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ThemenschwerpunktKommunalpolitikerin über Hass im Netz: "Die Welt ein kleines bisschen besser machen"

23. April 2020, 18:28 Uhr

Katharina Zacharias hat es in den vergangenen Wochen und Monaten wieder und wieder erlebt: Menschen feindeten sie auf Twitter an, in ihrem Briefkasten fand die Kommunalpolitikerin aus Haldensleben die Zeichnung eines Strichmännches. Erhängt an einem Galgen. Im vierten Teil der Themenwoche zu Hass im Netz erzählt Zacharias, was dieser Hass mit ihr macht – und warum sie trotzdem nicht daran denkt, aufzugeben.

von Luca Deutschländer, MDR SACHSEN-ANHALT

Natürlich machen diese Beleidigungen und das Rumpöbeln etwas mit einem. Katharina Zacharias macht daraus gar keinen Hehl. Die Kommunalpolitikerin räumt ein, dass sie vorsichtiger geworden ist. "Ich überlege mir jetzt dreimal, welche Informationen ich preisgebe und welche nicht", erzählt Zacharias am Telefon. Sie werde "den Teufel tun" und künftig Fotos posten, durch die man herausfinden könnte, wo die 29-Jährige und ihre Familie wohnen, sagt sie. Wer ihr auf Twitter, Facebook und Co. blöd kommt, den blockt Zacharias nun auch mal. Früher hat sie das nach eigenen Worten kaum getan. Doch: Früher war eben früher.

Drohung mit Galgen-Zeichnung war trauriger Höhepunkt

Katharina Zacharias hat in den vergangenen Wochen und Monaten erfahren müssen, was es in diesen Zeiten bedeutet, mit Haltung Kommunalpolitik zu machen – und dabei eine Frau zu sein. So viel vorweg: Es heißt nichts Gutes. Die viel zitierte Spitze des Eisbergs war dabei ganz sicher die Drohung, die Zacharias Mitte Januar in ihrem Briefkasten fand. Wenige Tage, nachdem schon der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby aus Halle bedroht worden war. Die Zeichnung im Briefkasten der Familie Zacharias zeigte eine Frau, die an einem Galgen hängt. Simpel gezeichnet, mit einfachen Strichen. Zacharias machte die Drohung über Twitter öffentlich, erfuhr viel Solidarität von anderen Nutzern.

Heute, einige Monate später, sagt sie: "Mir ist klar geworden, wie perfide das eigentlich ist. Es wirkt so kindisch und ist deshalb kaum zurückzuverfolgen. Ein Strichmännchen kann man nicht auf so viele unterschiedliche Weisen zeichnen." Zacharias erstattete Anzeige, der Fall wird ermittelt. Auch ihr Mann wurde jetzt in den Zeugenstand gerufen.

Noch vor einem Jahr dürften die meisten Menschen in Sachsen-Anhalt Katharina Zacharias kaum gekannt haben. Die 29-Jährige war Kommunalpolitikerin, Mitglied im Stadtrat von Haldensleben. Dann entschied die gelernte Köchin, sich um den Landesvorsitz der SPD in Sachsen-Anhalt zu bewerben. Ganz automatisch wurde Zacharias bekannter, mehrere Medien veröffentlichten Interviews mit ihr. Es ging um ihre Beweggründe, für den Landesvorsitz der Sozialdemokraten zu kandidieren. Und es ging um Zacharias selbst. "Damit ist die Öffentlichkeit um meine Person natürlich drastisch gestiegen", weiß sie. Zacharias ist auf Twitter sehr aktiv. Sie zeigt Haltung. Das gefällt nicht jedem.

Wichtig, nicht allein gelassen zu werden

Katharina Zacharias verlor die Wahl zur SPD-Vorsitzenden bei einem Mitgliederentscheid nur äußerst knapp. Am Ende fehlte ihr nur eine Stimme. Bekannt ist sie seitdem trotzdem, Zacharias wurde stellvertretende SPD-Chefin. Weil die Politikerin für die Sache kämpft, taucht sie natürlich auch jetzt nach Ende des parteiinternen Wahlkampfs in der Öffentlichkeit auf. Nach dem Anschlag im hessischen Hanau organisierte sie in ihrer Heimat Haldensleben eine Mahnwache zum Gedenken an die Opfer. "Es ist nicht so, als würde ich mich mit Aktionen wie dieser in bestimmten Personenkreisen sonderlich beliebt machen", sagt Zacharias. Doch davon lässt sie ihr Handeln nicht leiten. Zu wichtig ist ihr die Sache, für die sie kämpft.

