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In Stendal wurde der Fall der getöteten Kezhia aus Klötze in der Altmark verhandelt. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Ex-Freund tötete 19-JährigeMörder von Kezhia verurteilt: "Sie haben durchweg gelogen"

30. Januar 2024, 09:34 Uhr

Das Landgericht Stendal hat den 43-jährigen Tino B. am Montag wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Am letzten Verhandlungstag wurde noch einmal vieles aufgewühlt. Der Angeklagte sagte, er bereue die Tat. Der Richter sagte, die Tat sei länger geplant gewesen, das Verhalten des Verurteilten kalkuliert.

Zumindest nutzte der 43-jährige Angeklagte seine Schlussworte dazu, um sich sowohl bei seiner eigenen Familie als auch bei der Familie der getöteten Kezhia H. aus Klötze zu entschuldigen. Es tue ihm leid, sagte der Mann in seinem schwarzen Kapuzenpulli. "Ich weiß auch, dass es nicht zu entschuldigen ist, was ich gemacht habe." Ein letztes Mal waren ihm die Handschellen im Saal 218 für einen Prozesstag abgenommen worden. Mit ruhigen Worten sagte er: "Ich bereue es zutiefst."

Wenn er es bei den Worten belassen hätte, dann hätte der Angeklagte einen starken Schlussakkord in dem emotionalen Prozess hingelegt. Allerdings wiederholte der Elektriker und dreifache Familienvater im Anschluss, dass er am besagten Tattag "von Kezhia angegriffen" worden sei. Er wiederholte damit, dass er die junge Frau aus einer einzelnen Situation heraus getötet haben will, also im Affekt. Ohne es ausdrücklich zu sagen, schuldigte er das 19-jährige Mädchen an, eine Mitschuld an seinem eigenen Tod zu haben.

Urteil im Fall Kezhia: Tat laut Richter länger geplant

Für Richter Ulrich Galler war das Maß dagegen nach 20 Verhandlungstagen voll. Der Angeklagte habe im Prozess ein "stetiges Spiel mit Halbwahrheiten" betrieben, sagte der Stendaler Richter in seiner Urteilsbegründung, mit der er den Mann zu einer lebenslangen Freiheitstrafe verurteilte. "Nichts ist schwerer widerlegbar wie Halbwahrheiten", sagte der Richter.

Tino B. habe immer nur so viel zugegeben, wie ihm nachgewiesen worden sei, so Galler. "Sie haben durchweg und durchgängig gelogen und sich immer Neues ausgedacht." Das habe auch für Kezhia und sein übriges Umfeld gegolten. Er habe in einem Beziehungsgeflecht gesteckt, bei dem er seine ganzen Halbwahrheiten nicht mehr rechtfertigen konnte. Hier sieht der Richter das Motiv für die Tat, die aus seiner Sicht länger geplant gewesen war.

Freunde von Kezhia froh über das Urteil

Bei der Urteilsverkündung waren die Zuschauerränge im großen Gerichtssaal wieder komplett besetzt. Vor allem Freunde und Verwandte von Kezhia gehörten zu den 50 Besuchern. Viele von ihnen waren jeden Verhandlungstag dabei. Eine Reihe von ihnen hat an diesem Tag ein schwarzes T-Shirt mit einem Bild der ermordeten jungen Frau getragen. Darunter steht "Freundeskreis Kessy".

Einer von ihnen ist Thomas Ochmann. Er kannte Kezhia H. gut und wollte sie auch beruflich unterstützen. Die junge Frau wollte Bäckerin werden. "Wir sind natürlich alle sehr froh darüber, dass er das höchstmögliche Urteil bekommen hat", sagte Ochmann kurz nach der Urteilsverkündung. Sie wüssten sehr wohl, dass Gerechtigkeit damit nicht hergestellt werden könne: "Denn Kessy ist nun mal nicht mehr da. Er schon."

Anwalt Holger Stahlknecht spricht von toxischer Beziehung

Viele beschreiben Kezhia H. als eine lebenslustige Frau mit Plänen für die Zukunft. Für sie ist das Urteil keine große Überraschung mehr. Dass der Angeklagte immer wieder gelogen hatte, wussten sie. Selbst bei einer Gefängnisstrafe, die er vor einigen Jahren wegen Diebstahl und Betrug abgesessen hatte, hatte er seine Abwesenheit auf abenteuerliche Weise erklärt.

