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Vor allem das virtuelle Glücksspiel hat für den Anstieg der Glücksspiel-Einnahmen gesorgt. Bildrechte: IMAGO / Political-Moments

Lotto, Sportwetten, Online-AutomatenGlücksspiel-Einnahmen lassen Staatskasse klingeln

24. März 2023, 11:10 Uhr

Der Staat nimmt immer mehr Geld aus dem Glücksspiel ein. Besonders die Legalisierung von Online-Automatenspielen im Jahr 2021 erhöht die Steuereinnahmen der Länder – auch in Mitteldeutschland. Wie die Mehreinnahmen verwendet werden, ist allerdings unklar.

Der Staat hat im vergangenen Jahr so viele Steuern aus Glücksspielen eingenommen wie nie zuvor. Wie eine Auswertung des MDR von Daten des Statistischen Bundesamts ergab, summierten sich die Erträge aus Lotterie-, Sportwett-, Online-Poker- und virtueller Automatensteuer 2022 bundesweit auf rund 2,56 Milliarden Euro. Im Vergleich zu 2021 entspricht das einem Plus von gut zehn Prozent. Seinerzeit lagen die Erträge bei 2,32 Milliarden Euro.

Hohe Steigerungen beim virtuellen Glücksspiel

Grund für den Anstieg sind stark wachsende Steuereinnahmen aus dem Geschäft mit digitalen Spielautomaten. In diesem Bereich nahmen die Erträge des Fiskus um 126 Prozent auf 428 Millionen Euro zu. Auffällig ist auch der Anstieg beim Online-Poker um 141 Prozent auf rund 33 Millionen Euro. Die Steuern auf diese Formen des Glücksspiels wurden erstmals 2021 erhoben, als der neue Glücksspielstaatsvertrag in Kraft trat. Mit der Reform wurden Online-Spielautomaten legalisiert.

Bei der traditionellen Lotterie stagnierten die Erträge auf hohem Niveau. Die Länder nahmen demnach rund 1,66 Milliarden Euro an Lotteriesteuer ein. Bei den Sportwetten, dem zweitgrößten Posten, sanken die Steuererträge trotz Fußball-Weltmeisterschaft um acht Prozent auf 432 Millionen Euro.

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SteuerartEinnahmen 2021Einnahmen 2022Entwicklung
Lotteriesteuer1,65 Milliarden Euro1,66 Milliarden Euro+0,9 %
Sportwettsteuer470 Millionen Euro432 Millionen Euro-8 %
Virtuelle Automatensteuer189 Millionen Euro428 Millionen Euro+126%
Online-Pokersteuer13,6 Millionen Euro32,8 Millionen Euro+141 %

Geldregen für mitteldeutsche Finanzminister

Von steigenden Steuererträgen profitieren auch die drei mitteldeutschen Länder. So nahm etwa Sachsen allein in den ersten drei Quartalen 2022 laut Statistischem Bundesamt mehr als 24 Millionen Euro über die Online-Pokersteuer und die virtuelle Automatensteuer ein. Im gesamten Jahr 2021, als die Legalisierung in Kraft trat, lagen die Einnahmen aus diesen beiden Steuerarten bei lediglich 23.000 Euro. Für das vierte Quartal 2022 liegen auf Länderebene noch keine Daten vor.

Stichwort: GlücksspielstaatsvertragDer Glücksspielstaatsvertrag der 16 Bundesländer trat zum 1. Juli 2021 in Kraft. Er schuf bundeseinheitliche Regelungen für den Online-Glückspielmarkt. Online-Poker und virtuelle Automatenspiele wurden legalisiert. Ziel ist laut Vertrag, den Schwarzmarkt entgegenzuwirken und den Jugend- und Spielerschutz zu gewährleisten.

Anbietern von Online-Glücksspielen und Sportwetten müssen seitdem über eine Lizenz verfügen, die an Auflagen gebunden ist. Sie müssen etwa Software einsetzen, die erkennen kann, welche Spieler süchtig nach Glücksspielen werden. Es gilt ein anbieterübergreifendes monatliches Spiellimit von 1.000 Euro. Spieler können sich ebenfalls anbieterübergreifend selbst sperren lassen.

Über die Einhaltung des Vertrages wacht die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder in Halle in Sachsen-Anhalt. Sie nahm zum 1. Januar 2023 vollumfänglich den Betrieb auf.

Festgelegt wurde darüber hinaus, dass auf die Einsätze bei Glücksspielen in Online-Casinos ein Steuersatz von 5,3 Prozent erhoben wird – ebenso hoch ist der Steuersatz bei Sportwetten.

Größter Posten der Glückspieleinnahmen bleibt auch in Sachsen die Lotterie. Hier summierten sich die Steuererträge in den ersten drei Quartalen 2022 auf 47 Millionen Euro. Aus Sportwetten erhielt der Freistaat von Januar bis Ende September vergangenen Jahres 17,6 Millionen Euro.

In ähnlichen Verhältnissen stehen die Zahlen in Sachsen-Anhalt und Thüringen. Auch dort nahmen die Steuereinnahmen aus dem Online-Glücksspiel in den ersten neun Monaten 2022 stark zu. Sachsen-Anhalt kassierte in diesem Zeitraum aus der virtuellen Automatensteuer und aus dem Online-Poker 14,26 Millionen Euro; Thüringen bekam 12,94 Millionen Euro. Noch im Jahr 2021 nahmen beide Ländern den Daten des Statistischen Bundesamtes zufolge noch keinen Cent bei diesen Steuerarten ein.

