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Gas- und StrompreiseKeine Staatshilfen für energieintensive Unternehmen?

29. September 2022, 05:00 Uhr

Nicht nur Privatverbraucher sorgen sich um die hohen Preise für Gas und Strom, auch viele Unternehmen: Vor allem Industriebetriebe sind auf große Mengen Gas für ihre Produktion angewiesen. Sie fordern deshalb mehr finanzielle Unterstützung vom Staat. Doch Wirtschafts- und Umweltexperten warnen davor, dass die Politik gleichermaßen Hilfen an die Unternehmen verteilt.

Reint Gropp vom Leibnitz Institut für Wirtschaftsforschung in Halle sagte bei MDR AKTUELL im Interview: "Wir werden weiter mit hohen Energiepreisen zu tun haben. Das wiederum heißt, dass einige Unternehmen mit ihrem Geschäftsmodell, wenn es sehr energieintensiv ist, keine Zukunft haben, und solche Unternehmen sollten eher nicht unterstützt werden. Wir sollten dann auch den Strukturwandel zulassen." Keine Hilfen also für energieintensive Unternehmen?

Kritik von der Chemie- und Pharmaindustrie

Die Sorgen sind in diesen Tagen groß bei der Belegschaft im Chemiepark Leuna. Viele Beschäftigte fragten sich, ob ihre Jobs sicher sind, sagt Oliver Heinrich. Der Nordost-Bezirksleiter der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie – kurz IGBCE – hatte sich vor einer Woche auf einer Kundgebung in Leuna selbst ein Bild gemacht.

Oliver Heinrich sagt: "Wir haben an vielen Stellen große Verbundstandorte, das heißt: Viele Unternehmen arbeiten ineinander, das Produkt des einen Unternehmens ist der Rohstoff des nächsten Unternehmens. Gerade in der chemischen Industrie sind das alles energieintensive Prozesse. Und wenn hier ein Unternehmen aufgrund dieser Energiepreise ausfällt, dann bedeutet das, dass ganze Produktionsketten – ich will nicht sagen in den Abgrund gerissen werden – aber das Geschäftsmodell sich entzieht."

Im Chemiepark arbeiten 12.000 Menschen für rund 100 Firmen. Wegen der teuren Energiepreise läuft die Produktion zurzeit nur eingeschränkt. Deshalb will Oliver Heinrich staatliche Hilfen.

Dass energieintensive Unternehmen keine Unterstützung erhalten sollten, weil sie keine Zukunft hätten – wie es der Wirtschaftsexperte Reint Gropp fordert – nennt der Gewerkschafter realitätsfern. "Es ist richtig, dass wir auch in den nächsten Jahren mit hohen Energiepreisen zu tun haben. Aber gerade mit Blick auf die Wertschöpfungsketten und die Versorgung in Sachsen-Anhalt und insgesamt in unserem Industrieland Deutschland ist ja die Frage: Wie können wir energieintensive Industrie gerade auch im weltweiten Wettbewerb hier in Deutschland halten und wie kann die sich weiter entwickeln?"

Auch Fabian Hoppe, Sprecher des Verbands der Chemischen Industrie Nordost, spart nicht mit Kritik an der Aussage des Wirtschaftswissenschaftlers. Sie sei gefährlich, denn die Chemieindustrie sei Grundlage für alle weiteren Produktionsprozesse und damit für den Wohlstand in Deutschland. Deshalb fordert auch er weitere staatliche Hilfen.

Fünf Milliarden Euro stellt der Bund schon bereit, um die Energiekosten der Unternehmen zu dämpfen. Doch das Programm sei noch nicht ausreichend, so Hoppe. "Da haben wir immer wieder darauf hingewiesen, dass das noch einige Lücken enthält, vor allem ganz wichtige Industrien, wie bei uns die Chemieparks, ausschließt." Außerdem fordert der Sprecher des Industrieverbands, dass der Bund die Gasumlage vollständig übernehmen soll. Der Chemie- und Pharmaindustrie drohe sonst eine Mehrbelastung von vier Milliarden Euro im Jahr.

Deutsche Umwelthilfe: Nur Hilfe für Unternehmen, die in erneuerbare Energien investieren

Sascha Müller-Kraenner, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, dagegen findet, die Unternehmen müssten erst ein paar Hausaufgaben erledigen, ehe sie staatliche Gelder erhalten. "Wir sollten das gerade bei Unternehmen mit klaren gesetzlichen Vorgaben zur Energieeffizienz verknüpfen und dass jetzt auch massiv in diese grüne Transformation investiert wird."

Nur wer bereit dazu ist, sehr viel stärker in erneuerbare Energie und grünen Wasserstoff zu investieren, sollte Hilfen bekommen. Nur diese Unternehmen hätten eine Zukunft, so Müller-Kraenner.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 29. September 2022 | 06:00 Uhr