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Das Altpapier am 11. April 2018Der zusammengerissene Zuck

Zuckerberg wird zum ersten Mal öffentlich vom US-Senat befragt und alle drehen durch. Dabei erinnerte das Ganze eigentlich nur an eine Zirkusvorstellung. Dazu gibt es eine Forderung nach Ausweitung des Datenhandels und die Frage: Wie größenwahnsinnig ist der Gedanke an ein öffentlich-rechtliches Supermediatheksnetzwerk? In Ungarn greift die Orbanisierung wohl auf die Medienbranche über und der MDR durfte in den Hühnerstall. Ein Altpapier von Nora Frerichmann.

Die AutorinNora Frerichmann

Es könnte fast der Auftakt einer Tournee sein, einer "mea culpa tour" (New York Times). Nur geht es dabei nicht um Musik, sondern um Daten. Denn dem Antritt von Mark Zuckerberg gestern Abend vor dem US-Senat könnte eine Einladung von der EU folgen und auch die Briten sind ja an einer "Einladung" des Facebook-Gründers interessiert (bisher ja abgesagt). Die Grünen im Europaparlament fordern nun jedenfalls laut Spiegel Online, dass Zuckerberg auch bei der EU persönlich zur Anhörung erscheinen soll und "die Chancen stehen gut, dass der Antrag angenommen wird", schreibt Brüssel-Korrespondent Markus Becker.

"Zuckerberg sei in seiner schriftlichen Stellungnahme an den US-Kongress nicht auf europäische Belange eingegangen, schreiben die Grünen-Abgeordneten Sven Giegold und Jan Philipp Albrecht in dem Brief an EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani, der dem SPIEGEL vorliegt. Es gehe etwa darum, wie der Facebook-Skandal den Ausgang des britischen Brexit-Referendums oder die Wahlen in Tschechien und anderen EU-Staaten beeinflusst haben könnte. 'Diese Anschuldigungen gehen über die Frage des Schutzes persönlicher Daten hinaus', schreiben Giegold und Albrecht. 'Sie betreffen den Kern der Demokratie, die Legitimität der Stimmabgabe.'"

Grüße aus dem Callcenter

Gestern Abend erlebte Zuckerberg mit der Befragung vor dem US-Senat schon einen "der schwierigsten Momente seiner Karriere" (Mark Hoffmann bei @mediasres) bzw. seinen "bislang schwerster Gang" (Agenturmeldung FAZ.net). Buzzwords: Datenernte … Cambridge Analytica … Daten von 87 Milliarden Facebook-Nutzern … Krise … Privatsphäre … Wahlbeeinflussung …

Gut zusammenfassen lässt sich das Spektakel, bei dem Washington wohl ziemlich verrückt spielte, mit dem Titel von Roland Nelles Spiegel-Online-Artikel "Die große Zuckerberg-Show". Denn es wirkt wirklich eher wie eine Vorstellung als eine tatsächlich ernstgemeinte Befragung. Für Zuckerberg, aber auch für die Senatorinnen und Senatoren, die sich scheinbar der Reihe nach als Retter der US-amerikanischen Privatsphäre darstellen, bzw. Zuckerberg einfach mal "grillen" wollen.
Allein schon die Organisation des Ganzen – die Senatorinnen und Senatoren haben in der fast fünfstündigen (!) Veranstaltung je nur etwa fünf Minuten (!) Zeit für ihre Fragen, die sich häufig überschneiden und wohl nicht untereinander abgestimmt sind – wirkt wie ein Zirkusprogramm, bei dem alle paar Minuten neue Artisten die Manege betreten. Auch Zuckerbergs Antworten haben, wie man ja auch erwarten durfte, kaum Mehrwert und klingen ein bisschen danach, als sei man im Callcenter in der Warteschleife steckengeblieben. Nelles schreibt:

"Zuckerberg reagiert ausweichend. So wie häufig an diesem Tag gelobt er Besserung, ohne jedoch allzu konkret zu werden. 'Wir haben noch nicht genug getan', sagt er. Oder: 'Wir arbeiten intensiv an diesem Problem.' Bei anderen Gelegenheiten benutzt er eine Standardantwort: 'Ich werde das von meinem Team überprüfen lassen. Wir kommen dann nochmal auf Sie zu.' Das klingt ein bisschen wie die Ansage in einem Call Center, ist letztlich nicht sehr befriedigend, erfüllt aber seinen Zweck: Statt wirklich nachzubohren, gehen die meisten der 44 Fragesteller zum nächsten Thema über. (…) Das hilft Zuckerberg, seine eher nebulöse Alles-wird-gut-Botschaft unters Volk zu bringen."

