Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben
Zu Beginn der Corona-Pandemie gab es harte Ausgangsbeschränkungen und viele Geschäfte mussten vorübergehend schließen. Bildrechte: Harry Härtel

PandemieRückwirkende Corona-Urteile sind nicht ohne Folgen

04. April 2023, 14:41 Uhr

Das Verwaltungsgericht Chemnitz hat entschieden, dass die Ausgangsbeschränkungen der sächsischen Landesregierung vom März 2020 aufgrund der Corona-Pandemie zum Teil rechtswidrig waren (Aktenzeichen 4 K 523/20). MDR AKTUELL-Hörer Kurt Löhnicker fragt sich, warum die Urteilsfindung so lange gedauert hat und welche Auswirkungen die Entscheidung nach so langer Zeit noch hat.

Na endlich - das dachte sich der Zwickauer Unternehmer Billy Bauer, als er von dem Urteil erfuhr. Bauer ist Mitglied der FDP Sachsen und hatte vor drei Jahren gegen das Land geklagt: "Es war auf alle Fälle schon eine innere Genugtuung, dass Sachsen eingelenkt hat. Die haben quasi anerkannt, dass die Verordnung, die sie im März 2020 erlassen haben, falsch war."

Verfahren an Verwaltungsgerichten würden oft lange dauern - im Durchschnitt über ein Jahr, sagt Kyrill-Alexander Schwarz, Professor für öffentliches Recht an der Uni Würzburg. Der Grund: Die Gerichte müssen immer mehr Eilanträge prüfen und die Verfahren werden immer komplexer. Dafür reichten Personal und Zeit nicht, sagt Schwarz.

Es gebe aber noch einen zweiten Punkt, der ebenfalls für die Dauer des Verfahrens spreche, erklärt Schwarz: "Das ist die Tatsache, dass möglicherweise der Streitgegenstand, also das, worüber die Parteien gestritten haben, einfach in der Zwischenzeit überholt war und deswegen gar keine so dringende Eilbedürftigkeit der Entscheidung mehr gegeben war."

In diesem Fall wurden die Ausgangsbeschränkungen, um die es in der Klage ging, wenige Wochen später von einer Corona-Schutzverordnung der Landesregierung überholt.

Urteil als Präzedenzfall

Auch Kläger Billy Bauer hatte ein Eilverfahren beantragt, das wurde abgelehnt. Aber auch drei Jahre später ist das Urteil für ihn nicht umsonst. Erstens, weil er rund 500 Euro Verfahrenskosten zurückbekommen habe, sagt er. Und als Beispiel für ähnliche Situationen, die vielleicht noch eintreten: "Ja, man kann sich die Frage stellen, was das bringt, wenn das erstmal gemacht wird und dann irgendwann aufgehoben wird und die Verfahren viel länger dauern. Aber in Zukunft gibt es bestimmte Dinge nicht mehr, weil das ist jetzt schon festgestellt worden. Und die Juristen gucken auch immer, was gab es noch für Fälle, sind die ähnlich, und gibt es dazu Urteile."

Ein Punkt, den auch Verwaltungsrechtler Schwarz anspricht. Außerdem könne der Kläger mit dem Urteil prüfen lassen, ob Anspruch auf Schadenersatz vom Land Sachsen besteht, erklärt er. Und: Die Feststellung, dass das Land Sachsen sich falsch verhalten hat, ist für Bauer eine Art Wiedergutmachung – wenn auch nur eine symbolische.

FDP fordert Untersuchungsausschuss

Bauers Partei, die FDP Sachsen, hat als Konsequenz einen Untersuchungsausschuss im Landtag gefordert. Den kann sie selbst nicht beantragen, weil sie nicht im Landtag sitzt, und die beiden größten Oppositionsparteien stehen nicht hinter dem Vorschlag.

Der Vorsitzende der Linksfraktion schreibt MDR AKTUELL: "Von einem Untersuchungsausschuss versprechen wir uns nichts, weil darin dieselben Abgeordneten das Sagen hätten, die in der Corona-Zeit das Regierungshandeln gestützt haben."

Aus der AfD heißt es, Untersuchungsausschüsse seien sehr häufig zahnlose Tiger. Es wäre besser gewesen, wenn die sächsischen Verfassungsrichter im Eilverfahren über die Einschränkung der Grundrechte in der Corona-Zeit entschieden hätten.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 04. April 2023 | 06:00 Uhr