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Nichtwähler ansprechenWenn die Politik vor der Tür steht – so effektiv ist Haustürwahlkampf

22. Mai 2024, 12:27 Uhr

Wahlkampf – damit verbinden viele Wahlplakate an Laternenmasten, Infostände vor Supermärkten und Auftritte von Politikerinnen und Politikern in Talkshows. Gerade vor Kommunalwahlen ziehen auch manche Kandidierenden von Tür zu Tür und suchen das direkte Gespräche mit Wahlberechtigten. Der Haustürwahlkampf scheint im digitalen Zeitalter altmodisch und überholt. Doch Haustürgespräche sind Forschern zufolge durchaus effektiv und können die Wahlbeteiligung um bis zu acht Prozent erhöhen.

  • Im persönlichen Gespräch an der Wohnungstür wollen vier Politiker der Linken Wählerinnen und Wähler davon überzeugen, ihre Partei zu wählen.
  • Die Befragten äußern allgemeinere Kritik, berichten den Politikern aber auch von ganz persönlichen Problemen.
  • Haustürwahlkampf ist zwar ziemlich aufwendig, lohnt sich laut einem Politikberater aber und passt gut in die Zeit.

"Wir würden uns jetzt auf einen Block aufteilen, sodass dann jeweils zwei Leute in einen Hauseingang gehen. Damit wir nicht im gleichen Hausflur sind und sich unsere Gespräche da irgendwie übertönen." Elias Zarrad gibt den Einweiser. Der 22-Jährige steht mit drei anderen Parteimitgliedern der Linken neben einem Hochhaus an der Voßstraße in Halle.

Sie wollen die Menschen hier dazu motivieren, ihre Partei zu wählen. Zarrad hat das schon ein paar Mal gemacht – im Gegensatz zu Martin Thiele, mit dem er gleich von Tür zu Tür ziehen wird. "Das ist mein erster Haustürwahlkampf, erste Erfahrungen sammeln. Aber ich hab' Bock." Angst, nach den jüngsten Übergriffen auf Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer, haben sie nicht.

Die Probleme vor Ort in Erfahrung bringen

Die Tür zum ersten Aufgang steht schon mal offen. "Ich würde dir mal zwei Zeitungen in die Hand geben, damit du auch was in der Hand hast. Dann würden wir mal klingeln und es einfach mal versuchen hier", sagt Zarrad. Die Klingel scheint ausgestellt. "Wir können ja mal klopfen." Ein Hund bellt in der Wohnung, doch niemand öffnet.

Weiter geht’s, immer weiter nach oben – elf Stockwerke. Schon im ersten Stock macht ein alter Mann die Wohnungstür auf. "Hallo, ich bin Elias Zarrad von der Linken Halle und wir machen gerade Haustürgespräche." Doch sein Gegenüber winkt nur ab, er sei krank. Auch bei der nächsten Tür eine Absage: "Heute nicht."

Im vierten Stock haben sie Glück, Carola Behrendt öffnet. "Wir laufen gerade hier in der Voßstraße durch die Blöcke, um mit den Leuten, die hier wohnen, ins Gespräch zu kommen und zu erfahren, was die Probleme sind, die es hier vor Ort gibt", erklärt Zarrad. Die steigenden Mieten seien ein großes Problem. "Ich bin Rentner", sagt die Bewohnerin. "Und ein anderes Problem habe ich auch noch: Und zwar diese Auffahrt unten an der Haustür. Im Winter, wenn es glatt ist, komme ich mit meinem Rollator nicht runter."

Der Linken-Politiker erwidert: "Okay, das wäre auf jeden Fall eine Sache, bei der HWG vielleicht anzustoßen, dass die barriereärmeres Wohnen anbieten." Denn die Hallesche Wohnungsgesellschaft (HWG) sei schließlich ein städtisches Unternehmen – und barrierearmes Wohnen eine Forderung seiner Partei. "Ich würde Ihnen gern mal unsere Kommunalwahl-Zeitung mitgeben."

Eine andere Frau berichtet von Autos im Halteverbot, die verhindern, dass sich ihr autistischer Sohn sicher zwischen Gehweg und Schulbus bewegen kann.

Bei Wählern klingeln – Sehr aufwendig, aber lohnenswert

Bei der Kommunalwahl nach den persönlichen Problemen zu fragen, bietet sich aus Sicht von Simon Jakobs durchaus an – und passe gut in die Zeit. Der Politikberater hat sich in einer Studie an der Uni Trier wissenschaftlich mit den Wirkungen des Haustürwahlkampfs beschäftigt. "Weil es eben dieses 'Politik hört uns nicht mehr zu' aktiv konterkariert. (…) Also die Leute sind – neudeutsch – erstmal geflasht, dass da die Politik vor ihrer Tür steht, weshalb die meisten auch gar nicht negativ reagieren."

Es verbrauche zwar enorme Ressourcen, von Tür zu Tür zu gehen. Doch der Aufwand lohne sich. Laut Studien erhöht Haustürwahlkampf die Wahlbeteiligung um zwei bis acht Prozent.

Nun hoffen die beiden Wählkämpfer der Linken, dass die Leute, die sie besucht haben, das Kreuz auch bei ihrer Partei machen. Nach einer knappen Stunden haben sie den elften Stock erreicht. Ihr Fazit fällt positiv aus. "Ich habe vierzehn geklopfte Türen notiert, neun geöffnete Türen und davon waren vier gute Gespräche", resümiert Martin Thiele. "Und der Rest hat ja trotzdem etwas angenommen, also unsere Zeitung." Sie sind zufrieden – und auf geht's zum nächsten Elfgeschosser.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 22. Mai 2024 | 06:47 Uhr