Der "crash course in humility and charm", den Zuckerberg laut New York Times vor der Befragung von einem ganzen Heer an Kommunikationsberatern und Anwälten bekommen haben soll, scheint also einigermaßen gewirkt zu haben.

Der Eindruck, dass das alles bloß eine Art Schauprozess für die Öffentlichkeit ist, verstärkt sich auch bei folgendem wirkungsvollen aber letztendlich nicht grade dringenden Fragen aufklärenden Dialog zwischen Zuckerberg und Senator Dick Durbin (aufgeschrieben von Johannes Kuhn bei SZ.de):

Dick Durbin (demokratischer Senator aus Illinois): "Wäre es in Ordnung, wenn Sie uns einweihen würden, in welchem Hotel Sie die vergangene Nacht verbracht haben?
Mark Zuckerberg, nach kurzem Nachdenken: "Hmm, nein." (leises Gelächter)
Durbin: "Wenn Sie jemandem diese Woche eine Nachricht geschrieben haben, würden Sie uns teilhaben lassen, wie die Personen heißen?"
Zuckerberg, lächelnd: "Senator, das würde ich wahrscheinlich nicht hier öffentlich tun wollen."
Durbin, milde lächelnd: "Ich denke, das könnte es sein, worum es hier geht: Ihr Recht auf Privatsphäre."
Auch die Aussagen der Senatoren Nelson und Kennedy weisen nicht grade auf großartiges Verbesserungspotenzial hin. Julian Heißler zitiert beide bei Zeit Online:

"Wenn Sie und andere Unternehmen sich nicht zusammenreißen, dann werden wir in diesem Land keine Privatsphäre mehr haben", sagt Bill Nelson, demokratischer Senator aus Florida in seinem Eröffnungsstatement. Sein republikanischer Kollege John Kennedy pflichtete ihm gegen Ende der Anhörung bei. "Ich bin enttäuscht von dieser Sitzung", so der Senator aus Louisiana. "Ich will Facebook nicht regulieren, aber ich werde es tun, wenn es nötig ist."

Wobei sich dabei dann wieder die Frage stellt, ob jedem bewusst ist, welche Bedingungen denn eigentlich sinnvoll wären und wie sich der Wert eines Menschen innerhalb einer Gesellschaft verändern würde, wenn Daten noch weiter zur Währung werden. Ein Thema für endlose Gedankenschleifen…

Daten sind mehr als Öl

Um jetzt mal wieder den Schwenk zurück nach Deutschland zu machen: Gestern (bzw. schon am Montag, was dann gestern in anderen Medien weitergedreht wurde) schlug der Städte- und Gemeindebund den Kommunen ja vor, mit den Daten ihrer Bürger dringend benötigtes Geld zu verdienen und sie an Unternehmen zu verkaufen.

Die Städte und Gemeinden müssten sich noch klar machen, dass "Daten das Öl des 21. Jahrhunderts sind und sich damit wichtige Einnahmen erzielen" ließen, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der Rheinischen Post. Der Zeitpunkt für eine maximale Öffentlichkeitswirksamkeit hätte nicht besser gewählt werden können.

Im Interview mit Deutschlandfunk Kultur nimmt Hannes Grassegger, sonst eher als Autor bei der Zeit unterwegs, den Vorschlag ziemlich auseinander. Daten seien nicht wie Öl, sondern mehr als Öl:

 "Bereits jetzt würde im internationalen Datenhandel mehr Geld umgesetzt als beim Handel mit Öl, so Grassegger im Deutschlandfunk Kultur. 'Da hat sich ein riesiger Graumarkt in den letzten Jahren entwickelt, wo weltweit Daten zusammengeklaubt werden, die wir auf unseren Mobiltelefonen und irgendwelchen Apps und so weiter abgeben.' Cambridge Analytica sei dabei nur 'Beispiel für ein viel größeres System'."

