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Ab März soll die Strompreisbremse die Kosten für Verbraucher abfedern. (Symbolbild) Bildrechte: imago images/IlluPics

FAQFragen und Antworten zur Strompreisbremse in Thüringen

28. Januar 2023, 14:35 Uhr

Die Strompreise in Thüringen gehen immer weiter auseinander. Dagegen soll ab März die Strompreisbremse helfen. Aber wie soll das genau funktionieren? Wir haben die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

von Florian Girwert, MDR THÜRINGEN

Gestiegen sind die Energiepreise bereits im Jahr 2022, doch viele Menschen bemerkten auf ihren Rechnungen davon noch wenig. Das ist inzwischen anders. Es flattern Briefe mit neuen Stromtarifen ins Haus, in denen sich die Preise pro Kilowattstunde teilweise mehr als verdoppeln. Und da soll eigentlich die Strompreisbremse helfen. Die aber greift erst ab März.

Wir beantworten die wichtigsten Fragen: wie die Bremse funktioniert, welche Preise in Ordnung sind und ob in Thüringen wegen klammer Stadtwerke auch Schwimmbäder schließen müssen.

Was bremst die Strompreisbremse genau?

Die Preisbremse des Bundes soll garantieren, dass für 80 Prozent des letzten Jahresverbrauchs ein Limit von 40 Cent pro Kilowattstunde gilt. Wer also auf seiner letzten Jahresrechnung 2000 Kilowattstunden stehen hatte, für den dürfen 1600 Kilowattstunden in diesem Jahr maximal 40 Cent pro Kilowattstunde kosten.

Was darüber hinaus verbraucht wird, bekommt den Preis, den der Versorger aufruft. Und das können je nach Tarif in Thüringen bis zu 86 Cent sein. Die Preisbremse regt also auch zum Sparen an.

Pech hat, wer zum Beispiel zum Jahreswechsel mit seiner Freundin zusammengezogen ist oder Familienzuwachs bekommen hat. Solche Veränderungen, die meist mit Mehrverbrauch einhergehen, werden nicht berücksichtigt, sagt Martin Schreiber, Sprecher der TEAG, des größten Thüringer Versorgers.

Wie wird die Preisbremse umgesetzt?

Die Preisbremse soll im März ihre Wirkung entfalten - und dann rückwirkend ab Januar. Wenn der Versorger für dieses Jahr schon steigende Preise angekündigt hatte, dann wird es erstmal teuer, erklärt Thomas Zaremba, Chef der Energieversorgung Rudolstadt und Vorsitzender des Verbands kommunaler Unternehmen in Thüringen, einer Interessenvertretung auch für Stadtwerke.

Die Rechnungen für Januar und Februar - ohne Strompreisbremse - müssen zunächst gezahlt werden. Ab März gelten dann die gebremsten Abschläge mit Preisbremse. Für die Monate Januar und Februar sollen dann außerdem die Rabatte rückwirkend verrechnet werden.

Der März-Abschlag oder der im April sollte dann niedriger ausfallen. Und danach wird der Abschlag gemäß des gedeckelten Preises von 40 Cent pro Kilowattstunde berechnet. Und wer seinen Verbrauch sogar unter die 80 Prozent vom Vorjahr drückt, dessen Preis sinkt dann sogar unter 40 Cent, um besondere Sparanstrengungen zu belohnen, sagt Verbraucherschützerin Ballod. Sparen lohnt also.

Ausgenommen bei der Bremse sind Verbraucher, deren Versorger bis heute Strom anbietet, der weniger kostet als die gedeckelten 40 Cent pro Kilowattstunde. Und die gibt es auch in Thüringen durchaus noch, etwa die Stadtwerke Suhl-Zella-Mehlis oder die Stadtwerke Erfurt.

Wie groß sind die Preisunterschiede in Thüringen?

Sehr groß. Am klarsten ist die Lage in der sogenannten Grundversorgung, die meist teurer ist als Sonderverträge. Wer aber in einer Gartenlaube nur wenig verbraucht, sich nie mit Stromtarifen befasst hat oder wem die Kreditwürdigkeit fehlt, um einen festen Vertrag zu bekommen, der nutzt die Grundversorgung, sagt Ramona Ballod, Energie-Expertin der Verbraucherzentrale Thüringen.

