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GaskriseDie wichtigsten Fragen und Antworten zur Energiespar-Verordnung

26. August 2022, 21:36 Uhr

Die neuen Energiespar-Verordnungen des Bundeswirtschaftsministeriums sollen dazu beitragen, Gasknappheit im Winter zu vermeiden. Drohen uns jetzt nachts dunkle Straßen? Was kommt auf Privathaushalte zu? Und wie viel Gas wird tatsächlich eingespart? Die Verordnungen im Überblick.

Welche Maßnahmen gelten ab September?

Eine erste Verordnung mit "kurzfristig wirksamen Maßnahmen" gilt ab 1. September für sechs Monate. Sie sieht zunächst vor, dass in "öffentlichen Nichtwohngebäuden", also etwa Arbeitsstätten von kommunalen Arbeitgebern, nur bis zu einer oberen Temperaturgrenze geheizt werden darf. Für körperlich leichte Tätigkeiten sind das 19 Grad, für körperlich schwere Tätigkeiten sogar nur 12 Grad.

Bestimmte Bereiche in kommunalen Gebäuden, wie Flure und Foyers, sollen möglichst gar nicht mehr beheizt werden. Die öffentliche Hand soll damit laut Bundeswirtschaftsministerium eine "Vorbildfunktion" übernehmen. Ausgenommen sind soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser und Schulen.

KabinettsbeschlussEnergiesparverordnung: 19 Grad in Büros, keine Leuchtreklame

Bei privaten Arbeitgebern gelten die festgelegten Höchsttemperaturen als Mindesttemperaturen – für leichte und mittelschwere Tätigkeiten liegen diese 1 Grad unter den bislang geltenden Mindesttemperaturen.

Andrea Fergen, Ressortleiterin bei der Gewerkschaft IG Metall kritisiert diese Regelung auf Anfrage von MDR AKTUELL. Durch die niedrigeren Temperaturen drohten eine erhöhte Infektionsgefahr und damit Ausfälle. "Die Arbeitgeber würden sich damit einen Bärendienst erweisen", erklärt Fergen. Temperatursenkungen bräuchten daher zwingend die Zustimmung von Betriebsräten. Gleichzeitig weist die Gewerkschaft darauf hin, dass die Verordnung keine Höchsttemperaturen in privaten Betrieben vorsieht – hier gebe es zur Zeit viele Missverständnisse.

Die Verordnung sieht außerdem vor, dass Ladenbesitzer ihre Türen geschlossen halten müssen, falls Verlust von Wärme droht. Im öffentlichen Raum müssen zudem beleuchtete Werbeanlagen zwischen 22 und 16 Uhr ausgeschaltet bleiben, Gebäude und Denkmäler dürfen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nicht mehr angeleuchtet werden.

Welche Maßnahmen gelten ab Oktober?

Eine weitere Verordnung sieht "mittelfristig wirksame Maßnahmen" ab Oktober vor – der Verordnung muss allerdings der Bundesrat noch zustimmen. Diese Maßnahmen gelten für zwei Jahre und betreffen vor allem eine bessere Energieeffizienz: Private Besitzer von Gasheizungen etwa müssen der Verordnung zufolge in den kommenden zwei Jahren einen Heizungscheck durchführen.

Außerdem müssen Unternehmen mit einem Energieverbrauch von mehr als zehn Gigawattstunden, die schon eine Einsparanalyse durchgeführt haben, die dort festgestellten Maßnahmen nun auch umsetzen. Das betrifft etwa den Austausch von Beleuchtungen und ineffizienten Heizungssystemen. Das Bundesumweltministerium teilte auf Anfrage von MDR AKTUELL mit, Unternehmen mit einem Energieverbrauch in dieser Größenordnung gebe es insbesondere im verarbeitenden Gewerbe wie etwa der chemischen Industrie.

Wie sehr werde ich privat durch die Maßnahmen eingeschränkt?

Privathaushalte sind von den Maßnahmen nur sehr eingeschränkt betroffen. An einigen Stellen stärken die Verordnungen sogar Mieter- und Verbraucherrechte: So verlieren ab 1. September Klauseln in Mietverträgen, die Mietern eine Mindesttemperatur vorschreiben, vorübergehend ihre Gültigkeit. Außerdem werden Gas- und Wärmelieferanten verpflichtet, ihre Kunden über künftige Preissteigerungen und Einsparmöglichkeiten zu informieren.