Landsbergs Vorschlag bezeichnet er als "eine falsche Idee von Datenhandel":

"'Hier in der Schweiz wird das zum Teil gemacht. Und das führt dazu, dass man als Privatperson die ganze Zeit irgendwelchen Behörden nachrennen muss und gucken muss, dass der Datenhandel gesperrt wird.' Das Problem daran sei, dass der Einzelne keine Kontrolle und Hoheit über seine eigenen Daten habe: 'Und wenn der Städtebund da jetzt auch noch mitmischen will, dann ist es einfach nur noch schlimmer, als was bisher der Fall ist'."

Aber statt mehr Regulierung schlägt Grassegger schließlich, entgegen aller Reflexe, die wohl bei ersten Überlegungen zu dem Thema aufkommen, eine Ausweitung des Datenhandels vor:

"Das eigentliche Problem kann man erst beheben, wenn wir selber eine Hoheit bekommen über unsere Daten und verbieten können, was gehandelt wird, und auch von dem Handel selber profitieren können unter Umständen." In Zukunft sollten also nicht wir irgendwelche Geschäftsbedingungen im Internet akzeptieren müssen. Sondern die Unternehmen, die mit unseren Daten arbeiten wollten, müssten unsere Bedingungen unterschreiben.

Wobei sich dabei dann wieder die Frage stellt, ob jedem bewusst ist, welche Bedingungen denn eigentlich sinnvoll wären und wie sich der Wert eines Menschen innerhalb einer Gesellschaft verändern würde, wenn Daten noch weiter zur Währung werden. Ein Thema für endlose Gedankenschleifen…

Supermediathek

Was Facebook, neben Regierungen rund um den Globus, noch gefährlich werden könnte? Da wird der Spot heute fleißig auf den Vorschlag dieser wilhelminisch-visionären "Supermediathek" (in Altpapier x, y und z) gelenkt. Daniel Bouhs schreibt z.B. bei Zeit Online:

"Die neuerliche Kritik und zunehmende Skepsis an Mark Zuckerbergs Netzwerk befeuern nun aber auch die Debatten um mögliche Alternativen. Keine Frage: Für Wilhelm kommt Zuckerbergs Misere genau zum richtigen Zeitpunkt."

Mit Wilhelm ist natürlich kein Kaiser gemeint, sondern Ulrich Wilhelm, der ARD-Vorsitzende. Von ihm stammt der Vorschlag für eine solche Mediathek. Bouhs fasst in dem Artikel nochmal alle möglichen Reaktionen auf Wilhelms Vorschlag zusammen. Richtig abgeneigt sei bisher niemand so richtig. Überschwänglicher Tatendrang rege sich aber außerhalb der Öffentlich-Rechtlichen auch nicht gerade, vor allem nicht bei den privaten TV-Anbietern. Probleme sieht Bouhs auch auf technischer und rechtlicher Ebene:

"Als Öffentlich-Rechtliche zusammen mit TV-Produzenten vor einigen Jahren schon mal unter dem Namen Germany’s Gold eine Best-of-Mediathek starten wollten, störten sich die Kartellwächter an dem präsentierten Modell. Eine noch größere Plattform hätte es gewiss noch schwerer. Eine Gesetzesänderung könnte helfen."

"Und dann müsste für eine Supermediathek – ob nun mit oder ohne ausgereifte Social-Funktion – sicher mehr passieren als für die bisherigen Mediatheken. Die wirken oft erstaunlich unausgereift, mithin regelrecht nutzerunfreundlich mit dürftigen oder sogar gar keinen Filter- und Vorschlagsystemen aus der Zeit der Nullerjahre. Wie sollte da ein 'großer Wurf' aus den etablierten Häusern funktionieren?"

