Hans-Georg Maaßen: Der Ersatzkandidat
Gleich mehrere Autos mit der Aufschrift und dem Konterfei des Mannes, der bis Ende 2018 Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz war, parken Anfang September 2021 vor dem Gasthaus "Schützenhof XXL" in Crock bei Eisfeld. Die CDU hat an diesem 8. September "Auf ein Wort mit Hans-Georg Maaßen" geladen. Das "E" im "MAASSEN"-Autoaufdruck ist einer Deutschlandfahne nachempfunden, jeder Querstrich eine Farbe: Schwarz, Rot, Gold.
Maaßen selbst in eigener Partei umstritten
Maaßen ist selbst in seiner Partei stark umstritten. Er will, so sagt er, einen "Ökosozialismus" durch SPD, Grüne und Linke verhindern. Und er vertritt nicht nur in der Migrationspolitik Positionen, wie sie ähnlich die AfD propagiert. So gut wie alle überregionalen Zeitungen haben ihn - und ein bisschen auch seinen Wahlkreis - inzwischen porträtiert. Seine politischen Gegner werden nicht müde, von seiner Partei zu fordern, die Nominierung Maaßens zurückzuziehen.
Dass so viele kommen, hätte ich nicht gedacht.
Martin Kahle, Inhaber des "Schützenhofs XXL" in Crock
Doch hier, im kleinen Crock - kaum tausend Einwohner leben im Ort - ist erst einmal wenig von dieser Aufregung zu spüren. Die Stimmung an diesem schönen sonnigen Spätsommerabend ist entspannt, bis auf den Umstand, dass einem Team von "Spiegel TV" das Drehen verboten wird.
Crock gehört zum Kreis Hildburghausen, wo bereits die Corona-Warnstufe 1 gilt und damit die 3G-Regel; der Inhaber des "Schützenhofs", Wirt Martin Kahle, ist froh, dass die Veranstaltung draußen im Biergarten stattfinden kann. Damit alle 65 Gäste, überwiegend Männer, überwiegend nicht mehr ganz jung, Platz finden, muss er zusätzliche Tische holen. "Dass so viele kommen, hätte ich nicht gedacht", sagt er.
Dabei ist Hans-Georg Maaßen ein Kandidat, der Publikum zieht. Auch provokatives Publikum: Neonazi Tommy Frenck aus dem nahen Kloster Veßra taucht kurz vor Beginn der Veranstaltung im Wirtshaus auf. Martin Kahle bittet ihn zu gehen - wie er später sagt, auf Wunsch von Maaßen. Frenck trinkt im Gastraum noch sein Bier aus, dann verlässt er den "Schützenhof". Bei der Veranstaltung im Freien ist er nicht einmal am Rande zu sehen – im Gegensatz zu dem, was später von "Spiegel TV" suggeriert wird.
Draußen, im Biergarten, wirkt also alles harmonisch. CDU-Kreischef Christopher Other erzählt, wie ihnen der ursprüngliche Direktkandidat, Mark Hauptmann, wegen Korruptionsvorwürfen im Rahmen des Maskenskandals im März "abhandengekommen" sei. Schnell hätte kluger Ersatz gefunden werden müssen. "Ich denke, wir haben uns sogar etwas Intelligentes überlegt". Er meint, natürlich, Hans-Georg Maaßen, und fügt hinzu: "Es ist für uns hier im Süden enorm wichtig, ein ganz starkes Sprachrohr zu haben, das unsere Interessen in Berlin vertritt".
Maaßen wirbt mit seiner Erfahrung
Die örtliche CDU setzt auf die Verbindungen Maaßens zum Berliner Politikbetrieb. Auch Maaßen selbst lässt immer wieder anklingen, wieviel Erfahrung er hat: Als politischer Beamter, als Verwaltungsjurist, in Bonn und in Berlin. Er sagt: "Ich möchte Südthüringen als Direktkandidat vertreten, weil ich glaube, ein hohes Maß an politischer Professionalität mitzubringen". Denn ein entscheidender Vorteil fehlt ihm: Der Heimvorteil. Sein rheinländischer Zungenschlag ist nicht zu überhören, wenn er spricht, und der klingt so ganz anders als das weiche ins Fränkische gehende Südthüringisch.
Die Rechnung scheint aufzugehen, zumindest an diesem Abend. Niemanden stört es, dass er kein Einheimischer ist. "Es ist besser, jemandem zu vertrauen, der die Sachkenntnis hat als einem, der zwar hier geboren ist, aber nichts bewegen kann", sagt einer aus dem Publikum.
Zudem punktet Maaßen offenkundig mit seinen Kernthemen beim Publikum. "Ich persönlich bin für einen anderen Kurs, das weiß jeder", sagt der 58-Jährige, als es um die Migrationspolitik geht. Gut eine Stunde lang beantwortet er Fragen, zur Sicherheitspolitik, zu Afghanistan ("ein Desaster"), zum Renteneintrittsalter ("muss sinken"). Aber auch zur Konkurrenz ganz rechtsaußen: "Was die AfD macht, das ist: Sie spricht Probleme aus", sagt Maaßen.
Die AfD wird in den nächsten vier Jahren keinen Einfluss haben.
Hans-Georg Maaßen, CDU-Kandidat im Wahlkreis Südthüringen
Passend zu dieser Aussage wird Thüringens AfD-Partei- und Fraktionschef Björn Höcke Maaßen ein paar Tage später eine Nähe zu den Positionen seiner Partei bescheinigen. Doch der CDU-Kandidat sagt in Crock auch: "Wir müssen die richtigen Lösungen finden und da bin ich sehr weit von der AfD entfernt. Die Lösungen können nicht radikal sein, die Lösungen können nicht extrem sein".
Und: "Die AfD ist eine Partei, die auf unabsehbare Zeit weiter Opposition ist. Sie wird in den nächsten vier Jahren keinen Einfluss haben." Das Publikum hört aufmerksam zu. Überhaupt bleibt die Stimmung an diesem Abend ruhig, es gibt eher verhalten Applaus.
Maaßen kommt gut an an diesem Abend
Es wird allmählich dunkel. Die Fragerunde ist zu Ende. Wie fanden die Gäste den Kandidaten der CDU? "Informativ. Er tritt für die Sache ein", sagt einer. "Er ist sehr authentisch, das erlebt man nicht oft bei Politikern", sagt Isabell Zwicker aus Veilsdorf. Ihr Tischnachbar Nico Reich, ebenfalls aus Veilsdorf, findet: "Das, was er gesagt hat, war sehr durchdacht. Man hat halt nicht viele Alternativen".
Ich würde heute noch keine Wetten dafür abgeben, was am 26. herauskommt.
Christopher Other, Kreisvorsitzender der CDU in Hildburghausen
Und was sagt Maaßen zu seinen Chancen, den Wahlkreis zu gewinnen? "Ich finde hier viel Zuspruch", antwortet er MDR THÜRINGEN. Er rechne sich "gute Chancen" aus. Auch, wenn der Bundestrend gerade dagegen spreche: "Ich bin ganz zuversichtlich". CDU-Kreischef Other klingt da etwas skeptischer: "Wir stehen zweieinhalb Wochen vor der Bundestagswahl in einem nicht ganz so leichten Umfeld für die CDU/CSU. Die Umfragen zeigen nicht gerade nur nach oben. Ich würde heute noch keine Wetten dafür abgeben, was am 26. herauskommt".