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Bundespräsident ehrt EngagementWie Annemarie Rockmann die Burg Freckleben wiederbelebt

Im Ortsteil Freckleben in Aschersleben restauriert seit Jahrzehnten ein umtriebiger Heimatverein die Burg. Ein Verein, den auch eine Frau zusammenhält, die nicht groß drum herum redet, sondern anpackt: Annemarie Rockmann bringt Menschen im Dorf zusammen, ehrenamtlich. Am Dienstag ist sie zum Neujahrsempfang von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eingeladen.

Annemarie Rockmann spaziert die steile, gewundene Leiter mit den losen Holz-Sprossen herunter wie eine Treppe – mit traumwandlerischer Sicherheit und der Erfahrung von 79 Lebensjahren, von denen sie einige Jahrzehnte hier schon rauf und wieder runter geklettert ist. Hier, hoch oben im Bergfried der Burg in Freckleben.

Die Leiter und Annemarie Rockmann haben einiges gemeinsam. Beide sind Unikate. Die sogenannte Drehspindelleiter ist besonders, weil es europaweit nur noch ganz wenige davon gibt. Die Konstruktion hier im Turm besteht aus einem drehbaren Stamm und in Form eines Korkenziehers eingesteckten Vierkanthölzern. Früher wurde sie gebraucht, damit Arbeiter die Vögel pflegen konnten, die in Verschlägen an der runden Innenwand des Turmes gehalten wurden. 

Annemarie Rockmann ist einzigartig, weil sie mit dem Heimatverein in Freckleben dafür sorgt, dass die verwegene Konstruktion, aber vor allem die Burg heute ein hübsch saniertes romanisches Kleinod ist. Ein Geheimtipp, liebevoll restauriert und ein Zeugnis unermüdlicher ehrenamtlicher Arbeit, durch das Rockmann auch Führungen gibt – alles im Ehrenamt.

Burg-Sanierung Schritt für Schritt

Die Holzdecken der Etagen des Bergfrieds sind saniert. Die Bruchsteine sind sauber verfugt, das Dach ist gemacht, seit kurzem auch das Dach des alten Futter-Stalls nebenan. Dort befinden sich ein Tresen, ein Ofen und an den Wänden hunderte Kaffeekannen. Auch der zweite Turm der Burg ist saniert. Auf dem Hof gibt es eine Fest-Scheune. Der Verein will sie weiter ausbauen. Kurzum: Schritt für Schritt saniert der Heimatverein Frecklebens uralte Burg.

Rockmann organisiert Handwerker, Arbeitseinsätze, führt Gäste herum. Der Kuchen, den die Mitglieder des Heimatvereins hier bei Festen und beim Tag des offenen Denkmals servieren, ist übrigens legendär.

Seit mehr als 20 Jahren im Heimatverein

1973 ist Annemarie Rockmann nach Freckleben gezogen. Vier Kinder hat sie großgezogen, immer gearbeitet und sich "keine Zeit geschenkt", wie sie erklärt. Vor der Wende arbeitete sie in leitender Funktion in der Landwirtschaft. In den 90er Jahren betrieb sie eine Fleischerei. Doch die Geschäfte liefen irgendwann nicht mehr. So gab sie den Laden auf und engagierte sich fortan im Heimatverein. Weil sie unbedingt eine Aufgabe für sich brauchte. "Auch, um das Seelische zu überwinden", erklärt die Rentnerin.

Mehr als 20 Jahre ist das her. Seitdem gab es viel zu tun. Unendlich viel Arbeit steckt in der Sanierung der Burg, so Rockmann. "Arbeit, die es immer wieder gibt", sagt sie. Der Erhalt sei eine Werterhaltung. "Und das ist uns sehr wichtig für die Nachfolger."

Als sie hier vor vielen Jahren anfingen, war der Bergfried in einem beklagenswerten Zustand: ein undichtes Dach, drinnen Taubendreck, ausgewaschener Sandstein. Das Geld saß nie locker bei Fördermittel-Gebern oder Sponsoren. Sanierungsvorhaben wurden teurer, dauerten länger. Um so eine Burg zu sanieren, braucht es Beharrlichkeit. "Es kommt darauf an: Wie motiviere ich die Leute, wen habe ich dabei und dann: machen."

Engagement in der Lokalpolitik und beim Heimatverein

Annemarie Rockmann hat viele Baustellen: Sie ist in der Lokalpolitik aktiv, sitzt im Senioren-Rat, engagiert sich in so einigen Vereinen. Als Rentnerin hätte sie keine Ruhe gefunden, sagt sie. "Ich wollte nicht nur etwas für mich tun, sondern für die Gesellschaft." Mitzumachen, dabei sein, fordern – sich selbst und andere. Das sei ihr wichtig. Bloß nicht in den Stillstand geraten.

… und bloß nicht im Vordergrund stehen. Ihr geht es um die Arbeit. "Alle, die mich kennen, sagen: Das macht Annemarie Rockmann aus." Lorbeeren einheimsen ist nicht ihre Sache. Es gebe so viele Leute, die sich genau so engagierten. "Ich muss von allen die Arbeit anerkennen, gleich wie viel das ist, gleich mit welcher Liebe sie darangehen, gleich in welchem Zustand derjenige ist." Menschen heranzuziehen, auch aus einem tiefen Loch herauszuholen, das sei ihr Sinn.

Dass das funktioniert, zeigt sich bei Heimatfesten, beim Tag des offenen Denkmals und auch daran, dass Bauprojekte fertig werden und neue Vorhaben beginnen. Gerade planen sie auf dem Burg-Gelände in Freckleben Arbeiten an der kleinen Festhalle in einer Scheune. Zur 1.050-Jahr-Feier in ein paar Monaten soll alles fertig sein. Ein weiteres Projekt und lang gehegter Wunsch: Die Burg soll Teil der Straße der Romanik werden. Darauf arbeitet sie hin.

Besuch im Schloss Bellevue

Am Dienstag ist Annemarie Rockmann in Berlin beim Neujahrsempfang des Bundespräsidenten. Sie ist in diesem Jahr eine von wenigen Personen bundesweit, die geehrt werden, weil sie sich besonders fürs Gemeinwohl engagieren. Die Einladung kam mit der Post. Zuerst sei sie geschockt gewesen und habe überlegt, ob sie die Einladung annehme. Ihre Kinder hätten sie überzeugt. Den Besuch in Berlin machen sie zum Familienausflug, zwei ihrer Töchter fahren mit.  

Ein wenig Aufregung fährt auch mit. Denn: Wenn sie schon fährt, will sie den Bundespräsidenten auch zur 1.050-Jahr-Feier von Freckleben einladen. Und sie will Dinge ansprechen. Denn von Ehrenamtlichen würde immer mehr verlangt. Das passe nicht in die Zeit, sagt Rockmann. Man wolle ja an jedem Ende sparen. "Es muss weitergehen, aber man muss einiges anders machen."

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MDR (Cornelia Winkler)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 10. Januar 2023 | 17:40 Uhr

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