Bezeichnend ist bei dem Thema auch, dass ARD und ZDF "sogenanntes Binge Watching" (Tilman P. Gangloff bei der WAZ) jetzt "als neuen Trend" entdecken. Vereinzelt wurden in der Vergangenheit ja schon mal ganze Serien auf einmal ins Netz gestellt, statt die einzelnen Folgen in Häppchen hochzuladen. Aber mit Bad Banks, Tatort Reiniger & Co. haben die Öffis jetzt (2018, fast ein halbes Jahrzehnt nach dem Start von Netflix und Amazon Prime Video) wohl entdeckt, dass sowas echt funktioniert. Verrückte Welt!

Dass bei der Vorstellung von einer solchen Supermediathek dann auch noch an soziale Interaktionen, quasi ein neues soziales Netzwerk und sowieso eine Vernetzung ganz Europas (der Welt, des Universums gar?) gedacht wird, scheint angesichts solch fehlender Digital-Kompetenzen aktuell nun wirklich etwas größenwahnsinnig.

Orbanisierung der ungarischen Medienlandschaft?

Die Magyar Nemzet gibt auf. Kurz nach dem Wahlsieg der Rechtspopulisten unter Viktor Orban in Ungarn hat nun die wichtigste Oppositionszeitung des Landes angekündigt, heute ihre letzte Ausgabe zu drucken. Der Grund: Finanzierungsprobleme, berichten einhellig der österreichische Standard und DW. Die Welle zitiert von der Website der Zeitung:

"Wegen finanzieller Probleme haben die Besitzer entschieden, die Medienproduktion ab dem 11. April zu beenden. 'Magyar Nemzet‘ und ihre Onlineversion werden schließen."

Die einzigen unabhängigen Medien mit großer Reichweite seien damit ab sofort das Newsportal Index.hu und die RTL Television Group des deutschen Bertelsmann-Konzerns. Die Mitarbeiter seien schockiert, heißt es weiter:

"'Wir fühlen uns wie nach einem Terroranschlag', sagte der stellvertretende Chefredakteur György Zsombor dem Portal 24.hu."

In der taz hat Ralf Leonhard weitere Reaktionen zusammengeschrieben:

"'Magyar Nemzet überlebte das Faschistenregime und den Kommunismus. Unter dem Orbán-Regime wird es jetzt gekillt', schrieb der Journalist Ádám Tompos auf Facebook. (…) 'Es kam nicht unerwartet, dass etwas Drastisches geschehen würde bei Magyar Nemzet' sagt Krisztian Simon, Medienexperte an der Freien Universität Berlin. Ein Mitarbeiter der Zeitung habe ihm noch vor einigen Tagen gesagt: "Es gibt zwei Szenarien: Entweder macht Simicska den Laden dicht, oder Orbán macht uns die Arbeit unmöglich."

Die Zeitung gehört dem Oligarchen Lajos Simicska und habe sich in den vergangenen Jahren als Aufdeckungsplattform etabliert. Beim Standard dröselt Gregor Mayer die Hintergründe auf, die sich fast schon nach Material für einen Journalisten-Polit-Thriller anhören, die Hollywood ja ganz gerne mal produziert. Dazu der Standard:

"Simicska kennt Orbán noch aus der Mittelschulzeit. Bei der Privatisierung nach der demokratischen Wende 1989 griff er sich lukrative Plakatwerbeunternehmen. Mit den Gewinnen finanzierte er in den 1990er-Jahren die von Orbán mitbegründete Fidesz-Partei. Er baute ein Imperium auf, das auch große Bauunternehmen umfasste. Vor allem unter der zweiten Orbán-Regierung von 2010 bis 2014 lebten seine Medien als Sprachrohre des Orbanismus gut von öffentlichen Aufträgen. Streit zwischen Mächtigen Nach Orbáns Wiederwahl kam es zum Zerwürfnis zwischen den ehemaligen Schulfreunden. Dem Regierungschef war der Oligarch wohl zu mächtig geworden. Simicska beschimpfte Orbán als 'Abschaum', seine Medien schwenkten auf einen regierungskritischen Kurs ein."

Auch andere Medien Simicskas haben große Probleme oder stehen vor dem Aus: Schließen müssen dem Standard zufolge nämlich auch der Radiosender Lánchíd und die Wochenzeitung Heti Válasz, wenn sie keinen Käufer findet. Der private Nachrichtenkanal Hír TV überlebe vorerst "unter kräftigen Einsparungen".

