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Debatte im ParlamentSchüsse von Bad Lauchstädt: Landtag sieht keinen Anlass für schärferes Waffenrecht

23. März 2023, 21:39 Uhr

Die Waffenbehörde des Saalekreises hätte den Täter von Bad Lauchstädt entwaffnen können und müssen: Dieser Ansicht sind alle Fraktionen in Sachsen-Anhalts Landtag. Über die Konsequenzen gehen die Meinungen auseinander, vor allem bei schärferen Waffengesetzen.

Sachsen-Anhalts Landtag hat am Donnerstag über eine Verschärfung des Waffenrechts debattiert. Anlass waren die tödlichen Schüsse auf eine 59-Jährige in Bad Lauchstädt am 8. März. Der 61-jährige Täter war Sportschütze und besaß mehrere Schusswaffen.

Vor dem Hintergrund der Tat brachte die Linke das Thema über einen Fraktionsantrag auf die Tagesordnung. Im Kern forderte die Partei Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) auf, die Anwendung des Waffenrechts näher zu regeln. Ziel sei, Menschen, die einen Waffenschein besitzen und andere bedrohen, schnell zu entwaffnen.

Nach Femizid: Breite Kritik an der Waffenbehörde auch im Landtag

Henriette Quade (Linke) sagte, die rechtlichen Möglichkeiten hätten ausgereicht, um den Täter von Bad Lauchstädt rechtzeitig zu entwaffnen und das Opfer vor ihm zu schützen. Dies sei allein am eklatanten Versagen von Polizei und der Waffenbehörde gescheitert. Dabei verwies Quade auf den Umstand, dass die Frau am 1. Februar nach einem Übergriff Anzeige erstattete gegen ihren Ehemann, von dem sie getrennt lebte, und dass sie dabei ganz klar die Befürchtung äußerte, der Mann könnte seine Waffen einsetzen. Auch die Waffenbehörde hatte diesen Kenntnisstand.

Wie der Waffenexperte Lars Winkelsdorf am Dienstag MDR SACHSEN-ANHALT mitteilte, hätte die Meldung bei der Polizei rechtlich vollkommen ausgereicht, um den Täter schon Wochen vor der Tat zu entwaffnen.

"Welche Tatsachen, dass der Mann gefährlich ist, brauchten Polizei und Waffenbehörde denn noch?", so Quade im Landtag. Wenn eine Waffenbehörde dennoch zur Einschätzung gelange, dass ein Waffenentzug nicht in Betracht komme, sei dieser Behörde jegliche Kompetenz zu entziehen.

Der Kritik an Polizei, vor allem aber an der Waffenbehörde des Saalekreises, schlossen sich alle Fraktionen im Landtag an. "Waffenbehörden dürfen sich nicht als Stempelstelle für die Waffengenehmigung verstehen", sagte Rüdiger Erben (SPD). Stattdessen müssten sie als repressiv auftretende Sicherheitsstellen funktionieren, die das Gesetz umsetzten. "Da brauchen wir dringend einen Mentalitätswechsel."

Mehrheit der Fraktionen lehnt schärferes Waffenrecht ab

Sebastian Striegel (Grüne) sagte, Polizei und Waffenbehörde hätten alle Informationen für eine entsprechende Gefahrenprognose beisammen gehabt. "Da ist es unbegreiflich, dass sich die Waffenbehörde nicht handlungsfähig sah. Sie hätte die Waffen entziehen müssen." Auch Siegfried Borgwardt (CDU) sah das so und sprach von einer "Fehleinschätzung mit fatalen Folgen". Für Guido Kosmehl (FDP) sind die Waffenbehörden zu unsicher bei der Auslegung des Waffengesetzes. Die aktuelle Rechtssprechung würde dort offenbar nicht verfolgt.

Dass das Waffenrecht strikter angewendet werden muss, darüber herrschte Einigkeit unter den Parlamentariern. Ebenfalls, dass das Versagen noch detaillierter aufgearbeitet werden soll. Dafür ist der nächste Innenausschuss im April angedacht. Aus Sicht der Linken-Fraktion braucht es jedoch zusätzlich schärfere Regeln. Vor allem sei nicht ersichtlich, warum Sportschützen ihre Waffen zu Hause lagern dürften, so Henriette Quade.

Unterstützung kam in diesem Punkt nur von den Grünen. Alle anderen Fraktionen lehnten schärfere Regeln mit Ausnahme der AfD zwar nicht grundlegend ab. Aber der vorliegende Fall eigne sich eben gerade nicht als Ausgangspunkt für eine Waffenrechtsdebatte, weil das Recht hier schlicht nicht ausgeschöpft worden sei, so der einhellige Tenor. Besonders emotional wurde die AfD bei diesem Punkt. "Es ist skandalös, dass Sie hier unbescholtene Waffenbesitzer diskreditieren", sagte der AfD-Landtagsabgeordnete Florian Schröder an Quade gerichtet.

Zieschang sieht vor allem Fehler bei Polizei

Innenministerin Zieschang wiederholte vor dem Landtag ihre Äußerungen vom Mittwoch und gestand erneut Behördenfehler ein, wobei sie noch einmal deutlich machte, dass aus ihrer Sicht in erster Linie die Polizei nicht konsequent genug gehandelt habe. Für eine andere Entscheidung der Waffenbehörde, "wäre es elementar gewesen, dass die Polizei weiter ermittelt, sich vertieft mit der Waffenbehörde ausgetauscht und Informationen beweissicher dokumentiert hätte", so Zieschang.

Dass die Waffenbehörde dennoch offenbar hätte handeln können, schien in Zieschangs Rede gleichwohl durch. "Wir haben die Waffenbehörden angehalten, von den Möglichkeiten zur Sicherstellung von Waffen sofort Gebrauch zu machen. Die Rechtslage wurde den Behörden noch einmal erklärt", so die Ministerin.

Ferner seien künftig in Fällen wie Bad Lauchstädt Fallkonferenzen zwischen Polizei und Waffenbehörden verpflichtend. Zudem werde das Hochrisikomanagement für Fälle häuslicher Gewalt im familiären Umfeld bei der Landespolizei ab Frühsommer 2023 landesweit eingeführt. Personelle Konsequenzen gibt es dagegen vorerst wohl nicht. "Wir setzen auf moderne Fehlerkultur und das heißt, dass wir aus Ereignissen lernen und unsere polizeiliche Arbeit verbessern", sagte Zieschang bereits am Mittwoch MDR SACHSEN-ANHALT.

Mehr zum Thema: Femizid in Bad Lauchstädt

MDR (Daniel Salpius)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 24. März 2023 | 05:00 Uhr