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UNO im KleinformatFriedlich unter einem Dach – der Krieg und das einewelt haus Magdeburg

25. Februar 2023, 16:16 Uhr

Als vor einem Jahr die russischen Panzer die ukrainische Grenze überquerten, endete in Europa die Hoffnung, Konflikte auf friedlichem Wege beilegen zu können. Die Logik des Krieges erzeugt Feindbilder, welche seitdem die politischen Debatten bestimmen. Doch es gibt auch Beispiele, wie trotz allem Kriegsgetrommel ein anderes Miteinander möglich ist. Ein Besuch im einewelt haus in Magdeburg.

  • Der Verband AGSA zeigt, dass Zusammenarbeit auch in Krisenzeiten möglich ist.
  • Die Probleme aus den Herkunftsländern von Geflüchteten werden nicht mit nach Magdeburg transportiert.
  • Im einewelt haus in Magdeburg kann zwar kein Weltfrieden ausgehandelt, dafür aber Völkerverständigung betrieben werden.

Das einewelt haus Magdeburg ist so eine Art Uno in Kleinformat. Derzeit arbeiten hier 48 Mitgliedsorganisationen unter einem Dach, vom Amitabha Buddhismus-Verein bis zur Weltunion Magdeburger Juden. Viele der Vereine wurden von Zuwanderern oder Flüchtlingen gegründet, um die eigene Sprache und Kultur zu bewahren und zugleich das Zusammenleben mit Menschen aus anderen Regionen zu verbessern.

Und so wundert es nicht, dass im einewelt haus Magdeburg unter anderem die deutsch-polnische Gesellschaft, die deutsch-ukrainische Gesellschaft, die deutsch-russische Gesellschaft und die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland unter einem Dach zusammenarbeiten.

Anderswo braucht es für ein solches Miteinander UN-Blauhelme, das sei im einewelt haus Magdeburg aber nicht notwendig, erklärt Geschäftsführer Krzystof Blau: "Hier im Haus gibt es die Konflikte aus der Ukraine nicht, weil wir uns hier treffen, um gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten. Das Gemeinsame ist das einewelt haus. Und somit kann ich sagen, dass diese Konflikte hier keine Rolle spielen."

Zusammengefasst sind die Vereine im Dachverband AGSA, der Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt. Im Leitbild des Vereins heißt es: "Die Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt (AGSA) ist eine Organisation, in der sich Menschen in Vereinen oder Projekten für ein gutes Zusammenleben aller in Sachsen-Anhalt, in Europa und der ganzen Welt engagieren." Dies scheint auch in Krisenzeiten möglich zu sein, auch wenn die aktuellen Schlagzeilen derzeit ein deutlich anderes Bild zeichnen.

Schnelle Hilfe durch internationale Kontakte

Nun ist es aber nicht so, dass der Krieg einfach ausgeblendet wird, ganz im Gegenteil. Schon wenige Tage nach den ersten Kämpfen wurde das einewelt haus zum einer Sammelstelle für Spenden, auch weil es über die Mitgliedsvereine zum Teil sehr gute Kontakte in die Kriegsgebiete gibt. Manja Lorenz hat für das einewelt haus die Hilfstransporte mit organisiert. "Wir haben schnell gemerkt, dass wir für die direkte Hilfe vor Ort die idealen Partner unter unserem Dach haben. Zum Beispiel die deutsch-ukrainische Vereinigung. Die wussten durch ihre direkten Verbindungen, was gebraucht wird: medizinische Gerätschaften, Notstrom-Aggregate, Lebensmittel, Kleidung."

So konnten relativ schnell erste Hilfstransporte auf den Weg gebracht werden, unter anderem in Magdeburgs ukrainische Partnerstadt Saporischscha.

Die Spendenbereitschaft sei nach wie vor hoch, so Manja Lorenz, sie hoffe aber, dass die Unterstützung möglichst bald in den Wiederaufbau des Landes fließen wird – was allerdings mindestens einen Waffenstillstand voraussetzt. Der scheint zu Beginn des zweiten Kriegsjahres jedoch noch immer ziemlich weit entfernt zu sein.

Krisenerfahrene Mitglieder

Da der Krieg und seine Folgen uns Mitteleuropäern plötzlich sehr nahe sind, wird hierzulande inzwischen von einer Zeitenwende geredet. In anderen Regionen der Erde sind bewaffnete Konflikte sehr viel länger Alltag und in der Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt sind viele Vereine aktiv, deren Mitglieder aus solchen Krisenregionen kommen.

So arbeiten im Verband etwa die deutsch-jüdische Gesellschaft ebenso mit, wie die Vereinigung der Freunde Palästinas. Was anderswo kaum vorstellbar ist, gehört im Magdeburger einewelt haus zum Alltag, so Geschäftsführer Krzystof Blau: "Ich bin im Ehrenamt Integrationsbeauftragter der Landeshauptstadt Magdeburg und habe über meine Tätigkeit im Bundeszuwanderungsrat auch Einblicke in andere Regionen. Ich weiß nicht, ob das eine Folge des einewelt haus ist, aber wir haben in Magdeburg eine ziemlich konfliktfreie Szene von Menschen, die hier zugewandert haben sind."

Die Befürchtungen, dass mit Vertreibung und Flucht auch die Probleme aus den Herkunftsländern exportiert werden, bewahrheiten sich offenbar nicht zwangsläufig.

Gutmenschen unter sich?

Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingsdebatte 2016 wurde ja der Begriff des "Gutmenschen" geprägt. Ein Kampfbegriff gegen jene, die sich für die Flüchtlinge engagierten. Man warf ihnen eine gewisse Weltfremdheit vor. Nun aber zeigt sich, dass eine gewisse Weltfremdheit durchaus hilfreich sein kann.

Wo ein Schützengraben Menschen trennt, zerfällt der Alltag in ein einfaches Raster aus Freund- und Feindbildern. Genau dieser Logik will das Magdeburger einewelt haus entkommen. Wer die Bilder der zerschossenen Städte und Dörfer sieht, der ahnt, bei aller Verschleierung der tatsächlichen Opfer auf beiden Seiten, dass die Kämpfe einen hohen Preis haben. Um dieser Kriegslogik zu entkommen, braucht es schon ein gewisses "Gutmenschentum".

Rein praktisch zeige sich dies in den zahlreichen Veranstaltungen des einewelt haus, so Krzystof Blau: "Da kann man sehen, dass es auch ohne Streit, Geschrei und gegenseitige Anschuldigungen geht. Hier treffen sich Menschen aus vielen Regionen der Welt, die sich gemeinsam vor Ort engagieren." Der Weltfrieden wird im Magdeburger einewelt haus wohl nicht ausgehandelt werden, aber der etwas angestaubt wirkende Begriff der Völkerverständigung findet eine praktische Umsetzung – allein das verdient in Zeiten von Panzerdebatten eine lobende Erwähnung.

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MDR (Uli Wittstock, Fabian Frenzel)

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