InterviewGEW in Sachsen sieht Nachholbedarf bei Amok-Prävention an Schulen
In Bischofswerda ist am Mittwoch Amokalarm ausgelöst worden, als in einer Schule ein Jugendlicher einen Achtjährigen mit einem Messer schwer verletzte. Der Umgang mit der "lebensbedrohlichen Lage" hat dabei offenbar gut funktioniert. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Sachsen sieht aber nicht alle Schulen gut auf solche Lagen vorbereitet. MDR SACHSEN sprach mit dem GEW-Landesvorsitzenden Burkhard Naumann.
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Herr Naumann, mit welchen Sicherheitsmaßnahmen sollten Schulen ausgestattet sein, um bei Amokalarm gut reagieren zu können?
Burkhard Naumann: Die Lehrkräfte sollten regelmäßig informiert werden, was im Falle von Amokalarm zu tun ist. Das findet an den meisten Schulen auch statt. Am wichtigsten ist jedoch die Präventionsarbeit. Hier gibt es deutlichen Nachholbedarf: Lehrkräfte sollten gezielt zum Umgang mit Gewalt und zur Deeskalation geschult werden. Wichtig ist auch zu klären: Wie lässt sich das Verbot von Hieb- und Stichwaffen durchsetzen? Welche Meldeketten gibt es beim Verstoß?
Da wünschen wir uns mehr Angebote für Schulungen und Workshops zusammen mit Experten und mit der Polizei. An Schulen, an denen die Auseinandersetzungen und die Gewaltbereitschaft besonders hoch sind, sollte zusätzliches Personal eingesetzt werden, etwa für Aufsichten oder für die pädagogische Unterstützung der Lehrkräfte, aber vor allem Schulsozialarbeit.
Wieviel Luft ist da nach oben – wenn man sich die sächsische Schullandschaft ansieht?
Es gibt bereits Weiterbildungen zum Umgang mit Gewalt. Da wir selbst Schulungen anbieten, wissen wir, dass die Nachfrage sehr hoch ist und die bisherigen Angebote nicht ausreichen. Wir müssen uns ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen, ob Schulungen zum Umgang mit Gewalt an Schulen nicht ebenso regelmäßig durchlaufen werden müssen wie Erste-Hilfe-Kurse.
Wie gut fühlen sich Sachsens Lehrkräfte hier geschult?
Das ist sehr unterschiedlich, da es Schulen gibt, die aufgrund der großen Herausforderungen bereits gute Konzepte haben und das Kollegium geschult ist. Das ist bisher jedoch die Ausnahme und nicht die Regel. Durch die steigende Zahl von Gewaltdelikten an Schulen und dramatischen Beispielen, wie das jüngste in Bischofswerda, wollen Lehrkräfte besser geschult werden. Die Bereitschaft ist da.
Es sollte jedoch keine individuelle Frage sein, ob man zugunsten einer Schulung den eigenen Unterricht ausfallen lässt oder nicht. Im Zweifel entscheiden sich die meisten Lehrkräfte für den Unterricht. Da benötigen wir bessere Vorgaben vom Land.
Sollten Kinder an einem Probealarm zu einer Amoksituation teilnehmen oder wäre das im schlimmsten Fall traumatisierend?
Das hängt sehr vom einzelnen Kind und vom Alter ab. Viele Kinder und Jugendliche haben jetzt bereits große Angst vor Amokläufen. Ein Probealarm muss pädagogisch gut eingebettet sein, damit er nicht traumatisierend wirkt. Wichtig ist zunächst, den Umgang mit Gewalt zu thematisieren und den Schüler*innen mehr Sicherheit zu geben.
MDR (ama/kbe)
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 24. August 2023 | 05:00 Uhr