Offizielle EröffnungCyberagentur in Halle: Forschen für die "digitale Sicherheit von übermorgen"
Die Cyberagentur des Bundes in Halle wurde 2020 gegründet. Ihr Ziel: Sie soll Deutschland in Zukunft sicherer im Cyberraum machen. Sicherer vor kriminellen und staatlichen Hackern. Am Dienstag werden die Büroräume eingeweiht.
- Die aktuelle Cybersicherheit in Deutschland ist ausbaufähig. Die Cyberagentur will für mehr Cybersicherheit sorgen, indem sie Forschung in Auftrag gibt. Konkrete Ergebnisse können erst in einigen Jahren vorliegen.
- Die Cyberagentur lässt bereits zu Quantencomputern, Kritischer Infrastruktur und Computer-Gehirn-Schnittstellen forschen. Demnächst soll es um die Sicherheit Künstlicher Intelligenz und autonomer System gehen.
- Politiker haben lange um den endgültigen Standort gerungen. Vertreter der Zivilgesellschaft kritisieren, dass Cybersicherheit nur militärisch oder sicherheitspolitisch diskutiert wird.
Die Cyberagentur des Bundes in Halle ist eine ungewöhnliche Einrichtung: Als GmbH wurde sie 2020 von dem Bundesinnen- und dem Bundesverteidigungsministerium gegründet. Ihr Ziel: Sie soll Deutschland in Zukunft sicherer im Cyberraum machen. Sicherer vor kriminellen und staatlichen Hackern.
"Die Cyberagentur ist wichtig, weil wir die digitale Souveränität von übermorgen machen", sagt Cyberagentur-Chef Christian Hummert. Aktuell sei die deutsche Cybersicherheit allerdings ausbaufähig. Das würden Hackerangriffe auf die Uniklinik Düsseldorf oder den Landkreis Anhalt-Bitterfeld zeigen. In diesen Fällen haben Ermittler aus Nordrhein-Westfalen in der vergangenen Woche Verdächtige präsentiert und drei internationale Haftbefehle ausgestellt.
In Zukunft weniger Hackerangriffe?
"Ich gratuliere den Sicherheitsbehörden zu diesem Fahndungserfolg. Aber wir arbeiten daran, dass solche Angriffe in Zukunft nicht mehr funktionieren", sagt Hummert. Die Cyberagentur will, dass IT-Systeme von vornherein so sicher werden, dass solche Hackerangriffe unmöglich sind.
Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums sagte, die derzeitige Lage im Bereich der Cybersicherheit sei durch "sehr reale digitale Konfliktszenarien" gekennzeichnet. "Hybride Kriegsführung oder die erhöhten Bedrohungen durch Cyberangriffe" würden neue Angriffsvektoren hervorrufen. Um dort bei der Forschung zu helfen, sei die Cyberagentur hervorragend aufgestellt, so der Sprecher. Von den 99 Jobs in der Agentur seien aktuell 63 besetzt.
In ihrer Arbeit will die Cyberagentur so vorgehen wie die Forschungseinrichtung DARPA des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums. Die Agentur ruft zum Beispiel Forschungswettbewerbe aus oder beauftragt konkrete Projekte zu Forschungsfragen. Ihre Beschäftigten forschen also nicht selbst, sondern sie finden heraus, welche Bereiche der Cybersicherheit wichtig werden können, und wollen die Forschung entsprechend lenken.
Cyberagentur: Forschung auf internationalem Niveau
Außerdem will die Agentur Forscherinnen und Forscher verschiedener Disziplinen zusammenbringen. "Dabei sind wir im internationalen Forschungskosmos angekommen", sagt Hummert. International würde man bereits mit Ländern außerhalb der EU und der NATO zusammenarbeiten. Aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben sich bereits mehr als eine Handvoll Institutionen an Ausschreibungen der Agentur beteiligt.
Aktuell laufen drei Projekte, zwei weitere seien geplant. Die derzeitigen Forschungsfragen sind zum Beispiel: Lässt sich ein unhackbarer Computerchip konstruieren? Wie sieht Cybersicherheit aus, wenn Quantencomputer herkömmliche Verschlüsselungsverfahren leicht knacken können? Wie sicher sind Gedanken, wenn Forscherinnen und Forscher Geräte entwickeln, die dem Gehirn live beim Denken zusehen können?
