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StimmungsbildTrotz Krisen: Menschen in Aschersleben blicken zuversichtlich in die Zukunft

02. Oktober 2022, 16:16 Uhr

Inflation, Energiekrise, Corona. Wir leben in bewegten Zeiten. Das zerrt an den Nerven: Wir sind mürrischer. Und das merken wiederum diejenigen, die beruflich mit Kunden oder Patienten zu tun haben. Diejenigen, die eigentlich immer freundlich sind. Auch, weil das zu ihrem Job gehört. Gespräche mit Menschen, die es schaffen, gelassen zu bleiben. Auch, wenn sie sich mitunter einiges anhören müssen. Ein Stimmungsbild aus Aschersleben.

In der Fußgängerzone

Die Lunte ist kurz, dieser Tage bei vielen von uns. Mürrisch, leichter gereizt sind nicht wenige Menschen. "Meine Hemmschwelle ist sozusagen etwas runter gesenkt", sagt eine Passantin mittags in der Ascherslebener Fußgängerzone. Man sei gereizter, auch wegen Kleinigkeiten, gehe schneller an die Decke, sagt ein Mann. Es sei alles angespannter, heißt es noch.

Eine Frau sagt: "Ich habe mich gerade mit meinem Nachbarn getroffen, und sofort geht es los. Wie ist die Lage? Die Meinungen werden ausgetauscht, also man diskutiert sofort, es wird nicht mehr geht, oder das Wetter ist schön, sondern es geht sofort los." Die Anspannung, die merken auch diejenigen, die an Telefonhotlines sitzen, beim Arzt an der Rezeption, an der Theke im Supermarkt arbeiten.

Am Bäckerstand im Supermarkt

Spätschicht hat Christiane Klose an diesem Tag am Bäckerstand eines Supermarkts in Aschersleben. Gerade ist sie Bestellungen durchgegangen. Gleich wird fängt sie hinter der Theke an, Kunden zu bedienen. "Überwiegend nette Leute", sagt sie, mit einem Lächeln. Manche Kunden schimpfen, wegen der Preise.

Aber, sie mache die ja nicht. "Ich bezahle den ja auch", sagt sie. Auch Kunden, die ausfallend werden, wünscht sie einen schönen Tag. Dann sei das abgeschlossen. Manchmal beschäftigen sie solche Ereignisse aber schon – auch Zuhause. Ein Spaß, ein Lächeln, das helfe, sagt sie.

Unterwegs mit der Stadtreinigung

Mit einem orangen Pritschenwagen fährt Katrin Müller wochentags durch Aschersleben. Sie leert Papierkörbe. Und sammelt auch auf, was daneben liegt. Manchmal stinkt es. Die Arbeit ist körperlich anstrengend. Bei Wind und Wetter ist sie unterwegs. Und wirklich fertig wird sie eigentlich auch nie. Und es allen recht zu machen, geht auch nicht.

Manchmal muss sie sich einiges anhören. Vor allem, wenn sie mit dem Auto in der Fußgängerzone oder auf Wegen steht, wird sie mitunter angeblafft. "Die Papierkörbe können wir ja nicht 10 Kilometer zum Auto schleppen." Solche Situationen gebe es oft. "Schlucken, aber –es gibt ja Baldrian", sagt Katrin Müller – mit einem Lächeln.

Beim Arzt

Manchmal ungeduldiger und mitunter auch gereizter sind Patienten, wenn sie in die Hausarztpraxis von Alexander Anders in Hettstedt. "Es muss alles schnell gehen, es muss alles sofort gehen", sagt der Arzt. Aufreger sind Wartezeiten, Abläufe. Früher hätten Patienten so etwas eher akzeptiert.

Den Frust der Patienten bekommen vor allem die Mitarbeitenden am Empfangstresen ab. Beim Arzt sind sie freundlicher. "Also ich gehe dann auch vor zum Tresen und versuche zu schlichten, ohne laut zu werden." Allerdings musste auch schon mal eine Person aus der Praxis entfernt werden. Sie hatte auf den Tresen gespuckt.

So eine gewisse Grundgelassenheit kann helfen, damit umzugehen. "Fernab jeder Nachricht, wir sollten schauen, wo unser Glück ist", sagt Alexander Anders noch. Und das kann auch dazu beitragen, in schwierigen Situationen gelassen zu bleiben.

Aufmerksamkeit lenken

Peter Löbbecke beschäftigt sich beruflich mit der Frage, wie wir miteinander umgehen. Der Soziologe ist an der Fachhochschule der Polizei in Aschersleben Professor für Kommunikationswissenschaften. Gemüter wären eine sehr individuelle Sache, sagt er: "In so einer Situation, wo wir eine Vielzahl von Krisen gleichzeitig haben, haben wir natürlich eine besondere Belastung der Menschen."

Menschen, die unter Dauerstress stehen und andauernd an Gefahren oder Belastungen denken, könnten immer weiter in eine Spirale nach unten geraten, sagt. Und dann im schlimmsten Fall auch depressiv werden. Da könne helfen, sich bewusst zu sagen: Jetzt ist mal Schluss damit, die schlechten Nachrichten. Jetzt mach ich einfach mal was, was mir gut tut.

Das sei aber nicht ganz einfach. "Jetzt mache ich etwas Schönes und versuche, die Batterien wieder aufzuladen. Das wäre so eine eine typische Sache, die ich Menschen noch empfehlen würde", sagt Peter Löbbecke. Überhaupt die Aufmerksamkeit zu lenken, weg zu lenken von den üblen Gedanken von der Krise, könnte helfen.

Auch wenn wir gerade mehrere Krisen gleichzeitig erfahren, müssten wir immer noch unseren Alltag bewältigen. "Und wer seinen Alltag nicht mehr bewältigt kriegt, wer zerbricht, wer sich nur noch im eigenen Kopf um sich selber dreht, der kann weder sich noch anderen da raus helfen."

Strategien für mehr Gelassenheit

Um sich sich wieder ein bisschen herunter zu fahren, wenn der Puls steigt, hilft auch: "Aus der Situation raus", sagt eine Passantin in der Innenstadt von Aschersleben noch. Es gibt Strategien. Eine Auszeit im Garten, kurz vor die Tür gehen. Die Weltlage nicht ausladend am Küchentisch zu diskutieren. Das alles kann helfen, gelassener zu bleiben – auch am Bäckerstand, beim Arzt oder, wenn die Stadtreinigung im Weg parkt.

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MDR (Tom Gräbe,Julia Heundorf)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 27. September 2022 | 06:10 Uhr

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