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Livy Care heißt der rauchmelderähnliche Minicomputer, den Sonja Imbroglia in den Händen hält. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Leben im AlterNein zum Heim! Smarte Lösungen für Senioren in der eigenen Wohnung

11. April 2024, 06:00 Uhr

Die Kinder sind inzwischen erwachsen, dafür brauchen die in Rente gegangenen Eltern mehr Unterstützung. Das ist nicht so einfach, wenn Angehörige sich die eigene Existenz in einer anderen Stadt aufgebaut haben. Ein täglicher Anruf scheint zu wenig, ein Umzug der Eltern ins Pflegeheim wiederum zu viel. Doch mittlerweile gibt es viele intelligente technische Lösungen, die alten Menschen das Leben in den eigenen vier Wänden ermöglichen - ohne, dass Angehörige in ständiger Sorge sein müssen.

Der weiße Diskus wird wie ein Rauchmelder an der Zimmerdecke befestigt, ist aber keiner. Es handelt sich um einen Minicomputer. "In ihm sind verschiedene Bild- und Radarsensoren integriert", erklärt Sonja Imbroglia von der Berliner Firma HUM Systems die Funktionsweise von Livy Care. Mit Hilfe der Sensoren erschließt sich eine KI - also ein lernendes Computerprogramm - die typischen Bewegungsmuster des Menschen, der in der Wohnung lebt.

Armband mit Notfallknopf bleibt oft liegen

Beim klassischen Hausnotruf beobachteten die ambulanten Pflegedienste, dass oft die Armbänder oder Geräte mit dem Notfallknopf nicht getragen werden, erklären die Hersteller von solchen Sensorlösungen. Deren Computer hingegen erkenne ohne Armband, wenn ein Mensch in Not in der Wohnung am Boden liege. In diesem Fall würden zunächst die Angehörigen über eine App informiert. Bleibt die Situation kritisch, gehe ein weiterer Anruf an die Notrufzentrale.

Auch am Donnerstag können noch die Stände der Gerotech-Messe im Teluxgebäude in Weißwasser besucht werden. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Smarte Lösungen, um alternde Angehörige sicher in ihren vier Wänden aufgehoben zu wissen - das ist aktuell ein großes Thema. Und inzwischen ist technisch sehr viel möglich geworden. Dementsprechend viele Anwendungen werden gerade auf der Gerotech-Messe in Weißwasser präsentiert. Organisiert von der TU Dresden und unterstützt durch die Awo Lausitz wurde die Technikschau zum ersten Mal für diesen Mittwoch und Donnerstag in den Räumen des Teluxgeländes aufgebaut. Die Aussteller sind aus ganz Deutschland, sowie aus Tschechien und Österreich angereist.

Computer passt auf den Menschen auf

Aus Hessen ist Michael Fipper von der Firma Assisted Home Solutions gekommen. Deren KI-Lösung für alternde Menschen heißt Lisa. Sie wird am besten auf einen Tisch gestellt und leuchtet dort grün vor sich hin, wenn alles paletti ist. Lisas Bewegungsmelder ähneln einer Alarmanlage. Die Anwendung ist ebenfalls auf sturzgefährdete Menschen ausgerichtet.

Wenn jemand auf dem Weg zur Toilette fällt, fängt Lisa an, zu sprechen und fragt nach, ob alles in Ordnung ist.

Michael Fipper | Assisted Home Solutions

"Wenn man auf dem Weg zur Toilette fällt, fängt Lisa an zu sprechen und fragt nach, ob alles in Ordnung ist", nennt Fipper ein Beispiel. Ist dem nicht so, kommen weitere Funktionen ins Spiel: Angehörige oder Nachbarn werden informiert und mit der passenden Smarthome-Installation kann der Computer sogar den Rettungssanitätern die Tür öffnen.

Michael Fipper von Assisted Home Solutions hat auch eine Lisa in der Wohnung seiner Eltern installiert. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Um Stürze zu vermeiden, kann sich auch automatisiert ein Orientierungslicht einschalten, wenn jemand in der Nacht das Bett verlässt. Kommt ein Nutzer oder eine Nutzerin der Technik nicht wieder zur üblichen Zeit zurück, fragt hier das System ebenfalls nach.

