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Hohenmölsen lebt schon lange von und mit der Braunkohle. Das hat auch den Aufbau der Stadt geprägt. Bürgermeister Andy Haugk zeigt MDR-Reporterin Britta Veltzke Straßenzüge, die dazugekommen sind, als Dörfer in der Umgebung abgebaggert und die Menschen umgesiedelt wurden. Bildrechte: MDR/Isabel Theis

"Tschüss Kohle, hallo Zukunft" – 2022Hohenmölsen im Mitteldeutschen Kohlerevier – Eine Stadt im Wandel

07. März 2022, 05:00 Uhr

Hohenmölsen liegt mitten im mitteldeutschen Braunkohlerevier, selbst die Anordnung der Straßenzüge ist vom Kohleabbau geprägt. Bürgermeister Andy Haugk erklärt, welche Bedeutung die Energieerzeugung für seine Stadt hat.

Dass Hohenmölsen mitten im mitteldeutschen Braunkohlerevier liegt, selbst die Anordnung vieler Straßenzüge mit dem Kohleabbau zu tun hat, sieht man am besten von oben. Stufe für Stufe steigt Andy Haugk die Treppen zum Rathausturm hoch. Seit 2011 ist Haugk Bürgermeister der knapp 10.000-Einwohner-Stadt. In drei Jahren will der Parteilose wiedergewählt werden. Er wird dann Anfang 50 sein. Jetzt schaut er von oben auf seine Geburtsstadt.

Vom Rathausturm aus sieht man, dass Hohenmölsen umzingelt ist von Kohlekraftwerken – seit einigen Jahren aber auch von Windenergieanlagen. Erneuerbare Energien sollen nach dem Kohleausstieg die Energie in der Region liefern. Bildrechte: MDR/Isabel Theis

"Die Stadt Hohenmölsen hat einmal Bergbau rund um die Stadt erlebt", erzählt Haugk. Diese Flächen seien alle aufgeforstet worden. "Das ist heute ein grüner Gürtel um die Stadt. Und das passiert ja mit den Flächen, die aktuell bergrechtlich beansprucht werden, in Zukunft auch." Das sei eine Spur von Bergbau.

Es ist längst nicht die einzige dieser Spuren in Hohenmölsen. Der Ort ist quasi umzingelt von Kraftwerken. Eins, das Kraftwerk Deuben, raucht seit Ende 2021 nicht mehr. "Das ist das erste spürbare Zeichen des Strukturwandels", sagt Haugk.

Die Kohle-Serie und der Ukraine-KriegSeit dem Angriff der russischen Armee auf die Ukraine wird wieder über den Kohleausstieg diskutiert. Die Bundesregierung prüft, ob ein vorgezogener Ausstieg bis 2030 überhaupt möglich ist, sollten Russlands Gaslieferungen ausbleiben. Die Interviews mit den Protagonisten unserer Serie fanden alle vor Beginn des Krieges statt.

Perspektivisch sollen alle Kraftwerke ausgehen. Wie wird es in und um Hohenmölsen dann aussehen? Wo kommt künftig die Energie her? Wo entstehen neue Arbeitsplätze? "Wir werden nach wie vor damit leben, dass unsere Landschaft durch Energie gekennzeichnet ist. Das, was der Bergbau hinterlässt, sind rekultivierte Landschaften. Aber die Energie der Zukunft sind erneuerbare Energien und das sehen wir heute schon", erklärt Haugk. Es gebe in der Region eine Windkraftdichte, wie sie nirgendwo anders so zu finden sei.

Das Stadtgebiet von Hohenmölsen hat sich über die Jahrzehnte immer weiter ausgebreitet. Um die Altstadt herum gruppieren sich Siedlungen, die zum Teil entstanden sind, als Menschen aus abgebaggerten Dörfern umsiedeln mussten. Bildrechte: MDR/Isabel Theis

Um den Revieren zu helfen, nach dem Kohleausstieg zurecht zu kommen, macht der Bund bis zu 40 Milliarden Euro locker. Das Geld soll in neue Infrastruktur fließen. Die Krux aus Haugks Sicht: "Leider haben wir als Revierbürgermeister recht wenig Einfluss auf die Vergabe der Mittel."

Haugk kann nur versuchen, seine Ideen so gut es geht zu lancieren – auf Landkreisebene und in der Staatskanzlei in Magdeburg. Der Bürgermeister hofft zum Beispiel auf ein Agrartechnologiezentrum. Schon jetzt gibt es im Ort ein Landmaschinenbauunternehmen mit rund 500 Beschäftigten.

Andy Haugk, 49 Jahre alt, ist seit 2011 parteiloser Bürgermeister seiner Heimatstadt Hohenmölsen. Für eine weitere Amtszeit bewirbt er sich 2025. Eine seiner größten Sorgen aktuell: Dass der vorgezogene Kohleausstieg Arbeitsplätze gefährdet. Bildrechte: MDR/Isabel Theis

Ein anderer Punkt, der Haugk ganz wichtig ist: der Verkehr. "Dort, wo über Jahrzehnte Bergbau stattgefunden hat, sind wichtige Verkehrswege unterbrochen worden. Und die müssen wir wiederherstellen."

Erneuerbare Energien statt CO2-Schleudern. Badespaß an neuen Tagebauseen, noch mehr neuer Wald und Felder statt gigantische, grau-braune Löcher. Neue Straßen. Das klingt erst einmal alles positiv. Nichtsdestotrotz. Die Zukunft macht dem Bürgermeister auch Sorgen, sollte der Kohleausstieg auf 2030 vorgezogen werden. Er glaube nicht daran, dass dann noch bezahlbar Energie erzeugt werden könne. Zweitens glaube er auch nicht, dass "die ganzen Vorhaben, die wir jetzt eigentlich mit gutem Geld finanzieren können, auch wirklich dann schon in der Landschaft sind". Haugk sagt weiter: "Die Arbeitsplätze gehen eher, als dass die neuen geschaffen worden sind und das bereitet uns durchaus Sorgen."

Der Mondsee gilt als die 'Badewanne von Hohenmölsen'. Die rote Wasserrutsche ist die Hauptattraktion. Allerdings hat der See Wasser verloren, so dass die Besucher aktuell im Trockenen landen würden. Der See wird gerade wieder aufgefüllt. Bildrechte: MDR/Isabel Theis

Doch am Ende gehört Andy Haugk zu der Sorte der zuversichtlichen Menschen. Seine Stadt habe schon viele Brüche er- und überlebt: die massenhafte Abwanderung nach 1990, einst Kreisstadt ist Hohenmölsen heute nur noch eines von vielen Städtchen im Burgenlandkreis, und die Bundeswehrkaserne machte Ende 2007 dicht. Den Kohleausstieg – den werde man also auch schaffen.

Hier können Sie sich alle Folgen der Serie anhören:

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Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL Radio | 07. März 2022 | 06:56 Uhr