Bei einer seiner selten stattfindenden Pressekonferenzen habe Orbán am Dienstag sich nicht zur Einstellung der für ihn "missliebigen Zeitung" äußern wollen. "Bekanntlich beschäftigen wir uns nicht mit geschäftlichen Dingen", zitiert ihn der Standard. Für Kritiker jedoch bestehe die Tätigkeit der seit acht Jahren amtierenden Orbán-Kabinette allerdings hauptsächlich aus der Vergabe einträglicher staats- und EU-finanzierter Aufträge an von Orbán abhängige Geschäftsleute.

Der Name Maygar Nemzet heißt übersetzt "Ungarische Nation". Bleibt zu hoffen, dass diese auch ohne ihre namensschwesterliche Zeitung von den wenigen verbleibenden unabhängigen Medien weiterhin irgendwie kritisch informiert werden kann. Aktuell sehen die Entwicklungen aber leider so aus, als würde sich die Situation der Presse in Ungarn eher der in der Türkei annähern.

Altpapierkorb (Journalist in Gaza, MDR im Hühnerstall, Münster oder Mallorca, Serien in Cannes)

+++ In einem Kommentar bei Spiegel Online fragt sich Christoph Sydow, wo die Aufregung über den Tod des palästinensischen Journalisten Yaser Murtaja bleibt. Der 30-Jährige sei am Freitag, mit einer Presse-Weste klar erkennbar als Journalist, erschossen worden, als er antiisraelische Proteste filmte: "Kaum ein Journalist empört sich hierzulande darüber, dass ein Kollege bei der Ausübung seines Berufs getötet wird. Es ist erst wenige Monate her, dass im Zuge der Inhaftierung des Welt-Journalisten Deniz Yücel in der Türkei täglich die Bedeutung der Pressefreiheit und des Schutzes für Reporter betont wurde. Dieser Schutz muss für palästinensische Reporter ebenso gelten." Es sei "unerlässlich, dass Journalisten über diese Proteste berichten können, ohne Gefahr zu laufen, erschossen zu werden. Auch das ist Pressefreiheit – und es ist im Grunde absurd, dass man diese Selbstverständlichkeit überhaupt betonen muss. Aber diese Pressefreiheit muss verteidigt werden. In Deutschland, in der Türkei, in Israel, im Gazastreifen."

+++ Der MDR durfte also Bilder aus dem Hühnerstall nutzen: Der Bundesgerichtshof hat nun über zwei TV-Beiträge aus dem Jahr 2012 entschieden,in denen der MDR Bilder aus Hühnerställen genutzt hatte, um Missstände in der Bio-Haltung zu dokumentieren (siehe auch dieses Altpapier). Die Betreiber fanden das erwartbarer Weise nicht so dolle und klagten auf Unterlassung. Bei @mediasres wird aus dem Urteil zitiert: das vom MDR "verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und sein Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit überwiegen das Interesse der Klägerin am Schutz ihres sozialen Geltungsanspruchs und ihre unternehmensbezogenen Interessen". Aus Gründen: Auch das Altpapier erscheint ja bei MDR.