Etwa 35 Cent rufen die Stadtwerke Suhl-Zella-Mehlis auf, 86 Cent sind es laut Verbraucherzentrale bei den Stadtwerken Apolda - wobei bei letzteren der Grundpreis null beträgt.

Wie sind die großen Unterschiede zu erklären?

"Das liegt an der Beschaffung, der Art, wie Stadtwerke Strom und Gas einkaufen für ihre Kundinnen und Kunden", sagt Thomas Zaremba von der Energieversorgung Rudolstadt. Das geschehe vorausschauend.

2022 hätten die Kunden oft noch davon profitiert, dass der Strom in den Jahren 2019 bis 2021 eingekauft worden sei. Deswegen kämen Preiserhöhungen bei vielen Menschen erst jetzt an, weil nun auch Einkaufspreise aus der zweiten Jahreshälfte 2021 und dem Jahr 2022 weitergegeben würden. Und die sind schon vor dem Krieg angestiegen. Mit Kriegsbeginn dann noch mehr.

Dass inzwischen davon die Rede sei, dass die Börsenpreise jetzt wieder auf Vorkriegsniveau seien, sei nur teilweise richtig. "Das ist Strom, der von heute auf morgen gehandelt wird." Den kauften die meisten Versorger nicht ein. "Das war das Geschäftsmodell der Discounter, von denen Ende 2021 und Anfang 2022 die meisten ihren Kunden gekündigt haben oder die insolvent gegangen sind."

Das war das Geschäftsmodell der Discounter, von denen Ende 2021 und Anfang 2022 die meisten ihren Kunden gekündigt haben oder die insolvent gegangen sind.

Thomas Zaremba, Energieversorgung Rudolstadt.

Sie hatten Kunden Strom über mehrere Jahre verkauft, teils gegen Vorkasse, und dann Strom tagesaktuell eingekauft. Das hat lange gut funktioniert und war oft günstiger als langfristige Beschaffung - in der Krise ging es nach hinten los, als tagesaktuelle Preise plötzlich um das zehnfache oder noch mehr angestiegen waren.

Man kann nur vermuten, dass da etwas überhaupt nicht richtig läuft. Dass da entweder die Leute über den Tisch gezogen werden oder dass da ein Unternehmen absolut katastrophal arbeitet.

Verbraucherschützerin Ramona Ballod

Für Verbraucherschützerin Ramona Ballod ist das eine Ausrede. "Man kann nur vermuten, dass da etwas überhaupt nicht richtig läuft. Dass da entweder die Leute über den Tisch gezogen werden oder dass da ein Unternehmen absolut katastrophal arbeitet."

Sie meint insbesondere die großen Unterschiede in der Grundversorgung. Die Spannbreite von 35 bis 86 Cent sei so nicht zu rechtfertigen, denn dafür könne der Strom sehr wohl kurzfristig eingekauft werden - und das sei im Moment tatsächlich günstiger geworden.

Doch auch manche Sondertarife mit Preisbindung seien derzeit kaum erklärbar. Dass die Stadtwerke Jena, die TEAG oder andere Neukunden derzeit Preise pro Kilowattstunde von mehr als 60 Cent in festen Verträgen anbieten, sei eigentlich unzumutbar.

Der Markt entwickelt sich wieder und jeder, der einen Kilowattstundenpreis von über 40 Cent hat, sollte ruhig mal in die Vergleichsrechner schauen.

Ramona Ballod | Verbraucherschützerin

"Ich hoffe nur, dass kein Verbraucher solche Verträge abschließt", sagt die Verbraucherschützerin. Denn inzwischen funktioniere der Markt durchaus wieder, Vergleiche lohnten sich wieder. "Der Markt entwickelt sich wieder und jeder, der einen Kilowattstundenpreis von über 40 Cent hat, sollte ruhig mal in die Vergleichsrechner schauen. Da findet er garantiert was."

Und tatsächlich ist auch bei den Thüringer Stadtwerken Bewegung zu erkennen. "Aufgrund der Marktentwicklung wird es auch bei den Sondertarifen ab 1. April noch einmal deutlich günstigere Angebote geben", schreiben die Stadtwerke Jena auf Anfrage von MDR THÜRINGEN. Und auch bei der Grundversorgung habe man die Konditionen verbessert.

