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Hartmut Jacobs mit Hauke Heidenreich im ehemals geteilten Böckwitz Bildrechte: MDR/Carina Emig

"Vom Todesstreifen zur Lebenslinie"Multimediaportal zum Grünen Band ist onlinevon Carina Emig, MDR SACHSEN-ANHALT

24. November 2023, 16:52 Uhr

Stacheldraht, Sperrstreifen und eine Mauer trennten auch das Altmark-Dorf Böckwitz-Zicherie. Zur Geschichte kommt mehr als drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall ein Naturerlebnis entlang der ehemaligen Grenze, die heute den Namen "Grünes Band" trägt. Insgesamt 343 Kilometer sind es allein in Sachsen-Anhalt. Das Multimediaportal "Nationales Naturmonument Grünes Band Sachsen-Anhalt" führt erstmalig alle Informationen über Akteure, Geschichte und Natur zusammen.

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"Das ganze Dorf ist ein Museum", sagt Hartmut Jakobs aus Zicherie im Altmarkkreis Salzwedel. Beim Spaziergang durch seinen Heimatort atmet man frische Luft, aber auch Zeitgeschichte. Denn über vier Jahrzehnte war Böckwitz-Zicherie ein geteiltes Dorf. Davon zeugen noch zahlreiche Grenzmarkierungen, Schilder und Gedenksteine, ein Grenzmuseum und ein Grenzlehrpfad. Nun ist ein Multimediaportal dazu gekommen, das am 23. November in Magdeburg der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Jakobs Verein "Grenzmuseum Böckwitz-Zicherie – Museum für Grenze und Landwirtschaft" ist von dem neuen Multimediaportal "Vom Todesstreifen zur Lebenslinie – Nationales Naturmonument Grünes Band Sachsen-Anhalt" begeistert.

Der Rentner hat alle möglichen Materialien und Informationen zur Verfügung gestellt. Darunter nicht nur Historisches, denn auch Touren in die Natur entlang der ehemaligen Grenze bietet der Verein. Nach der Wiedervereinigung wurde der einstige Todesstreifen zur Lebenslinie. Mehr als 1.200 bedrohte Arten finden im insgesamt 1.393 Kilometer langen heutigen Schutzgebiet eine Heimat, auch rund um Böckwitz-Zicherie, das zudem am Biosphärenreservat Drömling liegt.

Portal vereint erstmals Natur und Geschichte

Hartmut Jacobs vom Grenzmuseum in Böckwitz Bildrechte: MDR/Carina Emig

Das Wichtige und Neue an diesem Portal: Erstmals vereint es Natur und Geschichte rund um das Grüne Band in Sachsen-Anhalt von Arendsee bis in den Harz. Zudem liegt dahinter die Koordination eines Vereinsnetzwerkes, denn es sind gerade die vielen kleinen, regen, ehrenamtlich arbeitenden Vereine, die das "Grüne Band" erforschen und ihm Leben einhauchen. Um sie besser zu vernetzen und damit mehr Stärke zu verleihen, hat der Landesheimatbund Sachsen-Anhalt das Multimediaportal initiiert.

"Bislang haben sich die Vereine nur auf ihre Regionen und Orte konzentriert, es gab kein Netzwerk, das die Arbeit dieser Akteure überregional und landesweit zusammenzubringen", erklärt Hauke Heidenreich. Das ändert sich nun mit dem Multimediaportal Grünes Band, denn auch Naturschutzorganisationen wie NABU oder SUNK sind dabei.

Das Onlineportal, das unter Hauke Heidenreichs Federführung und im Rahmen des Projektes "Erinnerungskultur und Engagement am Grünen Band” entstanden ist, ist daher etwas völlig Neues. Für Vereine am Grünen Band und solche, die es werden wollen, für Einheimische und Touristen, für Geschichtskenner und noch Unwissende bietet das Portal damit individuellen und leichten Zugang zu allen Aspekten des Grünen Bandes. Das Projekt des Landesheimatbundes Sachsen-Anhalt wird gefördert aus Mitteln der Staatskanzlei und des Ministeriums für Kultur des Landes Sachsen-Anhalt.

Interaktive Karte als Herzstück

Eine interaktive Karte ist das Herzstück des Online-Auftritts, denn dort kommen alle Informationen zusammen. Mehr als 40 Veranstaltungen, Museen, Monumente, Naturräume und Touren rund um das Grüne Band sind zum Startschuss heute bereits erfasst. "Doch nun beginnt erst die eigentliche Arbeit", sagt Hauke Heidenreich, denn das Portal wird nun stetig weiter vervollständigt und regelmäßig aktualisiert.

Auch das "Grenzmuseum Böckwitz-Zicherie" ist dabei. "Das Gesamtprojekt "Grünes Band" mit dem Onlineportal ist für uns interessant, denn durch Radwanderungen und Touren durch die Natur können wir parallel zeigen, wie unmenschlich diese Grenze gewesen ist." Zudem hofft Jakobs auf größeres Interesse und viele Touristen.

Böckwitz in der engeren Auswahl für Besucherzentrum am Grünen BandAls Standort für das geplante Besucherzentrum am Grünen Band ist einer Machbarkeitsstudie zufolge der Ortsteil Stapelburg im Landkreis Harz am besten geeignet. Das teilte das Umweltministerium am Mittwoch mit. Laut der Studie, die im Auftrag des Ministeriums und der Staatskanzlei erstellt wurde, stehen aber auch Hötensleben (Landkreis Börde) und Böckwitz (Altmarkkreis Salzwedel) in der engeren Auswahl.

Das Besucherzentrum soll zentraler Anlaufpunkt für Besucherinnen und Besucher des Naturmonuments am ehemaligen innerdeutschen Todesstreifen werden. Mehrere Kommunen hatten sich den Angaben zufolge als Standort beworben, neun wurden im Rahmen der Studie besucht und bewertet. Im nächsten Schritt sollen nun die zuständigen Landtagsausschüsse eingebunden werden.

Das Naturmonument Grünes Band ist eine Kette verschiedener Biotope mit insgesamt 1.200 bedrohten Tier- und Pflanzenarten entlang der früheren innerdeutschen Grenze. Außerdem gibt es dort den vielerorts noch erhaltenen Kolonnenweg sowie die früheren Wachtürme der DDR-Grenzposten. Seit 2019 hat das Grüne Band in Sachsen-Anhalt den Status als Nationales Naturmonument.

Ziel: Das Grüne Band bekannter machen

Hartmut Jacobs mit Hauke Heidenreich beim Blick aufs neue Online-Portal. Bildrechte: MDR/Carina Emig

Denn die Kombination aus historischer Landschaft und Naturschutzgebiet machen das Grüne Band zu einem einzigartigen Naturmonument, das touristisch noch bekannter werden soll. Heidenreich will das über das neue Portal dringend angehen. "Die Geschichte ist hier zwar vorhanden, aber wenn sie keiner erfährt, nützt es nichts, dass sie hier vorhanden ist." Dem 73-jährigen Jakobs ist es ganz wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, wie Diktaturen mit Menschen umgegangen sind.

In seinem Heimatort gäbe es genug Zeugnisse, die zeigen, wie die Menschen geknechtet worden seien. "Dass sowas auch hier bei uns gewesen ist, ist ein wichtiger Punkt, auf den immer wieder hingewiesen werden muss", so Hartmut Jakobs. Momentan zeige auch die politische Situation weltweit, wie Diktaturen arbeiten.

Mehr zum Grünen Band

MDR (Carina Emig, Mario Köhne)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 23. November 2023 | 16:40 Uhr

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