+++ Das Diskussions-Karussell um die Katastrophenberichterstattung dreht sich nach Münster weiter. Die Nachrichtenredaktion des Deutschlandfunks will dabei keine Täternamen nennen. Boris Rosenkrantz kritisiert bei Übermedien besonders die Berichterstattung von n-tv und Welt (nicht der Print/Online-Welt, sondern der TV-Welt, ehemals N24). Bei n-tv sei lange von einem "Anschlag" die Rede gewesen – ohne eine Bestätigung der Polizei. Die Journalisten hätten diverse Spekulationen verbreitet. "Moderator Jörg Boecker von n-tv, der auch in der ARD moderiert, fasst den Irrsinn irgendwann unbewusst in einem Satz zusammen. Er plaudert über irgendwas, das er gerüchteweise vernommen hat, und sagt dann: 'Wir setzen ein Fragezeichen dahinter, weil wir es natürlich nicht wissen und die Polizei uns immer wieder gebeten hat, uns nicht an Spekulationen zu beteiligen.' So ein Fragezeichen ist schon toll. Damit kann man jeden Quatsch in die Welt posaunen, und am Ende ist man vermeintlich fein raus." Und auch andere Strategien der Berichterstattung waren nicht unbedingt sehr kompetent. Bei Welt habe die Moderatorin anfangs mit einem Reporter telefoniert – aber nicht in Münster, sondern im über 150 km entfernten Köln. Nochmal Rosenkrantz: "Man könnte diesen Job überall machen, zum Beispiel von Mallorca aus, vom Südpol, wenn man Netz hat, oder einfach aus der Welt-Redaktion in Berlin. Aber Fernsehsender, nicht nur private, bevorzugen es, Nähe vorzugaukeln, die keinerlei Mehrwert für die Berichterstattung hat." Noch schlimmer sei allerdings die britische Mail, berichtet Katharina Wecke ebenfalls bei Übermedien. Dort hat man sich irgendwie zusammengestrickt, der IS-Terroranschlag auf das Bataclan in Paris habe den "fanatischen Heavy-Metal-Anhänger" aus Münster beeinflusst, der seinen Lieferwagen in das Café steuerte.

+++ "Die zweite Runde der Trilog-Verhandlungen zur sogenannten SatCab-Verordnung, von der die Zu­kunft der Kreativen der Film- und Fernsehbranche abhängt, steht kurz bevor", heißt es heute auf der FAZ-Medienseite (nicht frei online). Es geht um die Pläne der EU-Kommission, ob öffentlich-rechtliche Sender ihre Programme künftig in der ganzen EU ausstrahlen dürfen. Mehrfachverwertung über Auslandsrechte wäre dann für Filmschaffende gestorben. Die Umsetzung solcher Pläne "wür­den den erstarkenden europäischen Film- und Fernsehmarkt zerstören und Tausende Arbeitsplätze kosten, sind sich die Befürworter des Territorialprinzips sicher", schreibt Jörg Seewald.

+++ Wasserstandsmeldung zur Keylogger-Affäre (dieses USB-Stick-ähnliche Dingens, mit dem ein ehemaliger Redakteur 2015 verschiedene Kolleginnen und Kollegen ausspioniert haben soll) bei der taz: Der betreffende Redakteur habe sich nach Informationen der Zeitung erst in einen südostasiatischen Land ohne Auslieferungsabkommen mit Deutschland abgesetzt, sein aktueller Aufenthaltsort sei nicht bekannt. Er werde aktuell per Haftbefehl gesucht, berichten Martin Kaul und Sebastian Erb. Mehr Infos gibt‘s bei taz.de.

+++ Auf der Medienseite der Süddeutschen (und hier online) kommt das erste Fernsehserienfestival in Cannes bei Karoline Meta Beisel nicht so gut weg. Ihr Fazit: Mehr Glamour als richtig gute Serien. "Anspruchsvolle Serien sind längst Gast auf großen Filmfestivals. Bei der Berlinale, aber auch in Venedig oder Toronto werden Serien gezeigt". Heute Abend werden dort zum ersten mal Preise in Form von neonfarbenen Palmen vergeben.

+++ Onlinewerbung ist gar nicht so schlecht und unwirksam, wie ihr Ruf, ergibt der Media Quality Report von Integral Ad Science. Details hat auch Horizont.net.

+++ WDR360 (Ach ja, wir befinden uns hier ja bei MDR Medien360G. Die Öffentlich-Rechtlichen scheinen ein Faible für die Gradzahl eines Kreises zu haben.) hat bisher ja eher so bei Youtube vor sich hingesendet. Jetzt "schiebt" der WDR das Format zu Funk ab, heißt es bei quotenmeter.de. So negativ wie dieses Verb klingt, muss man das aber sicherlich nicht unbedingt sehen. Ist doch sinnvoll, Angebote zu bündeln, statt dass jede ARD-Anstalt ihr eigenes digitales Süppchen für die junge Zielgruppe kocht. Das Format bekommt den neuen Namen "reporter" und jeden Mittwoch soll’s eine neue Folge bei Youtube geben.

Neues Altpapier gibt's wieder am Donnerstag.