Auf der WalzMoritz auf Wanderschaft - Von der Ostsee nach Sachsen
Ab und an sieht man sie schon mal am Wegesrand: Wanderburschen. Moritz Hermes ist solch ein Wandergeselle. Der 21-Jährige aus der Nähe von Wolgast an der Ostsee ist seit September letzten Jahres unterwegs. Wir haben ihn in Annaberg-Buchholz in der Drechslerei von Jens Breitfeld getroffen. Dort will Moritz unbedingt das Drechseln lernen.
Also Vollbluttischler ist Moritz Hermes nicht nur eng mit dem Werkstoff Holz verbunden, sondern auch mit den Traditionen im Handwerk. Für den 21-Jährigen war deshalb schon während seiner Lehre klar: "Ich gehe auf die Walz".
Dafür hat der junge Mann nicht nur seine Familie, sondern auch seine Freundin Leonie zurückgelassen. Insgesamt drei Jahre dauert die Wanderschaft mindestens. Und in dieser gesamten Zeit muss Moritz 60 Kilometer Abstand zu seiner Heimat Wolgast halten. Mit seiner Familie und auch mit seiner Freundin hat er sich bis jetzt einmal außerhalb des Bannkreises getroffen. Eine Herausforderungen, vor allem für die junge Liebe. "Klappt schon", meint Moritz, "mit einer Menge Liebe und Vertrauen."
Schwarze Kluft und Ohrring
Gut sichtbar sind natürlich die schwarze Kluft, der schwarze Hut und das strahlend weiße Hemd. Unter den langen, zusammengebunden Dreadlocks und dem Hut versteckt, ist ein kleiner goldener Ohrring. Den hat Moritz in einer besonderen Zeremonie zum Start seiner Wanderschaft erhalten: "Man wird von dem Gesellen, der einen mitnimmt, mit dem Nagel auf eine Tischplatte gepinnt. Mit dem Ohrläppchen. Und man muss das Versprechen ablegen, dass man drei Jahre unterwegs sein wird. Das habe er versprochen. Und, er habe versprochen, ein abgefahrenes Tischlermöbel zu bauen, erzählt Moritz weiter. "Irgendeine trapezförmige Vitrine."
Tischler, Zimmerer, Trockenbauer
Moritz kommt bei seiner Wanderschaft viel in der Welt herum und lernt die Facetten verschiedener Handwerksberufe kennen - ob als Trockenbaugeselle in einer Schweizer Bauschreinerei oder als Zimmerergeselle im Schwabenländle.
Dabei sammelt er auch eine Menge Wissen. Auch hier im Erzgebirge, seiner aktuellen Station, wo er sich einer Mini-Lehre im Drechseln verschrieben hat. Das habe ihn schon immer gereizt, erzählt der gelernte Möbeltischler. "Weil das einfach etwas ganz Berufsfremdes ist. Also ein Tischler drechselt normalerweise nicht."
Drechseln von der Pieke auf
Seit September letzten Jahres ist Moritz schon unterwegs und hat schon viele Menschen kennengelernt. Bei Jens Breitfeld hat er einfach an die Werkstatttür geklopft. Und der Drechslermeister hat sich über den frischen Wind gefreut: "Wanderburschen gehören eigentlich zum Handwerk. Es war schon immer mal unser Wunsch, aber so viele Wandergesellen kommen hier nicht vorbei. Als Drechsler schon gar nicht."
Moritz Hermes hat halt gemacht und laut Jens Breitfeld schon viel gelernt:" Er hat mit den Grundformen angefangen. Wie für Lehrlinge üblich. Walzen, Spitzstäbe, Rundstäbe, Hohlkehlen. Dann musste er eine Abschlussarbeit machen. Und dann hat er ein Set Eierbecher, Salz- und Pfefferstreuer und einen Holzteller gedrechselt." Das ist eine enorme Leistung nach eineinhalb Monaten. Doch nicht nur Moritz hat profitiert. Auch die Breitfelds haben viel gelernt, erzählen sie.
Bald wird Moritz seinen Zwischenstopp in Annaberg-Buchholz beenden. Zurzeit restauriert der Tischlergeselle noch einen historischen Werkzeugschrank der Breitfelds. Danach geht es weiter: nach Norwegen.
MDR (cnj)
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Der Tag | 09. April 2024 | 17:50 Uhr
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