KinderbetreuungZehn Jahre Rechtsanspruch auf Kita – aber immer noch zu wenig Plätze
Seit zehn Jahren gibt es einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Geburtstag. In der Praxis ist dieser nicht durchsetzbar. Dabei gibt es Unterschiede zwischen Ost und West. Das Hauptproblem ist aber überall das gleiche.
- Die Kita-Situation ist im Osten noch immer deutlich besser
- Hauptproblem ist in Ost und West der Fachkräftemangel
- Einklagen des Rechtsanspruchs ist theoretisch möglich
In Deutschland fehlen in diesem Jahr 384.000 Kita-Plätze. Das zeigt eine Bertelsmann-Studie. Damit ist klar: Der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem ersten Geburtstag kann auch zehn Jahre nach Einführung noch immer nicht für alle erfüllt werden.
Trotzdem habe er für eine Verbesserung gesorgt, findet Marika Tändler-Walenta, familienpolitische Sprecherin der Linken im sächsischen Landtag. "Aus meiner Sicht hat der wesentlich "was gebracht", sagt Tändler-Walenta: "Wir haben jetzt eine Betreuungsquote von über 50 Prozent bei den Unter-Drei-Jährigen. Wir haben natürlich im Osten schon immer eine hohe Betreuungsquote. Das sieht man an der Betreuungsquote bei Drei- bis Sechsjährigen. Da liegt die bei über 90 Prozent."
Kita-Situation im Osten deutlich besser
Nach Einführung des Rechtsanspruchs sind tatsächlich im ganzen Land die Betreuungsquoten gestiegen. Trotzdem herrscht vor allem bei den Ein- bis Dreijährigen weiter Platznot. Dort liegt Sachsen mit den angesprochenen mehr als 50 Prozent Betreuungsquote im bundesweiten Vergleich sehr gut im Rennen – ähnlich wie Sachsen-Anhalt und Thüringen.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass im Osten nur etwa 21.000 Plätze fehlen, während es im Rest der Republik knapp 363.000 sind.
Hauptproblem ist Fachkräftemangel
Trotzdem sind die Probleme überall die Gleichen. Linken-Politikerin Tändler-Walenta sagt: "Wir haben einen massiven Fachkräftebedarf im Kindertagesstättenbereich. Wirklich. Da ist viele, viele Jahre vieles falsch gelaufen."
Da ist viele, viele Jahre vieles falsch gelaufen.
Marika Tändler-Walenta, Sächsiche Landtagsabgeordnete (Die Linke)
Sie zählt auf: "Man musste eine Vorausbildung haben. Man kriegt bis heute keine Ausbildungsvergütung. Und was bis heute ein großes Problem ist, ist die Anerkennung von Fachkräften." Das gehe sogar so weit, dass einzelne Bundesländer die Ausbildungen von Erziehern aus anderen Bundesländern nicht anerkennen würden – und das, obwohl Schätzungen zufolge mehr als 300.000 Fachkräfte in dem Bereich fehlten.
Klage auf Kita-Platz ist möglich – theoretisch
Wer keinen Kita-Platz bekommt hat, kann sich dank des Rechtsanspruchs einklagen – zumindest theoretisch, wie Rechtswissenschaftler Prof. Reinhard Wiesner erklärt. Der Jurist, der seinerzeit den Rechtsanspruch als Referatsleiter im Bundesfamilienministerium mit auf den Weg gebracht hatte, meint: "Wir haben jetzt – und da gibt’s immer mehr Entscheidungen – die Fälle, wo die Eltern vor Gericht Recht bekommen haben, aber sie faktisch letztlich den Platz nicht bekommen haben."
Das große Problem ist auch hier der Personalmangel. Den betroffenen Eltern bleibt dann oft nur, noch einmal zu klagen – auf Schadensersatz, weil sie ihr Kind zum Beispiel in einer teureren Privat-Kita unterbringen mussten oder auf Gehalt verzichten mussten, weil sie nicht arbeiten gehen konnten.
Wenngleich auch das Bundesfamilienministerium auf Anfrage betont, dass sich seit Einführung des Rechtsanspruchs vor zehn Jahren vieles verbessert hat, bleibt der Weg zum Kita-Platz vor allem für Eltern von Kindern zwischen einem und drei Jahren steinig.
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 01. August 2023 | 06:00 Uhr