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Das Symbol der Revolution - die Flagge der Unabhängigkeit von 1918 und nach dem Ende der Sowjetunion - bis Lukschenko sie Mitte der 1990er Jahre abschaffen ließ. Bildrechte: IMAGO / Ukrinform

DemokratiebewegungBelarus: Revolution ohne Wende

25. März 2021, 17:25 Uhr

Seit August 2020 reißen die Proteste gegen Machthaber Lukaschenko in Belarus nicht ab. Obwohl das Regime mit brutaler Gewalt gegen die Demokratiebewegung vorgeht. Es sind vor allem die gut ausgebildeten Frauen im Exil, die die Proteste am Laufen halten. Bisher ohne Erfolg. Heute, am Tag der Freiheit in Belarus, soll es wieder große Demonstrationen geben.

Revolution der Frauen im Exil

Sabina Alijewa ist 19 Jahre alt. Eigentlich wollte die Belarusin in Litauens Hauptstadt Vilnius Jura studieren. Doch seit Machthaber Alexander Lukaschenko im August 2020 den Sieg bei der Präsidentschaftswahl für sich beanspruchte, kämpft sie als Nachrichtensprecherin aus dem Exil gegen Lukaschenko und sein Regime. Sie ist das Gesicht des belarusischen Oppositions-Youtube-Kanals "Ein Land fürs Leben". Als die Proteste gegen die aus ihrer Sicht gefälschte Präsidentschaftswahl in Belarus und der Aufstand gegen Machthaber Lukaschenko begann, floh das Redaktionsteam ins litauische Exil. Nun versuchen Sabina Alijewa und ihre Kollegen die Revolution gegen den "letzten Diktator Europas" von dort aus anzutreiben. "Weil ich das System Lukaschenko hasse, seit ich 15 bin, dachte ich, es ist wichtig diese Revolution zu machen. Und auch, weil ich deutlich sehe, dass das Land kurz vor dem Auseinanderbrechen ist", erzählt Fernsehfrau Alijewa.

Tichanowskaja, die bescheidene Führungsfigur

Es sind vor allem die Frauen, die diese Revolution gegen Lukaschenko vorantreiben. Viele männliche Oppositionelle wurden von der Staatsführung weggesperrt, auch der Mann von Sweltana Tichanowskaja, der Anführerin der belarusischen Revolution, die an diesem Tag beim Youtubekanal "Ein Land fürs Leben" ihre nächste Video-Botschaft aufnimmt. Sie war im August 2020 als Präsidentschaftskandidatin angetreten, in Vertretung für Ihren Mann, den Lukaschenkos Regime schon im Vorfeld der Wahl hatte verhaften lasen. Auch Tichanowskaja war mit ihren Kindern kurz nach der Wahl im August 2020 ins litauische Exil geflohen. Ihr Mann sitzt in der belarusichen Hauptstadt Minsk weiter in Haft. Für die Revolutionsbewegung ist sie, die ehemalige Englischlehrerin, die eigentliche gewählte Präsidentin des Landes. "Es gibt keinen Grund mich zu bewundern", sagt Tichanowskaja, "Die Belarusen haben mir das Recht und die Möglichkeit gegeben, sie auf internationaler Ebene zu vertreten. Und ich nutze diese Gelegenheit für ein höheres Gut, für die Zukunft des Landes."

Seit dem vergangenen Sommer reißt der Protest gegen Machthaber Lukaschenko nicht ab. Eine Wende in dem post-sowjetischen Land brachte er aber auch nicht. Bildrechte: imago images/ITAR-TASS

Tichanowskaja reist durch Europa, trifft Staatschefs und Politikerinnen, gibt der internationalen Presse Interviews, damit das Anliegen der belarusischen Revolution nicht in Vergessenheit gerät, nicht von der Bildfläche der internationalen Öffentlichkeit verschwindet: Sie wollen, das Machthaber Lukaschenko, der das Land seit mehr als einem viertel Jahrhundert mit Geheimdienst und Polizeigewalt autokratisch führt, abtritt.

Swetlana Tichanowskaja - die Ikone der belarusischen Opposition. Hier bei einer offiziellen Visite in Finnland Anfang März. Bildrechte: imago images/Lehtikuva

Der eigentliche Kampf findet in Belarus statt

Moralische und finanzielle Unterstützung für ihre Revolution bekommen Tichanowskaja und ihre Mitstreiterinnen aus der EU, vor allem Deutschland, Polen und Litauen helfen auch mit diplomatischem Know-how. Der eigentliche Kampf finde aber in Belarus statt, auf der Straße, mit den Protesten, erzählt Maria Moroz, Tichanowksajas Wahlleiterin, die mit ihr ins Exil ging, nachdem sie in Belarus bedroht worden war. "Hier sind mir die Hände gebunden, ich kann nur zuschauen, mitfühlen und sie mit dem Herzen unterstützen. Aber ich bin dankbar, denn eingesperrt könnte ich noch weniger bewirken", sagt Moroz.

Mehr Zeit nötig

Das Team von Tichanowskaja gleicht einem Start-Up, viele der Frauen um sie herum sind gut ausgebildet, haben im Ausland studiert oder gearbeitet. Litauen spielt dabei für die belarusische Opposition seit langem eine besondere Rolle. Der baltische Staat verteilt Schutz-Visa an Belarusen, die "European Humanities University" hat dort ihre Heimat gefunden. Sie war nach dem Zerfall der Sowjetunion in Minsk gegründet worden, musste aber 2005 nach Litauen umziehen. Viele junge Belarusen studieren dort, so wie Sabina Alijewa, die Narichtensprecherin des Youtube-Oppositions-Kanals "Ein Land fürs Leben", die eigentlich in Litauen Jura studieren wollte und jetzt "Revolution macht". "Ich bin durch und durch Optimistin", sagt sie. "Selbst wenn mir alle sagen, dass es keine Revolution geben wird, dass wir verlieren werden und alles schlecht wird. Ich bin mir sicher, dass alles gut wird. Wir brauchen nur ein wenig mehr Zeit."

Kremlchef Putin und Belarus´ Machthaber Lukaschenko bei einem Treffen im Februar. Offiziell stärkt Moskau dem Autokraten bislang den Rücken. Bildrechte: imago images/ZUMA Wire

Bislang hält der post-sowjetische Autokrat Lukaschenko sich an der Macht. Auf seinen Apparat aus Geheimdienst und Polizei kann er sich weiter verlassen. Und Russlands Präsident Putin steht zu ihm, zumindest offiziell. Noch konnte die Revolution der Frauen in Belarus keine Wende herbeiführen. Für heute, zum belarusischen Tag der Unabhängigkeit, hat Tichanowskaja ihre Anhänger aufgerufen, wieder auf die Straße zu gehen.

(mare)

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Dieses Thema im Programm:MDR Aktuell Radio | 27. März 2021 | 07:15 Uhr