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StreitGefällte Bäume in Lichtenwalde bringen Naturschützer auf die Palme

09. April 2023, 15:11 Uhr

Das Schloss Lichtenwalde hoch über der Zschopau bei Chemnitz ist bekannt für seinen gepflegten Barockgarten. Anders sieht es mit dem Wald unterhalb des Parks aus. Hier im Naturschutzgebiet darf der Mensch nur im Notfall eingreifen. Das Fällen zahlreicher Bäume, die weder Wanderer noch Häuser gefährden und offensichtlich gesund sind, wurde dennoch genehmigt. Der zuständige Landrat Neubauer brach ein Interview mit dem MDR ab. Vorerst hat die übergeordnete Landesdirektion das Fällen verboten.

Mehrere dicke Buchenstämme liegen am Hang unterhalb des Schlosses Lichtenwalde auf dem Waldboden. Die Naturschützer vom Naturschutzverband Sachsen e.V. (NaSa e.V.) sind darüber wütend und fassungslos. Der neue Besitzer des Waldes hat zum wiederholten Mal aus ihrer Sicht gesunde kräftige Bäume gefällt, sagt NaSa-Chef Tobias Mehnert.

"Das sind ganz gesunde Bäume. Man sieht es auch - hier vorn haben wir eine Roteiche, dahinter eine Buche. Das sind ganz große, starke Stämme." Würde man so etwas im Amazonasgebiet sehen, dann wäre der Aufschrei bei der Europäischen Union groß. "Hier vor Ort in Deutschland, im Landkreis Mittelachsen, wird so etwas als 'Wegesicherungsmaßnahme' oder Ähnliches deklariert und man holt die Bäume aus einem Naturschutzgebiet heraus."

Würde man so etwas im Amazonasgebiet sehen, dann wäre der Aufschrei bei der europäischen Union groß.

Tobias Mehnert | Vorsitzender Naturschutzverband Sachsen e.V.

Bäume offenbar in Schutzgebiet gefällt

Das Areal unterhalb des Lichtenwalder Schlosses ist Naturschutzgebiet, was der Landkreis Mittelsachsen 2020 per öffentlicher Bekanntmachung auch detailliert dargelegt hat. Zusätzlich ist das Gebiet noch ein Flora-Fauna-Habitat-Schutzgebiet (FFH) - ein Siegel der Europäischen Union für Gebiete mit besonders schützenswerter Flora und Fauna.

Nur unter ganz bestimmten Bedingungen dürfte hier Hand angelegt werden, sagt Mehnert. "Bei den europäischen Schutzgebieten bedarf es einer FFH-Verträglichkeitsprüfung. Das ist ein langwieriges Prüfverfahren. Es wird dann den Naturschutzverbänden zur Stellungnahme überreicht. Das ist hier aber einfach nicht gemacht worden." Gegen diese Prüfung könnten die Naturschutzverbände auch klagen, sagt Mehnert. Diese Möglichkeit habe es in diesem Fall nicht gegeben.

Untere Naturschutzbehörde hat die Baumfällungen genehmigt

Obwohl die Vorgehensweise im Paragraf 34 des Bundesnaturschutzgesetzes klar vorgeschrieben ist, hat die Untere Naturschutzbehörde Mittelsachsen dem privaten Waldbesitzer das Fällen erlaubt. Die Behörde ist im Freiberger Landratsamt angesiedelt. Auf eine Dienstaufsichtsbeschwerde der Naturschutzverbände hin hat die Behörde auf eine sogenannte Vorprüfungsklausel verwiesen (das Dokument liegt der Redaktion vor). Diese Klausel ersetzt die große Prüfung durch die EU-Kommission bei "sehr kleinen, unerheblichen Eingriffen".

Wie klein und unerheblich die Eingriffe waren, liegt ganz im Auge des Betrachters. Auch eine Gefahr für Anwohner durch umsturzgefährdete Bäume sieht zumindest Anwohnerin Stefani Börnert nicht. "Es waren nicht alles tote Bäume, die hier gefallen sind. Es waren gesunde, große, alte Bäume", sagt sie. "Da ist nichts krank. Sie sind einfach weggemacht worden.“

Da ist nichts krank. Sie sind einfach weggemacht worden.

Stefani Börnert | Anwohnerin

Landrat bricht Interview mit MDR ab und verbietet Verwendung des Materials

Der MDR SACHSENSPIEGEL hat die Untere Naturschutzbehörde um Stellungnahme gebeten. Sie ist dem Landrat des Landkreises Mittelsachsen Dirk Neubauer (parteilos) unterstellt, der einem Interview zunächst zustimmte. Allerdings brach es der Landrat ab und untersagte MDR SACHSEN schriftlich jegliche Verwendung des Gesagten und die entsprechenden Kamera-Aufzeichnungen mit ihm.

Waldbesitzer sieht sich im Recht

Der Besitzer des betroffenen Waldstücks ist Norbert Jungbeck, der im bayerischen Wald eine Bautischlerei betreibt. Im Interview mit MDR SACHSEN rechtfertigt er seine Baumfällungen und hält sie für richtig und wichtig. "Es ist eine Verkehrssicherungspflicht, die liegt klipp und klar bei mir", sagt er. "Mein Standpunkt ist, dass Wege sicher sein müssen und niemandem ein Schaden entstehen darf." Er ist der Auffassung, dass er keine gesunden Bäume fällen lassen hat. "Ich habe keine gesunden Bäume explizit fällen lassen, seit ich den Wald besitze."

Ich habe keine gesunden Bäume explizit fällen lassen, seit ich den Wald besitze.

Norbert Jungbeck

Die Verkehrssicherungspflicht und Haftung greift allerdings nur bei offiziellen Wegen. Herabfallendes Holz oder umstürzende Bäume sollen also nicht zur Gefahr für Wanderer und Radler auf den Waldwegen werden. Ein solcher Weg führt nur am Fuße des Hanges um das Areal herum. Viele der gefällten Bäume stehen mitten im Wald und auch weit entfernt von Häusern.

Nach mehreren Appellen der Naturschützer hat die Landesdirektion Sachsen als Aufsichtsbehörde reagiert. Sie hat zur Prüfung die Baumfällungen vorerst gestoppt und muss nun klären, welche der beteiligten Parteien auf dem Holzweg sind.

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Anmerkung der Redaktion: Tobias Mehnert wurde in einer früheren Version dieses Artikels als Chef des Naturschutzbundes Sachsen bezeichnet. Das war nicht korrekt. Tobias Mehnert ist Vorsitzender das Naturschutzverbandes Sachsen e.V. Wir haben den Fehler korrigiert.

MDR (tfr/dbö)

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 07. April 2023 | 19:00 Uhr