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Vergrämung oder HilfeTauben in Magdeburg: Warum diese Frau hilft – und nichts vom Verscheuchen hält

13. Februar 2023, 15:04 Uhr

Viele Menschen in Magdeburg empfinden die Stadttauben als störend und würden sie gerne loswerden. Im Stadtrat streitet man sich darüber, wie mit den Tieren umgegangen werden soll. Einige fordern ein Taubenhaus, andere setzen auf Vergrämung. Eine Magdeburgerin versucht währenddessen ehrenamtlich, verletzten und kranken Tauben zu helfen.

Vorsichtig hebt Susi Thomalla eine Taube mit einem gebrochenen Flügel aus ihrem Verschlag und kontrolliert mit geübtem Blick, ob der Verband noch richtig sitzt. "Das ist Maximus. Der ist mit einem Auto kollidiert", erzählt die ehrenamtliche Taubenhelferin, während sie mit zügigen Griffen die Box reinigt und frisches Wasser und Futter einstreut. Sie muss schnell arbeiten, denn in den anderen Boxen warten noch mehr Patienten: Tauben mit verletzten Füßen und amputierten Zehen, Tauben mit Infekten, Tauben mit Brüchen und Wunden.

Besonders bei Stadttauben seien derartige Verletzungen keine Seltenheit, erklärt Susi Thomalla. Die Bedingungen in den Städten seien äußerst schlecht, viele der Vögel litten an Verletzungen und Futtermangel. Das sorge einerseits für Ärger bei den Menschen, weil die Tauben dadurch um Futter betteln müssten, sich überall einnisteten und viel Kot hinterließen. Zum anderen sei das Ganze aber für die Tauben eine Katastrophe und auch aus Tierschutzgründen problematisch.

Ehrenamtliche Taubenhilfe aus Mangel an Alternativen

Weil sie nicht tatenlos zusehen wollte, wie die Tiere leiden, arbeitet die Magdeburgerin seit einigen Jahren als ehrenamtliche Taubenhelferin. Sie investiert fast ihr gesamtes Einkommen, um verletzte Tauben versorgen zu können. Zu Spenden darf sie nicht aufrufen, weil sie kein Verein ist. Vor kurzem ist sie sogar extra in die Börde gezogen, um genug Platz für die Taubenpflege zu haben.

Dabei, erzählt Susi Thomalla, habe sie lange Zeit überhaupt keinen Bezug zu Tauben gehabt. Bis eine entkräftete Brieftaube vor ihr landete, und der Besitzer ihr sagte: "Wer es nicht zurückschafft, hat Pech gehabt." Da habe sie beschlossen, dem Tier zu helfen. Und weil es in Sachsen-Anhalt keine Hilfsangebote gegeben habe, sei sie nach und nach selbst aktiv geworden.

Lösungen von Stadt und Land erwartet

Obwohl sie den Tauben mit großer Leidenschaft hilft, wünscht sich Susi Thomalla klare Lösungen von der Stadt. Diese sollen sowohl die Probleme mit den Tauben eindämmen, aber auch das Leid der Tauben verringern. "Die Tauben können doch nichts dafür. Dass sie an den Städten sind, und dass sie einen Brutzwang haben, ist ein menschengemachtes Problem", meint Thomalla.

Dass es Lösungen für die Taubenschwärme in Magdeburg geben muss, weiß auch der Magdeburger Stadtrat. Allen voran am Bahnhof, am Alten Markt, am Maritim-Hotel und in der Leiterstraße leben derzeit große Schwärme. Viele Magdeburger sind davon genervt, weil die Tauben Krach und Dreck machen und um Futter betteln. Einige haben auch Angst davor, dass die Tauben Infektionen verbreiten.

Stadtrat schlägt Taubenhäuser als Lösung vor

Die Fraktionen Grüne/future, FDP/Tierschutzpartei und die Gartenpartei/Tierschutzallianz hatten die Verwaltung bereits im Juni 2022 darum gebeten, ein Konzept "zur tierschutzgerechten Regulierung der Stadttaubenpopulation erstellen zu lassen". Insbesondere die Möglichkeit eines betreuten Taubenhauses solle überprüft werden.

In der Begründung heißt es: "In betreuten Taubenhäusern können Stadttauben gezielt angesiedelt und direkt kontrolliert sowie bestandsreguliert werden." So könnten die Population der Tauben langfristig reduziert und die Verschmutzungen von Gebäuden minimiert werden. In anderen Städten habe das Konzept Erfolg gehabt und zur Regulierung und Reduzierung von Stadttauben zum Wohle von Mensch und Tier beigetragen.