Demnächst sollen weitere Forschungsfragen beauftragt werden: Wie lassen sich Systeme, die mit Methoden künstlicher Intelligenz arbeiten, unhackbar machen? Wie lässt sich nachweisen, ob ein selbstfahrendes Auto gehackt wurde? Aber auch: Wie wird eine Gesellschaft unempfindlicher gegen Bedrohungen oder Störungen im Cyberraum?
Bis Ende dieses Jahres hat die Cyberagentur 280 Millionen Euro zur Verfügung. "Unser Ziel ist es, dass wir bis Ende des Jahres mit diesem Geld Forscherinnen und Forscher verpflichten und danach neue Gelder beantragen", sagt Cyberagentur-Chef Hummert.
Standort der Cyberagentur
Über den endgültigen Standort der Agentur hatte es lange Diskussionen gegeben. Die Agentur war 2018 noch von der Großen Koalition beschlossen worden. Im Juli 2019 hatten der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), ein Vertreter des Verteidigungsministeriums und die Ministerpräsidenten von Sachsen und Sachsen-Anhalt auf dem Flughafen Leipzig/Halle öffentlichkeitswirksam eine Absichtserklärung unterzeichnet. Darin heißt es, dass die Cyberagentur in Halle gegründet wird und später an den Flughafen Leipzig/Halle ziehen soll.
Die Agentur war zwischenzeitlich zum Politikum geworden, weil die Bundesministerien zu sehr in das Alltagsgeschäft der Agentur gewirkt haben und weil die beiden CDU-geführten Staatskanzleien von Sachsen-Anhalt und Sachsen um den Standort gerungen hatten. Der Flughafen Leipzig/Halle liegt auf sächsischem Boden – Halle ist größte Stadt Sachsen-Anhalts. Auf dem Flughafen hätte ein Neubau mit langwieriger Planung gebaut werden müssen – die Stadt Halle hat der Cyberagentur mehrere Standorte angeboten, die sie schnell beziehen konnte.
Endgültig entschieden wurde die Standortfrage erst im November 2022. Nun hat die Cyberagentur ihren endgültigen Sitz in Halle – und soll ein Projektbüro in der sächsischen Landeshauptstadt eröffnen. Am Dienstag sollen die Büroräume in Halle offiziell eingeweiht werden.
"Erklärter Wille der beiden Bundesländer und der zwei Bundesministerien ist es, in Dresden ein Standortbüro bis zu 25 Mitarbeitenden zu errichten", sagt Cyberagentur-Chef Christian Hummert. Dort könne es zum Beispiel um sichere Hardware gehen oder um digitalen Verbraucherschutz.
Kritik aus Zivilgesellschaft
Seit der ersten Idee zur Cyberagentur gibt es Kritik an ihrem grundsätzlichen Auftrag. Aktuell befürchtet zum Beispiel IT-Sicherheitsexperte Manuel Atug, dass nicht bei allen Forschungsaufträgen der Cyberagentur Sinnvolles entsteht. "Beim Projekt zur Sicherheit kritischer Infrastrukturen wird nichts herauskommen, was solche Infrastrukturen sicherer macht."
Atug bemängelt vor allem, dass der Bundesregierung ein grundsätzliches Cybersicherheitskonzept fehlt. "Deutschland hat als Nation keine einheitliche Strategie und keine echte Agenda, um digital souverän oder auch nur kompetent zu werden." Cybersicherheit würde vor allem aus einem militärischen Blickwinkel oder aus einem der inneren Sicherheit betrachtet. "Die Zivilgesellschaft wird nicht einbezogen. Bei der Cyberagentur hat sich das Schlechte mit dem Bösen zusammengetan", sagt Atug.
Gerade das Bundesinnenministerium hätte sich in den vergangenen Jahren eher durch "Cyberunsicherheit und Cyberverwahrlosung" hervorgetan, so Atug. Viel besser fände er, wenn in jedem IT-Forschungsvorhaben ein bestimmter Prozentsatz in Cybersicherheit investiert werden müsse und wenn das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) die Fragen stellt, die die Cyberagentur bearbeitet.
Denn viel zu oft würde Glitzer wie Künstliche Intelligenz, Blockchain, Cybersicherheit, Innovation nur genutzt, damit sich Politiker und Politikerinnen profilieren könnten, statt echten Datenschutz und Menschenschutz zu erforschen und umzusetzen, so Atug.
Mehr zum Thema: Digitalisierung in Sachsen-Anhalt
MDR (Marcel Roth)
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 14. März 2023 | 19:00 Uhr
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