Katharina Zacharias ist beruhigt, dass sie nicht allein gelassen wird. Und dass sie nicht die einzige ist, die bedroht oder bepöbelt wird. Im realen wie auch im virtuellen Leben. "Das klingt erst einmal vielleicht komisch", meint sie. "Aber es hilft mir ganz doll, wenn Leute – auch Verwaltungsangestellte unserer Stadt oder Vereine – schreiben, dass auch sie betroffen sind. Wenn man dann noch hört, dass man auf keinen Fall aufgeben soll, ist das toll."

Nicht allein zu sein, hilft. Katharina Zacharias bestätigt das, was auch Experten wie der Medienanwalt Andy Staudte wieder und wieder betonen. Doch klar ist auch: Um die Solidarität zu spüren, müssen Bedrohungen und Beleidigungen erst einmal öffentlich gemacht werden. Nicht jeder postet schließlich so unverhohlen und in aller Öffentlichkeit Sätze wie der AfD-Stadtrat Wolfgang Rehfeld aus Haldensleben. Der hatte zur Berichterstattung der Volksstimme über die Galgen-Zeichnung geschrieben, ein Galgen sei "schon heftig!! Steinigungen wären für das Volk besser. Wie im alten Rom. Brot und Spiele." Später redete Rehfeld sich damit raus, die Äußerung sarkastisch gemeint zu haben. Im Stadtrat gab es wenige Wochen darauf eine Aussprache zu den Drohungen gegen Katharina Zacharias. Bis Mitte März hatte Rehfeld sich nicht persönlich für seine Worte entschuldigt, sagt Zacharias. "Ich sitze dem Herrn im Stadtrat auch weiterhin gegenüber."

Katharina Zacharias ist der Auffassung, dass Deutschland mehr in die politische Bildung investieren muss. Es gebe Initiativen, die wegen fehlender Finanzierung weggebrochen seien. "Dabei sehen wir gerade an den ostdeutschen Wahlergebnissen, wie wichtig politische Bildung ist und dass die Leute nicht mit Fake News und irgendwelchen Vorurteilen allein gelassen werden." 

Meine Kinder behindern mich nicht daran, mich politisch zu engagieren. Sie spornen mich an, weil ich die Welt für sie gern ein kleines bisschen besser machen möchte.

Katharina Zacharias | Kommunalpolitikerin

Sich auf den Hass vorbereiten? Das klappt nur sehr schwer, meint Zacharias. Irgendwie versuche man sich auf das einzustellen, was da in der Öffentlichkeit komme. "Was aber wirklich mit den Informationen geschieht, die man preisgibt, da hat man keine Vorstellung von." Das sei "learning by doing", sagt Zacharias.

Die Kommunalpolitikerin versucht, all das nicht zu sehr an sich heranzulassen. Das klappt nicht immer. Weitermachen will sie trotzdem. "Allein deshalb, weil ich den Leuten, die solche Kommentare von sich geben, keine Genugtuung geben will." Sie höre von vielen Menschen, dass es richtig sei, was sie tue. "Außerdem sage ich immer: Meine Kinder behindern mich nicht daran, mich politisch zu engagieren. Sie spornen mich an, weil ich die Welt für sie gern ein kleines bisschen besser machen möchte."

Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

Über den AutorLuca Deutschländer arbeitet seit Januar 2016 bei MDR SACHSEN-ANHALT – in der Online-Redaktion und im Hörfunk. Seine Schwerpunkte sind Themen aus Politik und Gesellschaft. Bevor er zu MDR SACHSEN-ANHALT kam, hat der gebürtige Hesse bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeine in Kassel gearbeitet. Während des Journalistik-Studiums in Magdeburg Praktika bei dpa, Hessischem Rundfunk, Süddeutsche.de und dem Kindermagazin "Dein Spiegel". Seine Lieblingsorte in Sachsen-Anhalt sind das Schleinufer in Magdeburg und der Saaleradweg – besonders rund um Naumburg. In seiner Freizeit steht er mit Leidenschaft auf der Theaterbühne.

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Quelle: MDR/ld

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 20. März 2020 | 13:40 Uhr

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