Viele hatten Kezhia von der Beziehung zu dem mehr als doppelt so alten Mann abgeraten. Anwalt Holger Stahlknecht spricht von einer toxischen Beziehung, die wie in einer griechischen Tragödie in einer Katastrophe geendet sei. Stahlknecht vertrat die Mutter der Getöteten in einer Nebenklage. Er sorgte mehrfach dafür, dass die Öffentlichkeit ausgeschlossen war, wenn es zu sehr um persönliche Dinge in diesem Prozess ging, wie bei der Verlesung der Liebesbriefe zwischen Kezhia und dem Angeklagten oder der Krankenakte der jungen Frau sowie der Zeugenaussage durch ihre Mutter.

Stahlknecht: "Herr Angeklagter, Sie sind ein Mörder."

Beim Plädoyer Stahlknechts hätte man eine Stecknadel auf den Boden fallen hören können. Mit wohl gesetzten, langsam ausgesprochenen Worten – so wie er zuvor in einer Pause noch an seiner Pfeife gezogen hatte – steigerte er sich bis hin zu der persönlichen Ansprache: "Herr Angeklagter, Sie sind ein Mörder." Er sei empathielos und habe nicht einmal davor zurückgeschreckt, Kezhia als krank darzustellen.

Stahlknecht verkniff sich bei seinen Ausführungen auch nicht einen schweren Hieb gegen die Verteidigung. Diese habe im Schmerzensgeldverfahren der Mutter nicht einmal davor zurückgeschreckt, anzuzweifeln, dass die Mutter überhaupt die Mutter ist. Außerdem seien ihr falsche Angaben vor Gericht unterstellt worden. "Das macht mich sprachlos", sagte Stahlknecht. Das Gericht sprach der Mutter 40.000 Euro Schmerzensgeld zu. Der verurteilte Mörder muss darüber hinaus auch die Beerdigungskosten von mehr als 6.000 Euro bezahlen.

Verteidigung: "Kann sich nicht zurechtbasteln, dass er ein Lügner ist"

Die beiden Verteidigerinnen Julia Melz aus Leipzig und Catharina Bombach aus Gardelegen hatten am Schlusstag noch einmal versucht, das Maximale für ihren Mandanten herauszuholen. Allerdings hatte ein Befangenheitsantrag gegen Richter Galler nur zur Folge, dass die Plädoyers erst nach zwei Stunden gesprochen werden konnten.

Die Anwältinnen wiederholten bei ihren Abschlussworten insbesondere die Einlassungen des Angeklagten vom dritten Verhandlungstag, als dieser nach monatelangem Schweigen ein Geständnis abgelegt hatte. "Man kann sich nicht zurechtbasteln, dass er ein notorischer Lügner ist", sagte Julia Melz.

Kezhia mit 32 Messerstichen getötet

Dass auch den ewig langen Wiederholungen von Anwältin Bombach bis zuletzt gelauscht wurde, lag weniger an der fesselnden Rhetorik als an der leisen Stimme. "Was haben wir hier eigentlich die letzten Wochen gemacht außer Bonbons gelutscht?", fragte sie mit einem Blick zu Oberstaatsanwältin Ramona Schlüter und deren vor ihr stehender Bonbontüte.

Die Anklägerin hatte anderthalb Stunden zuvor kurz und knapp konstatiert, dass der Prozess genau die Fakten der Anklage bestätigt habe. Kezhia H. sei mit 32 Messerstichen getötet worden, sie sei dabei fast ganz unbekleidet und in Erwartung des Geschlechtsverkehrs gewesen. Da habe der Angeklagte seine geplante Tat vollzogen. Chat-Verläufe, ausgestellte Handys und ein völlig kalkuliertes Nachtatverhalten hätten dies bestätigt.

Ehe die Besucher den Saal verlassen dürfen und sich auf dem Gerichtsflur ihre Handys von den Justizbeschäftigten wieder aushändigen lassen können, wird der soeben verurteilte Mörder über eine Seitentür in Handschellen herausgebracht. Er wird zurück in die JVA nach Burg gefahren. Mit seinen Anwältinnen hat er eine Woche Zeit, über eine Revision beim Bundesgerichtshof in Leipzig nachzudenken. Wenn dies unterbleibt, ist das Urteil rechtsgültig.

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MDR (Bernd-Volker Brahms,Julia Heundorf)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 30. Januar 2024 | 19:00 Uhr