Auch ausgeschaltete Laternen sind in den Verordnungen nicht vorgesehen. Bürger wollten keine völlig dunklen Städte, "weil sie dann Angst haben", hatte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, in der "Bild"-Zeitung gewarnt. Ausgeschaltet werden soll aber nur die Beleuchtung von Gebäuden und Denkmälern sowie Werbe-Beleuchtung. Die Verordnung sieht zudem vor, dass auch Werbe-Beleuchtung eingeschaltet bleiben darf, wenn sie der Sicherheit dient – also etwa an Wartehäuschen von Bushaltestellen.

Eine Einschränkung gibt es tatsächlich – diese betrifft jedoch nur vergleichsweise wenige Haushalte: Private Swimmingpools dürfen ab 1. September vorübergehend nicht mehr mit Strom oder Gas beheizt werden. Etwa zwei Prozent aller Haushalte in Deutschland besitzen nach einer Auswertung des Bundesverbands Schwimmbad und Wellness aus dem Jahr 2018 einen privaten Pool. Wie das Verbot kontrolliert werden soll, ist aber unklar.

Welche Reaktionen gibt es auf Habecks Spar-Pläne?

An Kritik an den Verordnungen mangelt es nicht. "Ich bezweifle, dass das Abschalten von Beleuchtung eine Gasnotlage verhindert", sagte der energiepolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Mark Helfrich, im Interview mit MDR AKTUELL. Wichtig sei Eigenverantwortung statt Verordnungen. Man brauche Menschen, die freiwillig mitzögen – dieser Aspekt komme derzeit zu kurz.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Landsberg, gab in der "Bild"-Zeitung zu bedenken: "Ob Türen rund um die Uhr immer geschlossen sind, werden wir nicht kontrollieren können." Das Verbot von Werbe-Beleuchtungen sei schon weit einfacher zu kontrollieren.

Lob kommt dagegen vom Umweltverband WWF. Er fordert, dass die Energiespar-Verpflichtungen für die Industrie auch über Februar 2023 fortgesetzt werden: "Die Bürde des Energiesparens muss sich hier stärker manifestieren als bei den Haushalten." Denkbar seien etwa Heizverbote für Gemeinschaftsflächen auch bei Privatunternehmen.

Welche Rolle spielt die EU bei den Vorgaben?

Die Maßnahmen des Bundeswirtschaftsministeriums basieren auf dem Notfallplan der EU-Kommission. Diese hatte die Mitgliedsstaaten im Juli dazu aufgerufen, ihren Gasverbrauch um 15 Prozent zu reduzieren. Gemäß dem Plan sollen Länder Prioritäten setzen: Vorrang bei der Versorgung haben demnach Privathaushalte, soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser und wichtige Industrien. Die Staaten sollen etwa auf Kohle, Öl und Atomkraft ausweichen, um weniger Gas zu verbrauchen.

Der Plan ist eine Empfehlung, sieht aber auch vor, dass die Kommission eine Reduzierung des Gasverbrauchs im Notfall anordnen kann. Um das Einsparziel der EU zu erreichen, müsste Deutschland nach Berechnungen der Deutschen Presse-Agentur von August bis März kommenden Jahres gut zehn Milliarden Kubikmeter weniger Gas verbrauchen – das entspricht dem Verbrauch von fünf Millionen vierköpfigen Haushalten in einem Jahr.

Wie viel bringen die Maßnahmen überhaupt?

Das Bundeswirtschaftsministerium schreibt selbst: "Durch die Umsetzung der Energieeinsparverordnungen lässt sich nur ein kleiner Teil der erforderlichen Einsparungen erreichen." Beide Verordnungen zusammen sollen jährlich Einsparungen von 20 Terawattstunden Gas bringen – das wären nur etwa zwei Prozent des Verbrauchs in Deutschland.

Nötig, schreibt das Ministerium weiter, sei "eine nationale Kraftanstrengung". Es brauche ein Zusammenspiel von Staat, Wirtschaft, Gewerkschaften sowie der Zivilgesellschaft. Gemeint ist damit etwa ein "Fuel Switch" bei Unternehmen (Wechsel von Gas auf Brennstoffe wie Kohle oder Öl) und freiwilliges Gas-Sparen von privaten Haushalten.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 25. August 2022 | 07:00 Uhr