GeburtsklinikenChefarzt fordert neue Struktur für Geburtshilfe auf dem Land
Bei den Beschäftigten der Kinderklinik in Zeitz in Sachsen-Anhalt gab es diese Woche lange Gesichter: Die Entbindungs- und Kinderstation im SRH-Klinikum wird zum 1. Mai geschlossen. Als Grund wurden die politischen Rahmenbedingungen genannt sowie Ärztemangel. Treffen solche Probleme auch auf andere Geburtskliniken zu? Was bedeutet die Entwicklung vor allem für Einrichtungen auf dem Land?
- Der Geburtenrückgang und der Fachkräftemangel sorgen dafür, dass es für Geburtskliniken auf dem Land immer schwieriger wird zu überleben.
- Das werde noch zusätzlich durch gesundheitspolitische Vorgaben verstärkt, kritisiert die Deutsche Krankenhausgesellschaft.
- Die Sächsische Landesärztekammer fordert eine bessere Vernetzung.
Am Leipziger Klinikum St. Georg leitet Prof. Uwe Köhler als Chefarzt die Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe. Auf seiner Station kommen pro Jahr mehr als 1.700 Babys zur Welt. Köhler ist gleichzeitig Vizepräsident der Landesärztekammer Sachsen. Seiner Ansicht nach wird es für Geburtskliniken in den ländlichen Regionen immer schwieriger zu überleben: "Zum einen ist es so, dass die Geburten in Deutschland zurückgegangen sind. Gerade in den letzten Jahren, vor allem auch im ländlichen Bereich durch den Wegzug junger Leute – das ist ein generelles Problem. Und der zweite Punkt ist, dass wir gerade auch in der Geburtshilfe einen erheblichen Fachkräftemangel haben. Es fehlt an Hebammen und entsprechend qualifizierten Ärztinnen und Ärzten."
Deutsche Krankenhausgesellschaft kritisiert politische Vorgaben
Bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft wird diese Entwicklung mit Sorge betrachtet. Der Mangel an medizinischem Fachpersonal werde noch durch gesundheitspolitische Vorgaben verschärft, erklärt der Vorstandsvorsitzende der DKG, Gerald Gaß: "Vor etwa zwei Jahren sind in den deutschen Krankenhäusern durch die Politik sogenannte Pflegepersonal-Untergrenzen eingeführt worden, die nach und nach auf alle Fachabteilungen und Stationen umgelegt wurden und die es jetzt den Krankenhäusern erschweren, jederzeit diese Personalvorgaben in vollem Umfang zu erfüllen."
Das heißt, es gibt gesetzliche Vorschriften, für wie viele Patientinnen oder Patienten ein Arzt oder eine Pflegekraft maximal verantwortlich sein darf. Darüber hinaus sind viele Kliniken auch durch die hohen Krankenstände ihrer Belegschaft in eine Schieflage geraten, sagt Gaß: "Beispielsweise jetzt im Frühjahr durch die Infektionen mussten immer wieder Betten gesperrt werden und damit hat es natürlich auch Erlösausfälle in den Krankenhäusern gegeben. Die Krankenhäuser sind in einer extrem schwierigen wirtschaftlichen Lage, weil die Kosten davonlaufen und wir die Preise nicht anpassen dürfen. Wir müssen damit rechnen, dass in den kommenden Monaten Schließungen von Stationen, Abteilungen oder ganzen Krankenhausstandorten immer häufiger der Fall sein werden."
Forderung nach besserer Vernetzung
Auch deshalb müsse die Versorgung vor allem in den ländlichen Regionen neu organisiert werden. Zum Beispiel bei Schwangerschaft und Geburt, sagt Uwe Köhler, der Vizepräsident der Sächsischen Landesärztekammer: "Wir brauchen mehr vernetzte Betreuung, sektorübergreifende Betreuung, ambulant, stationär. Man kann heute Schwangerschaften, auch risikobehaftete Schwangerschaften, zum Beispiel sehr viel länger ambulant betreuen. Das war vor 20 bis 30 Jahren noch nicht der Fall. Man muss sich die Region ganz einfach anschauen. Wie weit ist denn tatsächlich die Entfernung bis zur nächsten Geburtsklinik, wenn eine Einrichtung wegfällt? Wir haben in Deutschland – da kann man die jungen Familien, die jungen Mütter, auch ein stückweit beruhigen – weltweit das dichteste Netz an Geburtskliniken."
Es sei Aufgabe von Landräten, Bürgermeistern und Medizinern, so Köhler, gemeinsam Konzepte zu entwickeln. So könne die gewohnte Qualität der medizinischen Versorgung auch auf dem Land aufrechterhalten werden.
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 31. März 2023 | 06:00 Uhr