Kritik vom vdekKostenbremse für Eigenanteil bei der Heim-Pflege verpufft
Der Eigenanteil für die Pflege in Heimen in Deutschland ist weiter gestiegen. Zuzahlungen federn die Entwicklung nur zum Teil ab. Durch Inflation und Neuerungen müssen die Betroffenen in den kommenden Monaten mit zusätzlichen Belastungen rechnen.
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Der Eigenanteil in der nichthäuslichen Pflege ist in den vergangenen sechs Monaten weiter gestiegen. Nach Angaben des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) mussten Pflegebedürftige in Heimen bundesweit durchschnittlich 2.248 Euro pro Monat aus eigener Tasche zuzahlen, 69 Euro mehr als zum 1. Januar. In Sachsen belaufen sich die Kosten auf durchschnittlich 1.972 Euro monatlich, in Sachsen-Anhalt auf 1.700 und in Thüringen auf 1.895 Euro.
Zum Vergleich: Die durchschnittliche Bruttoaltersrente von Versicherten mit Wohnsitz in Sachsen lag nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung Ende 2021 bei rund 1.364 Euro monatlich.
Allerdings trifft der Eigenanteil in der Pflege nicht alle Heimbewohner in vollem Umfang: Seit Januar greift in der vollstationären Pflege eine Entlastung über den sogenannten Leistungszuschlag. Dieser Zuschlag wird von den Pflegekassen in Verbindung mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) zur Entlastung der zu Pflegenden und deren Angehörigen gezahlt.
Leistungszuschlag zum Eigenanteil an den Kosten der Pflege
Zur Entlastung zu Pflegender in vollstationärer Pflege wird seit dem 1. Januar '22 ein Leistungszuschlag gezahlt:
während der ersten 12 Monaten fünf Prozent
- nach den ersten 12 Monaten 25 Prozent
- nach 24 Monaten 45 Prozent
- nach 36 Monaten 70 Prozent
Quelle: Bundesgesundheitsministerium; SGB XI, § 43c Begrenzung des Eigenanteils an den pflegebedingten Aufwendungen
Durchschnittliche Kosten nach Leistungszuschlag:
- Sachsen durchschnittlich 1.927 Euro pro Monat, 99 Euro mehr als noch im Januar
- Sachsen-Anhalt: durchschnittlich 1.662 Euro, 108 Euro mehr als zum 1. Januar
- Thüringen: 1.857 Euro, 85 Euro mehr als zum 1. Januar.
Weitere Hilfen
Pflegebedürftige, deren Mittel der Eigenanteil übersteigt, können bei den Sozialämtern sowohl die sogenannte Hilfe zur Pflege als auch Wohngeld und Grundsicherung im Alter beantragen. So können unter anderem nach Angaben der Stadt Dresden auch zu Hause lebende pflegebedürftige Menschen finanzielle Unterstützung beim Sozialamt beispielsweise für die Pflegedienstkosten beantragen.
Weitere deutliche Steigerungen erwartet
Der Bundesverband der Ersatzkassen resümierte, der neue Leistungszuschlag der Pflegekasse sei nur bei längeren Heimaufenthalten deutlich spürbar. Bei kurzer Aufenthaltsdauer verpuffe der Entlastungseffekt der Kostenbremse. In diesem Jahr erwarten Beobachter noch einmal deutliche Steigerungen beim Eigenanteil ab September. Denn dann müssen die Mitarbeitenden in den Pflegeeinrichtungen flächendeckend entweder nach Tarif oder nach regional üblichem Entgeltniveau bezahlt werden, das im ersten Halbjahr für alle Bundesländer erhoben wurde.
Forderungen nach Kostendeckelung
Diese Entwicklung begrüßt beispielsweise die Stadt Dresden. Klatschen alleine helfe nicht, heißt es in einer Pressemitteilung. Es sei vielmehr gemeinsame Pflicht, für eine "leistungsgerechte und faire Bezahlung in der Pflegebranche zu sorgen". Zugleich forderte die Kommune eine wirksame Kostendeckelung für den Eigenanteil bei Pflegekosten. Dieser fehle im Gesetz. Mit Blick auf die Inflation warnte der Arbeitgeberverband Pflege vor einem "Kosten-Tsunami" angesichts möglicher drastischer Kostensteigerungen in Altenpflegeheimen. Die Kostensteigerungen könnten sich auf 600 bis 1.000 Euro pro Monat summieren, ergänzte ein Sprecher.
Der vdek veröffentlicht halbjährlich Werte zur durchschnittlichen Belastung der Alten und Kranken sowie deren Angehörigen mit den Kosten des Eigenanteils. Dabei fällt der Anteil zur Pflege eigentlich noch höher aus, wird aber zu einem gleichbleibenden Teil von den Pflegekassen übernommen. Miete, Essen und Investitionskosten müssen vollständig privat gezahlt werden. Verhandelt über die neuen Pflegesätze wird in der Regel einmal im Jahr pro Einrichtung, bei Bedarf aber auch mehrfach. Verhandelt wird übrigens nicht nur über die Kosten in den Heimen, sondern auch die der ambulanten Pflegedienste. Somit könnten auch die Kosten der häuslichen Pflege weiter steigen.
mit dpa,KNA,EPD
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 27. Juli 2022 | 12:00 Uhr