Oberbürgermeisterin skeptisch

Doch Oberbürgermeisterin Simone Borris zeigte sich in einer Stellungnahme skeptisch. In anderen Städten hätten Taubenhäuser nicht zum Erfolg geführt, sondern vor allem zu Kosten und Aufwand. Um den Erfolg einschätzen zu können, sei es notwendig, die Tauben vorher genau zu zählen. Auch rechtlich gebe es Bedenken, ob die Taubenhausbetreiber künftig für Schäden aufkommen müssten, die durch die dort lebenden Tauben erzeugt wurden.

Magdeburgs Oberbürgermeisterin Simone Borris zeigte sich dem Taubenhaus gegenüber eher skeptisch. (Symbolbild) Bildrechte: Sebastian Mantei /MDR

Stattdessen brachte Simone Borris ins Spiel, mehr Nistmöglichkeiten für Turmfalken zu schaffen, die natürliche Fressfeinde der Tauben darstellten. Zudem müsse man weiterhin auf Vergrämungsmaßnahmen setzen und das Futterangebot reduzieren. Eigentlich sollte das Thema bereits 2022 im Stadtrat besprochen werden. Es wurde aber auf das Jahr 2023 verschoben.

Eine ähnliche Debatte findet gerade auch im Landtag von Sachsen-Anhalt statt, wo die Landtagsabgeordnete Dorothea Frederking (Grüne) ebenfalls betreute Taubenschläge und eine Abschaffung des Schädlingsstatus der Taube als Lösung vorschlug. Das Video der Debatte gibt es hier.

Thomalla: Mehr Aufklärung zum Thema Tauben

Susi Thomalla hält betreute Taubenhäuser für eine gute Lösung. Damit diese gut funktionierten, brauche es aber auch geschultes Personal und eine gute Betreuung der Taubenbestände. Von Maßnahmen wie den Falken, Vergrämung und Futterreduktion hält sie nichts. "Wenn wir die Tiere einfach verhungern lassen, ist das ein Verstoß gegen das Tierschutzgebot." Vergrämung würde das Problem ihrer Meinung nach nur verlagern, und Falken fräßen gerne auch andere Singvögel und dämmten Taubenbestände in der Regel nicht effektiv ein.

Stichwort: VergrämungDer Begriff Vergrämung bedeutet, Wildtiere dauerhaft zu vertreiben – etwa, in dem man sie mehrfach gezielt stört. Dafür werden bei Tauben unter anderem optische und akustische Signal zur Abschreckung eingesetzt, zum Beispiel Attrappen von Raubvögeln.

Insgesamt wünscht sie sich mehr Aufklärung zum Thema Tauben. In Sachsen-Anhalt hätten Tauben Schädlingsstatus. Dieser müsse unbedingt aufgelöst werden. Der Ruf der Tauben als Infektionsträger sei falsch, das sei durch das RKI belegt. Die allermeisten Krankheiten bei Tauben seien artspezifisch (Anm. d. Red.: einen Bericht dazu gab es hier im Spiegel). Auch der Kot zersetze keine Gebäude, sagt Thomalla und verweist auf Studien der TU Darmstadt aus dem Jahr 2004.

Stattdessen seien Tauben sehr kluge, schöne und widerstandsfähige Tiere, die ein Leben ohne Leid verdient hätten. Ihr Wunsch für die Zukunft ist, dass die Menschen mehr Respekt für die Tauben entwickeln und diese als fühlende Lebewesen anerkennen. Stattdessen erlebt sie immer wieder, dass Menschen Tauben jagen und aufscheuchen. "Dabei verbrauchen sie ganz viel Energie, die sie eigentlich nicht haben", sagt Thomalla.

Voller Einsatz für die Tauben

Die Taubenhelferin will jedenfalls nicht abwarten, wie das Land oder der Stadtrat entscheiden, sondern versucht nach Möglichkeiten, das Leiden einiger Tauben zu mindern. Immer wieder bekommt sie Meldungen über verletzte Tiere, die sie einfängt und versorgt. Für diese Arbeit wurde sie schon häufig bepöbelt und sogar geschlagen und bespuckt.

Neben den Akutfällen hat sie eine große Voliere im Garten, eine Art Gnadenhof. Hier leben 45 Tauben, die auf Grund zu starker Verletzungen nach der Pflege nicht in die Freiheit entlassen werden konnten. Auch, wenn sie schon lange keinen Urlaub mehr machen konnte, sagt Thomalla: Ich hoffe, ich kann das noch ganz lange machen. Sollte Magdeburg ein betreutes Taubenhaus bauen, könnte sie sich den Job jedenfalls gut vorstellen.

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MDR (Leonard Schubert) | erstmals veröffentlicht am 12.02.2023

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 10. Februar 2023 | 17:30 Uhr

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