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Der EuGH setzt Grenzen: Nur unter strengen Voraussetzungen dürfen Kommunikationsdaten vorübergehend gespeichert werden. Bildrechte: picture alliance/dpa | Harald Tittel

EuGH-UrteilAnlasslose Vorratsdatenspeicherung rechtswidrig

20. September 2022, 18:50 Uhr

Die Kommunikationsdaten der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland dürfen nicht ohne Anlass gespeichert werden. Das hat der Europäische Gerichtshof klargestellt. Die sogenannte Vorratsdatenspeicherung ist seit Jahren umstritten und liegt bereits auf Eis.

Die deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung ist nicht mit EU-Recht vereinbar. Das hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg entschieden. Der EuGH erklärte, ohne Anlass dürften die Kommunikationsdaten aller Bürgerinnen und Bürger nicht gespeichert werden.

Denn, so der EuGH: Der Satz von Verbindungs- und Standortdaten, die nach der deutschen Regelung gespeichert werden sollen, könne sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der Personen ermöglichen – etwa auf Gewohnheiten des täglichen Lebens oder das soziale Umfeld. Damit könne ein Profil dieser Personen erstellt werden. Dies sei ein Grundrechtseingriff, der eine gesonderte Rechtfertigung erfordere.

EuGH setzt enge Grenzen für Datenspeicherung

Nur unter bestimmten strengen Voraussetzungen sei eine begrenzte und vorübergehende Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten zulässig. Zum Schutz der nationalen Sicherheit, zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und zur Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit dürften Telekommunikationsanbieter für einen begrenzten Zeitraum dazu verpflichtet werden, bestimmte Daten zu speichern. Dabei müsse jedoch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit streng beachtet werden.

Vorratsdatenspeicherung liegt seit Jahren auf Eis

Die Vorratsdatenspeicherung war seit Jahren in Deutschland umstritten. Sicherheitsbehörden sehen in ihr ein Hilfsmittel für die Aufklärung von Straftaten. Gegner lehnen die anlasslose Speicherung der Daten als zu tiefen Eingriff in die Freiheitsrechte und unzulässiges Mittel der Überwachung ab. Die Telekom und der Internetprovider SpaceNet hatten sich dagegen gewehrt, bestimmte Daten für den Zugriff der Behörden aufzubewahren: etwa den Zeitpunkt und die Parteien eines Telefonats. Dabei geht es zum Beispiel darum, wer wann mit wem wie lange telefoniert hat oder mit welcher IP-Adresse jemand im Internet unterwegs war. Die Inhalte der Kommunikation werden nicht gespeichert.

Die Bundesnetzagentur hatte die deutsche Regelung bereits 2017 auf Eis gelegt, nachdem das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden hatte, dass SpaceNet nicht zur Speicherung der Daten verpflichtet werden darf.

Bundesregierung uneins über Datenspeicherung

Bundesjustizminister Marco Buschmann kündigte nach dem Urteil an, die Regelung aus dem deutschen Recht streichen zu wollen. Auf Twitter schrieb der FDP-Politiker, der EuGH habe in einem historischen Urteil bestätigt, dass die anlasslose Vorratsdatenspeicherung in Deutschland rechtswidrig sei. Buschmann sprach von einem guten "Tag für die Bürgerrechte".

Dagegen hatte sich Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zuletzt zumindest für die Sicherung von IP-Adressen ausgesprochen, um sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet besser verfolgen zu können. SPD, Grüne und FDP hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, vor einer Neuregelung des Gesetzes das Grundsatzurteil des EuGH abwarten zu wollen.

dpa, AFP, epd, KNA (aju)

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 20. September 2022 | 12:00 Uhr