Protestaktion Klimaaktivisten auf Heizwerk-Schornsteinen in Jena: Betreiber kündigt Anzeige an

30. März 2023, 07:21 Uhr

In Jena sind am Mittwoch Klimaaktivisten auf die Schornsteine eines Heizkraftwerkes geklettert. Dort protestierten sie gegen die weitere Verwendung fossiler Energieträger. Die Polizei schritt nicht ein, da es gefährlicher gewesen wäre, die Aktivisten gegen deren Willen vom Schornstein zu holen. Am Abend beendete die Gruppe ihre Aktion. Der Betreiber Teag kündigte an, Anzeige zu erstatten. Auch Schadenersatz werde geprüft.

Klimademonstranten haben am Mittwoch stundenlang die Schornsteine eines Heizkraftwerkes in Jena-Winzerla besetzt. Laut Polizei erklommen die Aktivisten um 6 Uhr die Schornsteine, zwei von ihnen erreichten die vorletzte Plattform auf einer Höhe von rund 90 Metern. Dort brachten sie Banner mit der Aufschrift "Burn cars not gas" (Verbrennt Autos, nicht Gas) und "Gas is over" (Gas ist vorbei) an. Drei weitere Aktivisten hielten sich in einer Höhe von etwa 70 Metern auf. Alle seien mit Sicherungstechnik ausgestattet gewesen.

Wie die Thüringer Energie AG (Teag) am Mittwochabend mitteilte, kletterten die Frauen und Männer kurz nach 19 Uhr von den Schornsteinen hinunter. Danach seien ihre Personalien aufgenommen worden.

Eigenen Angaben zufolge protestierten die Aktivisten der Gruppe "Klimagerechtigkeit Jena" für eine sofortige Energiewende. Eine Aktivistin sagte, dass Jena noch bis 2035 mit Erdgas in der Fernwärme plane, sei nicht tragbar.

Aktion als Spontanversammlung genehmigt

Obwohl es sich um ein Privatgelände handele, habe der Leiter der Versammlungsbehörde der Stadt Jena die Aktion als Spontanversammlung genehmigt, teilte der Polizeisprecher mit. Am Mittag entschied sich die Polizei, den Einsatz herunterzufahren. Spezialkräfte rückten wieder ab. In einer Polizeimeldung wurde darauf verwiesen, dass es gefährlicher ist, die Aktivisten gegen deren Willen vom Schornstein zu holen, als ihr Verbleiben auf den Schornsteinen zu dulden.

Eine Intervention gegen den Willen der fünf Protagonisten bringt eine höhere Gefahr mit sich, als es die Fortsetzung der Versammlung tut.

Thüringer Polizei in einer Pressemitteilung zum Einsatz

Die Kommunikation mit den Menschen auf den Schornsteinen sei am Morgen schwierig gewesen, so der Polizeisprecher. Über eine Drohne seien sie mehrfach aufgefordert worden, die Schornsteine wieder zu verlassen. Die Feuerwehr war mit Spezialgeräten zur Höhenrettung - wie beispielsweise Sprungkissen - vor Ort.

Kraftwerksbetreiber Teag will Anzeige erstatten und prüft Schadenersatz

Die Energieversorgung sei durch die Aktion nicht gefährdet gewesen, hieß es. Das Kraftwerk, zu dem die Schornsteine gehören, sei im Moment aufgrund einer technischen Umstellung nicht in Betrieb.

Die Teag als Betreiber des Heizkraftwerkes hatte angekündigt, gegen die Männer und Frauen Anzeige wegen Hausfriedensbruchs zu erstatten. Es handle sich schließlich um eine Anlage der kritischen Infrastruktur. Nach dem Einsatz sollen laut Teag auch mögliche Schadenersatzforderungen geprüft werden.

Innenminister Georg Maier (SPD) kritisierte die Form des Protests. Dieser habe seine Grenzen, wenn es Gefahr für Leib und Leben gebe, so Maier. Die Grünen im Jenaer Stadtrat hatten sich dagegen solidarisch geäußert. Die Menschen in Jena seien oft schon weiter als die Politik, sie forderten echte Veränderung.

Wenn ein Rettungswagen etwa wegen einer Straßenblockade nicht rechtzeitig einen Unfallort erreicht oder wenn ein Klimaaktivist vom Schornstein fällt, besteht Gefahr für Leib und Leben.

Innenminister Georg Maier (SPD)

Jena will bis 2035 klimaneutral werden

In der vergangenen Woche sollte im Jenaer Stadtrat ein Klima-Aktionsplan beschlossen werden mit dem Ziel, die Stadt bis 2035 klimaneutral zu machen. Wegen zahlreicher Änderungsanträge konnte der Plan nicht verabschiedet werden.

Protestaktionen schon zuvor in Jena und Erfurt

Bereits Anfang Februar hatten Klimaaktivisten in Jena auf sich aufmerksam gemacht. Sie hatten sich auf der Fahrbahn festgeklebt und damit den Berufsverkehr blockiert. Mitte Februar blockierten zudem Vertreter der "Letzten Generation" eine Hauptstraße in Erfurt. Ende November hatte die Polizei eine Protestaktion in Weimar verhindert.

MDR/dpa (sar,jml,ifl)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 29. März 2023 | 08:30 Uhr

314 Kommentare

MDR-Team am 30.03.2023

Sollte die Polizei Zeugenaussagen verlangen, kooperieren wir selbstverständlich. Grundsätzlich gilt aber auch der journalistische Quellenschutz. In diesem Fall waren unsere Kollegen nicht von Anfang an vor Ort. Ob sich angesichts der klaren Dokumentation durch Polizei und Journalisten überhaupt Fragen ergeben ist eine ganz andere Sache. Mit der haben wir in ersten Instanz aber nichts zu tun. Wir berichten lediglich.

MDR-Team am 30.03.2023

@ all: Da die Debatte hier immer mehr vom eigentlichen Thema weggeht, schließen wir die Kommentarfunktion jetzt. In 315 Beiträgen dürfte alles gesagt sein.

Tschingis1 am 30.03.2023

@Lumberjack
Hierzu gibt es einen Artikel vom 15.02.22 bei Deutschlandfunk.

"Die Auswirkung der Dunkelflaute auf die deutsche Energiewende"

Vielleicht hilft Ihnen dieser bei der Beantwortung Ihrer Fragen?

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