung als Betreiberin der Talsperre Tambach-Dietharz anweisen, die Anlage zur Produktion von Öko-Strom bis zum 30.09.2022 außer Betrieb zu nehmen.

Das bisher für den Öko-Strom aus der Talsperre abgeleitete Wasser (im Durchschnitt mehr als 500 Liter pro Sekunde) solle in dieser Zeit direkt in die Apfelstädt fließen.

Und mit einem begleitenden Monitoring solle bis Ende September untersucht werden, wie sich die Nutzung des Wassers für die Apfelstädt übers Jahr auswirkt auf die Wasserführung.

Im Gespräch mit MDR THÜRINGEN kritisiert der umweltpolitische Sprecher der Fraktion, Thomas Gottweiss, das Ministerium halte Daten zurück. Schon im Sommer 2021 habe die Thüringer Fernwasserversorgung als Talsperren-Betreiberin auf Anweisung des Ministeriums berechnet, wie ein alternatives Talsperren-Management aussehen könnte, bei dem am Ende mehr Wasser für den Fluss übrigbleibt. Statt diese Lösung umzusetzen und die Apfelstädt so im Trockensommer 2022 zu entlasten, halte das Ministerium die Daten unter Verschluss.

Speicher Wechmar gibt im Probebetrieb Wasser ab

Thüringens Umweltstaatssekretär Burkhard Vogel sagt auf Anfrage von MDR THÜRINGEN, es gebe eine solche Berechnung. Sie sei allerdings noch nicht abgeschlossen. Im vergangenen Jahr habe man diese Lösung nicht weiterverfolgt, weil sein Haus auf eine Entlastung des Flusses über den Wasserspeicher Wechmar gesetzt habe.

Mehrfach hatte das Ministerium angekündigt, den alten Landwirtschaftsspeicher aus DDR-Zeiten instand zu setzen und dort im Winter Wasser aufzufangen, damit es im Sommer in die Apfelstädt geleitet werden kann. Der Probebetrieb läuft inzwischen. Allerdings beklagt unter anderem der Anglerverband, dass die Qualität dieses Wassers, das über längere Zeit im Speicher Wechmar steht, dem Ökosystem der Apfelstädt nicht guttut. Auch im Umweltministerium hat man die kritische Qualität des Wassers aus dem Speicher im Blick.

Ministerium lässt alternative Szenarien berechnen

Der Umweltstaatssekretär will deshalb, wie er sagt, die Berechnung aus dem Jahr 2021 durch die Thüringer Fernwasserversorgung vervollständigen lassen. Auf der Basis der Ergebnisse, so Vogel, wolle man für das komplexe System, das aus mehreren miteinander verbundenen Talsperren besteht, theoretische Szenarien für ein neues und dynamisches Management entwickeln.

Szenarien, die die komplexen - vor allem hydrologischen - Zusammenhänge berücksichtigen und die Fragen beantworten: Welche Stellschrauben hat das System und an welchen davon kann sinnvoll gedreht werden? Denn eine Optimierung müsse drei Anliegen erfassen: Es soll Trinkwasser aus der Talsperre bereitgestellt werden, gleichzeitig Strom produziert, aber auch mehr Wasser an die Apfelstädt abgegeben werden. Die Zahlen und die daraus abgeleiteten theoretischen Szenarien sollen zu Beginn des Herbstes vorliegen. Dann will Vogel sie der Öffentlichkeit präsentieren.

Wissenschaftliche Begleitung könnte Bürger einbeziehen

Auch dann wird noch völlig offen sein, wie sich unterschiedliche Szenarien beim Betrieb der Talsperren auf die Apfelstädt auswirken. Mit einer wissenschaftlichen Begleitung in Form eines Monitorings will das Ministerium die Effekte auf den Fluss systematisch erfassen lassen.

Im Frühjahr 2022 hatte der Landkreis Gotha angekündigt, ein Monitoring-Gutachten zur Wasserführung der Apfelstädt in Auftrag geben zu wollen. Derzeit sei man mit dem Landkreis im Gespräch, wie man das Monitoring gemeinsam machen könne, sagt Vogel.

Und kündigt an, zu prüfen, wie auch Bürger an der Beobachtung und Überwachung des Flusses beteiligt werden könnten. Denn unter anderem aus der Bürgerinitiative "Lebensraum Apfelstädt" rund um Rico Heinemann war immer wieder der Vorwurf gekommen, die offiziellen Daten des Landes zur Wasserführung der Apfelstädt seien falsch.

MDR (dr)

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Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 17. Juli 2022 | 19:00 Uhr

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