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Wahlkampf-ReportageWas Wählerinnen und Wähler sich von der AfD erhoffen

09. Mai 2024, 14:34 Uhr

Es sind nur noch wenige Wochen bis zu den Europa- und Kommunalwahlen. Die Parteien stecken mitten im Wahlkampf. In Stendal wirbt der Kandidat der AfD für das Europaparlament, Arno Bausemer, für sich und seine Partei. Was die Menschen bewegt, die an seinen Stand kommen.

Der blaue Schirm mit dem roten Pfeil ist auf der Stendaler Breiten Straße regelmäßig zu sehen. Im Grunde ist die AfD im Dauerwahlkampf: Ungefähr einmal pro Monat stehen Mitglieder des AfD-Kreisverbandes in der Stendaler Fußgängerzone – so auch heute, gut vier Wochen vor der Europa- und den Kommunalwahlen. Einige Mitglieder des Kreisverbandes verteilen Flyer. Unter Ihnen auch Arno Bausemer, der auf Platz 10 der Wahlliste der AfD auf ein Mandat als Abgeordneter im Europäischen Parlament hofft. 

Viele Menschen gehen an dem AfD-Stand vorüber, doch nicht wenige halten an und sprechen mit den Wahlkämpfern. Diejenigen, die an den Stand treten, bringen vor allem zwei Themen immer wieder zur Sprache: Ihre Sorge um eine Eskalation des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine – und Sorge um die wirtschaftliche Lage in Deutschland.

Wichtige Themen: Krieg, Inflation, Bildung

AfD-Wahlstand in der Stendaler Innenstadt. Bildrechte: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE

"Kriege werden immer durch Verhandlungen beendet", sagt ein Mann. Er sagt, er sei kein AfD-Mitglied, unterstütze die Partei aber. Auch die Preisentwicklung der letzten Jahre bewegt ihn sehr: "Gaspreise, Obst und Gemüse, Fleisch, da kannst du ja gucken, wo du willst, wer soll denn das alles bezahlen?" Ähnlich wie er äußern sich noch weitere.

Ein anderer Wähler befürchtet, Deutschland sei "praktisch im Ausverkauf". Ausländische Unternehmen kauften Betriebe in Deutschland. "China vor allen Dingen, die kaufen gut laufende Unternehmen und machen dann, was sie wollen. Das muss endlich mal aufhören." Im Januar hat die EU-Komission ein Konzept für Investitions- und Exportkontrollen vorgelegt, das die Abhängigkeit von China und die chinesische Einflussnahme in kritische Wirtschaftsbereiche und Infrastrukturen einschränken soll. Zuvor hatte die chinesische Reederei Cosco ein Terminal im Hamburger Hafen übernommen. 

Für eine junge Wählerin spielen europäische Themen nur eine untergeordnete Rolle: Sie sagt, ihr sei vor allem Innenpolitik wichtig, vor allem das Schulsystem. Sie ist nicht die einzige, der die Bildungspolitik aufstößt: Der Lehrermangel, die Qualität des Unterrichts, auch das Verhalten von Schülerinnen und Schülern wird mehrfach angesprochen. Die AfD spreche diese Probleme an, auch das sagen einige, die an diesem Vormittag an dem Wahlkampfstand anhalten. Für oder gegen die AfD hat sich die junge Wählerin noch nicht entschieden: Sie nehme sich Infomaterial von mehreren Parteien mit, um sich eine Meinung bilden zu können. 

Kandidat mit Falschangaben im Lebenslauf

Mittendrin und oft im Gespräch: Arno Bausemer. Der Kandidat der AfD für das Europaparlament aus Sachsen-Anhalt hatte seiner Partei im letzten Jahr Probleme bereitet, hat deshalb seinen Platz im Landesvorstand und als Landesschatzmeister verloren. Die Partei wirbt nicht mit der Person des Stendalers im Wahlkampf.

Der Grund: Auf dem Nominierungsparteitag in Magdeburg 2023 hatte Bausemer Falschangaben in seinem Lebenslauf gemacht. Er hatte angegeben, im MDR 2010 eine abgeschlossene journalistische Berufsausbildung erhalten zu haben. Das stimmt nicht, es handelte sich tatsächlich nur um ein Volontariatspraktikum. Die AfD hält dennoch an Bausemer als Kandidaten fest - denn sonst hätte die Partei ihre ganz Kandidatenliste neu wählen müssen. Sie zu wählen, hatte ganze sechs Tage gedauert. 

Sein Ämterverlust ist für Bausemer heute kein Thema mehr: "Ich bin mit 90 Prozent vor knapp zwei Monaten wiedergewählt worden als stellvertretender Kreisvorsitzender der AfD, mit 95% zum Stadtratskandidaten für die AfD, zuletzt zum Delegierten zum Bundesparteitag - also ich sehe meinen Rückhalt zu 100% gegeben und diese Kampagnen haben nicht gefruchtet, was mich natürlich freut." Was Bausemer als ‚Kampagne‘ bezeichnet, war eine interne Entscheidung der AfD.

Ziel: EU ersetzen

Politisch strebt Bausemer eine Stärkung des Nationalstaates gegenüber der EU an. Die AfD fordert in ihrem Europawahlprogramm, das sie im Sommer 2013 auf ihrer Wahlversammlung in Magdeburg verabschiedet hatte, die Staatengemeinschaft durch einen sogenannten "Bund europäischer Nationen" zu ersetzen. Unter anderem soll die gemeinsame europäische Währung Euro abgeschafft und nationale Währungen wieder eingeführt werden. Die Freizügigkeit innerhalb der EU soll eingeschränkt werden.

Diesen Zielen hat sich auch Arno Bausemer verschrieben: "Wir wollen diesen ‘Bund europäischer Nationen’, das ist richtig. Wir wollen starke Nationalstaaten. Die Auflösung der EU wäre die Ultima Ratio." Zuvor solle versucht werden, die Bürokratie in der EU zurückzudrängen und beschlossene Ziele wie das Aus für die Neuzulassung von Verbrennermotoren 2035 zurückzunehmen, so Bausemer. "Wenn das möglich ist, dann kann die EU auch bleiben – aber auch vor allen Dingen: nicht weiter wachsen."

Bausemer steht auf Platz 10 der Europawahlliste der AfD – und hat damit gute Chancen als Vertreter der vom Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt als gesichert rechtsextrem eingestuften Partei ins Europaparlament einzuziehen. Die Falschangaben in seiner Biografie sind längst in den Hintergrund getreten und auch für diejenigen, die sich von der AfD angesprochen fühlen, kein Thema mehr – schon gar keines, das für sie wahlentscheidend ist. So viel wird an diesem Vormittag am Wahlkampfstand in Stendal deutlich.

Korrekturhinweis: In einer ersten Version des Artikels haben wir von der AfD als rechtsextreme Partei gesprochen. Sie ist aber eine vom Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen und haben ihn korrigiert.

Arno Bausemer und die AfD

MDR (Roland Jäger, Mario Köhne)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 08. Mai 2024 | 19:00 Uhr

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