"Lisa funktioniert auch ohne Internetanbindung", sagt Fipper. Der 54-Jährige habe eine bei seinen Eltern eingebaut. Natürlich sei so ein System eine Vertrauensgeschichte zwischen Eltern und Kindern. Da sollte einvernehmlich geklärt sein, wie viele gesammelte Daten der digitale Begleiter den Angehörigen weitergibt. Im Prinzip sei Lisa in der Lage, alle Gänge in der Wohnung nachzuverfolgen und aufzuzeichnen.

Stürze verhindern: Licht wird über Funk angeschaltet

Ohne KI und mit einfachen Funkstrecken arbeitet die Firma Eldat aus Wildau bei Berlin. Die zugehörigen Hilfeknöpfe können an mehreren Stellen einfach aufgeklebt werden, am Rollstuhl oder am Bett etwa, erklärt Katharina Feix. Deren Betätigung löse den Alarm beim Nachbarn aus oder werde mit dem Telefon gekoppelt.

Bei einem Sturz kann man von heute auf morgen zum Pflegefall werden.

Katharina Feix | Eldat

Sensoren am Bett können auch das Licht anschalten, wenn man mal raus muss. "So eine Sturzprohylaxe ist ganz wichtig. Denn bei einem Sturz kann man von heute auf morgen zum Pflegefall werden", sagt die 61-Jährige. Vor 20 Jahren hätte sie sich solche Technik gewünscht. Damals hatte ihre Mutter einen Schlaganfall erlitten und habe drei Tage in der Wohnung gelegen, ohne dass es jemand bemerkt hatte, erzählt sie.

Katharina Feix von der Firma Eldat bietet viele Lösungen mit Funkstrecken an. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Medikamentenbox erinnert an die Tablette

Das Gedächtnis kann im Alter unter Umständen auch nicht mehr so zuverlässig funktionieren. Damit Ältere den Überblick über ihre Medikamenteneinnahme behalten, gibt es eine Lösung aus dem sächsischen Annaberg. Die Ana-Box ist ein smarter Tablettenspender mit Erinnerungsfunktion. Er kann für eine ganze Woche gefüllt werden, mit separaten Fächern für früh, mittags, nachmittags und abends.

Lichtsensoren messen, ob die Medikamente zur richtigen Zeit aus dem Fach genommen wurden. "Das Gerät erinnert mit Leuchten an die Einnahme", sagt der Hardwareentwickler Daniel Böber. Es habe eine Art Sim-Karte wie bei einem Telefon und lasse sich so mit einer App synchronisieren.

Daniel Böber hat den smarten Medikamentendosierer mitentwickelt. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Computer schaltet die vergessene Herdplatte ab

"Die Wohnung muss klüger werden, nicht die Person", findet Marco Brunner von Auxilio Lebensraum. Das Gerät seiner Firma ist auch KI-gestützt und erlernt mit Hilfe von Bewegungssensoren tägliche Abläufe und Gewohnheiten. Bei ungewöhnlichen Bewegungsmustern werden die Angehörigen informiert, bei sehr kritischen der Notruf.

Die Wohnung muss klüger werden, nicht die Person.

Marco Brunner | Auxilio

Aber es geht bei solchen Computerlösungen auch um Unterstützung im Alltag. So könne Auxilio die Herdplatte abschalten, wenn das vergessen wurde. Dafür misst ein Smartmeter im Sicherungsschrank den Energieverbrauch des Herdes.

Marco Brunner zeigt Auxilio - ein KI-gestütztes System. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Der komplette Kaufpreis solcher smarten Wohnungswächter rangiert im vierstelligen Bereich. Viele Firmen bieten ihre smarten Betreuer auch im Monatsabo inklusive Wartung an. Die Preise liegen dann bei monatlich gut 50 bis mehr als einhundert Euro.

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Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 10. April 2024 | 16:30 Uhr

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