Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben
Bildrechte: picture alliance/dpa/Hannes P Albert

ReformKommission empfiehlt Liberalisierung von Abtreibungsrecht

15. April 2024, 22:27 Uhr

Eine von der Regierung eingesetzte Expertenkommission empiehlt, dass in der Frühphase einer Schwangerschaft Abbrüche nicht mehr grundsätzlich strafbar sein sollten. Politiker reagieren reserviert auf den Vorschlag und geben sich zurückhaltend. Eine kurzfristige Neuregelungen durch die Ampel-Regierung ist daher nicht zu erwarten. Auch aus Sorge vor Polarisierung. Kritik an den Empfehlungen kam von der Union und von kirchlichen Verbänden.

Nach den Empfehlungen einer Regierungskommission für eine Reform des Abtreibungsrechts geben sich die zuständigen Minister zurückhaltend. Wie die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Montag in Berlin mitteilte, handelt es sich dabei um ein sehr sensibles Thema, das stark in persönliche Bereiche gehe. Daher gelte es, unterschiedliche Güter gegeneinander abzuwägen.

"Und wir wollen eine Debatte führen, die uns letztlich weiterbringt in dieser Frage." Es bringe also nichts, dass unter Zeitdruck und schnell zu tun, sagte Hoffmann. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz sei daran gelegen, dass diese Diskussion in ruhiger und sensibler Weise geführt werde.

Das sei verbunden mit der Hoffnung, dass in Deutschland eine Polarisierung beim Thema Schwangerschaftsabbruch vermieden werden könne. Der Expertenbericht sollte jetzt Grundlage sein für eine solche Debatte.

Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ist der Meinung, dass es für eine Gesetzesänderung einen breiten gesellschaftlichen und parlamentarischen Konsens brauche. Bundesjustizminister Marco Buschmann kündigte an, den Bericht zunächst gründlich auszuwerten. Über Konsequenzen zu reden, sei noch zu früh.

Arbeitsgruppe zum Schwangerschaftsabbruch und Leihmutterschaft

Die Expertenkommission empfiehlt, eine Abtreibung in den ersten zwölf Wochen zu legalisieren. "In der Frühphase der Schwangerschaft sollte der Gesetzgeber den Schwangerschaftsabbruch mit Einwilligung der Frau erlauben." Arbeitsgruppen-Chefin Liane Wörner sagte in Berlin, eine grundsätzliche Rechtswidrigkeit der Abtreibung in der frühen Schwangerschaft sei nicht haltbar. Das halte einer verfassungs-, völkerrechtlichen und europarechtlichen Prüfung nicht stand.

Der Gesetzgeber entscheide über eine Beratungspflicht. Bis zur 22. Woche könne dieser festschreiben, unter welchen Voraussetzungen ein Abbruch straffrei bleibt. Danach sei der Abbruch rechtswidrig. Aktuell ist jede Abtreibung in Deutschland grundsätzlich rechtswidrig, bleibt bis zur 13. Woche nach einer ärztlichen Beratung jedoch straffrei.

Die Expertinnen und Experten äußern sich darin auch zu den Themen Eizellspende und Leihmutterschaft. Beides hält die Kommission unter bestimmten Umständen für zulässig.

Kritik von kirchlichen Verbänden und der Union

Kritik an den Empfehlungen kam von der Union, den katholischen Bischöfen und von kirchlichen Verbänden. Der Union zufolge sei die Kommission von der Ampelkoalition sehr einseitig besetzt worden. Der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, kritisierte, die Kommission spreche dem ungeborenen Kind ein vollwertiges Lebensrecht und volle Menschenwürde ab.

Ähnlich äußerte sich die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp. Für sie bedeutet ein Schwangerschaftsabbruch in der Frühphase das Ende eines klaren Lebensschutzkonzepts. Menschliche Würde bestehe von Anfang an, so Stetter-Karp. Insgesamt sei sie "irritiert", dass ohne Not an den Pfeilern des Paragrafen 218 gesägt werde.

Dagegen begrüßte der Paritätische Wohlfahrtsverband die Empfehlungen als "wichtigen Meilenstein". Eine Verortung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts sowie die Einführung eines Rechtsanspruchs auf Beratung würden endlich die Stigmatisierung beenden, der ungewollt Schwangere bisher ausgesetzt seien.

Leihmutterschaft und Abreibung in anderen Ländern

Die Empfehlungen waren bereits Anfang des Monats bekanntgeworden. Die Bundesregierung muss nun entscheiden, ob sie Neuregelungen erarbeiten will. Auch ein Demo-Verbot für Abtreibungsgegner wird diskutiert.

In anderen Ländern wie den USA sind die Fronten zwischen Befürwortern einer weitgehenden Selbstbestimmung für Frauen und Abtreibungsgegnern verhärtet. So wurde in Arizona kürzlich erst ein Gesetz von 1864 reaktiviert, das selbst in Fällen von Vergewaltigung oder Inzest eine Abtreibung strafbar macht. Leihmutterschaft ist dagegen erlaubt und wird oft in Anspruch genommen.

Polen verfolgt ein sehr strenges Abreibungsrecht. In dem katholischen Land sind Schwangerschaftsabbrüche nur im Fall von Vergewaltigung oder Inzest erlaubt oder wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist.

In Frankreich können Schwangere bis zur 14. Woche die Schwangerschaft abbrechen. Die Einnahme von Abtreibungspräparaten zu Hause ist bis zur siebten Woche gestattet. Das Recht auf Abtreibung wurde im März in der Verfassung verankert.

dpa,epd, KNA (lmb)

Mehr zum Thema Abtreibung und Schwangerschaftsabbruch

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 15. April 2024 | 19:47 Uhr