Verwendung der zusätzlichen Einnahmen unklar

Die Einnahmen aus den neuen Steuerarten fließen direkt in die Landeshaushalte. Eine Zweckbindung etwa für Suchtberatungen, therapeutische Angebote oder karitative Projekte besteht nicht.

Auf Anfrage, wie die steigenden Einnahmen verwendet werden und ob höhere Ausgaben für Suchtprävention angestrebt werden, antwortete ein Sprecher des Finanzministeriums in Thüringen: "Wie auch die Lotterie- und Sportwettensteuer unterliegen die neu eingeführten Steuern dem Gesamtdeckungsprinzip und kommen damit dem Gemeinwohl zu Gute." Die Finanzministerien in Dresden und Magdeburg äußerten sich nahezu gleichlautend.

In diesem Punkt besteht zwischen privat betriebenen Online-Spielautomaten und staatlichem Lotto ein zentraler Unterschied. Denn beim Lotto wird zumindest ein Teil der staatlichen Einnahmen – die Glückspielabgaben beziehungsweise teilweise die Reinerlöse der Lottogesellschaften – zweckgebunden für Organisationen aus den Bereichen Kultur, Wohlfahrt, Naturschutz oder Sport ausgegeben. Die weiteren Einnahmen landen ebenfalls in den Haushalten. Insgesamt fließen rund 40 Prozent der Spieleinsätze beim staatlichen Lotto an den Staat oder direkt an gemeinnützige Organisationen.

Einnahmen und Abgaben staatlicher Lottogesellschaften in Mitteldeutschland im Jahr 2021
 SachsenSachsen-AnhaltThüringen
Spieleinsätze327 Millionen Euro202,8 Millionen Euro168,1 Millionen Euro
Jahresüberschuss73,8 Millionen Euro1,0 Millionen Euro-
Lotterie- und Wettstudio56,6 Millionen Euro34,9 Millionen Euro29 Millionen Euro
Glücksspielabgaben/ Konzessionsabgaben-41,1 Millionen Euro15 Millionen Euro
Direkte Zahlungen an Verbände aus den Bereichen Sport, Wohlfahrt, Natur- und Denkmalschutz1,1 Millionen Euro0,46 Millionen Euro16 Millionen Euro
Abgaben für das Gemeinwohl bzw. Einnahmen für die Landeshaushalte131,6 Millionen Euro77,7 Millionen Euro60 Millionen Euro
Anteil am Spieleinsatz40,2 Prozent38,3 Prozent35,7 Prozent

Experte fordert mehr Geld für Forschung und Prävention

Je nach Bundesland ist die Ausschüttung der Lottoeinnahmen an Verbände, Vereine, freie Träger oder Stiftungen unterschiedlich ausgestaltet und gewichtet. Beispielsweise sieht das Glückspielgesetz in Sachsen-Anhalt vor, das jährlich 530.000 Euro für Maßnahmen der Suchtbekämpfung und Suchtforschung ausgegeben werden.

Der Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel an der Universität Hohenheim, Steffen Otterbach, würde auch einen größeren Teil der Einnahmen aus dem Online-Glücksspiel gerne hier angelegt sehen. Im Gespräch mit dem MDR sagte er, die Folgen der Liberalisierung des Glücksspielmarktes seien nicht absehbar: "Wir wissen nicht, wie viel problematisches oder pathologisches Glücksspiel dazukommt. Hier wäre es aus meiner Sicht absolut notwendig, mehr Geld für Forschung und Prävention aufzuwenden."

Die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) in Halle verfüge lediglich über ein Budget für Forschungsprojekte im Umfang von etwa einer halben Million Euro, erläuterte Otterbach. Das sei angesichts der Millionen-Einnahmen der 16 Bundesländer nicht angemessen.

Korrekturhinweis: In der ursprünglichen Version des Artikels waren die genannten Einnahmen aus der Online-Automatensteuer im Jahr 2022 falsch berechnet. Statt 287 Millionen Euro betrugen die Einnahmen des Staates laut Statistischem Bundesamt tatsächlich 428 Millionen Euro. Folglich sind auch die Gesamteinnahmen und der Anstieg der Erträge aus Lotterie-, Sportwett-, Online-Poker- und virtueller Automatensteuer 2022 höher als zunächst berichtet. Wir haben die Zahlen im Text und in der Grafik am 23. Februar korrigiert. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

Hilfe bei Glücksspiel-SuchtWenn Sie selbst Probleme mit dem Spielen haben oder sich Sorgen um eine angehörige Person machen, wenden Sie sich an das Beratungstelefon der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Das Beratungsteam ist unter der Rufnummer 0800 1 37 27 00 kostenfrei und anonym erreichbar.
Sprechzeiten: Montags bis donnerstags 10 bis 22 Uhr und freitags bis sonntags 10 bis 18 Uhr an 363 Tagen im Jahr (ausgenommen der 24.12. und der 31.12.).

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 19. Februar 2023 | 09:11 Uhr