Welche Preise sind gerechtfertigt?

Die Schlichtungsstelle Energie hat im Gespräch mit MDR THÜRINGEN angegeben, dass Preise pro Kilowattstunde zwischen 40 und 48 Cent derzeit normal seien. In diesem Bereich liegen auch viele Preiserhöhungen, die Menschen in den vergangenen Wochen erhalten haben.

Was kann ich gegen eine Preiserhöhung meines Versorgers tun?

Die Verbraucherzentrale rät: Das Preiserhöhungsschreiben genau anschauen. "Erstmal muss es überhaupt als Preiserhöhungsschreiben kenntlich sein", sagt Ramona Ballod. Die Preisinformation dürfe nicht ein einem Konvolut aus Werbung versteckt sein. "Man muss das schon sehr deutlich sehen. Was war der alte Preis? Was soll der neue sein? Und warum steigt der Preis? Dafür werden die Preisbestandteile des Arbeitspreises gegenübergestellt."

Man muss das schon sehr deutlich sehen. Was war der alte Preis? Was soll der neue sein? Und warum steigt der Preis?

Verbraucherschützerin Ramona Ballod

Ob die betriebswirtschaftliche Kalkulation in Ordnung ist, lässt sich aber schwer nachvollziehen - auch für die Verbraucherzentrale. "Das wäre die Aufgabe der Kartellaufsicht." Dafür sei eine eigene Abteilung beim Bundeskartellamt gegründet worden, schreibt das Thüringer Energieministerium MDR THÜRINGEN.

"Das soll verhindern, dass Energieversorger ihre Arbeitspreise für Gas, Wärme oder Strom erhöhen, um ihrerseits eine höhere staatliche Ausgleichszahlung zu erhalten, obwohl es für die Erhöhung keine sachliche Rechtfertigung durch gestiegene Kosten gibt. Verstöße können mit Bußgeldern sanktioniert werden und unrechtmäßig erlangte Ausgleichszahlungen müssen erstattet werden." VKU-Chef Zaremba schließt das für die Stadtwerke aus. Einer Überprüfung sehe man ohne schlechtes Gewissen entgegen.

Wie wird die Preisbremse bei den Versorgern abgewickelt?

Die Versorger müssen zunächst die Differenz zwischen den 40 Cent und ihrem eigenen Einkaufspreis vorfinanzieren. Liegt ihr Arbeitspreis eigentlich über 40 Cent, können sie sich den Betrag vom Übertragungsnetzbetreiber erstatten lassen.

Werden auch in Thüringen Schwimmbäder geschlossen, weil Stadtwerke Verluste machen?

Passiert ist das in Naumburg. Die Stadtwerke dort seien ein Beispiel, wo Teilmengen von Strom kurzfristig beschafft worden seien, sagt VKU-Chef Zaremba. "Sie haben sich quasi ‚verkauft‘." Und die Preise lagen teilweise beim Vielfachen des normalen Niveaus.

Weil viele Kunden aber eine Preisbindung hatten, hätten die Stadtwerke in kurzer Zeit erhebliche Verluste eingefahren. Das habe letztlich dazu geführt, dass das dortige Schwimmbad geschlossen werden muss. Oft nämlich gleichen Stadtwerke mit ihren Gewinnen Verluste in anderen kommunalen Bereichen aus, etwa im Nahverkehr oder bei Schwimmbädern. Wenn aber das Energiegeschäft plötzlich gar nichts mehr abwirft, sondern Verluste produziert, geht das nicht mehr.

Doch auch in Thüringen müsse man damit rechnen, dass die Stadtwerke oft weniger Gewinn an ihre Kommunen ausschütten können. "Das liegt aber nicht nur an der aktuellen Krise, sondern auch am hohen Investitionsbedarf für die Energiewende." Etwa für Solaranlagen oder Wasserstoff-Erzeugung müsse erstmal bezahlt werden, ehe sie sich langfristig rechneten.

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MDR (cfr)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 28. Januar 2023 | 11:00 Uhr

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