Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben

GedenkenZerstörte "Tränenmeer"-Figur zurück auf dem Dresdner Heidefriedhof

12. Februar 2022, 14:16 Uhr

Seit 2010 steht die Bronzefigur "Trauerndes Mädchen am Tränenmeer" auf dem Heidefriedhof. Sie verkörpert für viele Menschen das leise und schmerzvolle Gedenken zum 13. Februar 1945. Die Zerstörung des Denkmals kurz vor den Gedenkfeiern löste vor allem bei den Dresdnern Unverständnis aus. Auch bei Małgorzata Chodakowska, die die Figur geschaffen hat. MDR SACHSEN hat die Bildhauerin in der Kunstgießerei besucht, als sie bei der Reparatur der Bronzeplastik anwesend ist.

Małgorzata Chodakowska ist immer noch fassungslos. Ende Januar, wenige Tage vor den Gedenkfeiern zur Bombardierung Dresdens, zerstören bisher unbekannte Täter ihre Bronzefigur "Trauerndes Mädchen am Tränenmeer" auf dem Dresdner Heidefriedhof. 2010 hatte sie mit dieser Figur einen Wettbewerb zum Gedenken an den 13. Februar 1945 auf dem städtischen Friedhof gewonnen. Für sie persönlich verkörpert die Figur vor allem das Leid der vielen zivilen Opfer.

Małgorzata Chodakowska: "Der Seelenschmerz bleibt"

"Man kann alles wieder reparieren. Der Seelenschmerz bleibt", sagt die Künstlerin mit Blick auf 5.000 Euro Sachschaden, der laut Polizei entstand. Sie habe nach der Zerstörung viele Anrufe von schockierten Dresdnern erhalten, erzählt die gebürtige Polin, die seit 1991 in Dresden lebt. Nicht zuletzt durch das große Mitgefühl sei es ihr wichtig gewesen, dass ihre Figur bis zum Gedenktag am 13. Februar wieder repariert auf dem Heidefriedhof steht. "Wir wollen mit der reparierten Figur ein positives Zeichen setzen", nickt die Bildhauerin.

Die Künstlerin läuft durch die Kunstgießerei der Gebrüder Ihle im Norden der Stadt. Die Mitarbeiter kennen sie hier gut. Gerade wird Chodakowskas Mädchen-Plastik "Flamenco", frisch zurück von einer Ausstellung am Bodensee, erneuert.

"Narben" nicht mehr zu sehen

Beim MDR-Besuch in der Gießerei bleiben die Füße der Figur mit einer Tuch abgedeckt. "Die Leute sollen sie erst wieder sehen, wenn sie wieder repariert ist", so die Künstlerin. Die Spuren des Anschlags sollen dem "Tränenmeer"-Mädchen nicht mehr anzusehen sein. Metall- Experte Wilhelm Ihle bearbeitet die beschädigte Oberfläche dafür so, dass "die Schnittstellen an den Füßen von Laien nicht mehr zu sehen sind."

Diskussion um Erinnerungskultur in Dresden hält an

Für die polnische Künstlerin Chodakowska ist der 13. Februar auch persönlich ein wichtiger Gedenktag. "Ich war stets schockiert, dass man Dresden, diese barocke Perle, zerstörte. Für mich war es ein Racheakt. Man muss aber auch vergeben angesichts der vielen Konflikte in der heutigen Welt", so die Enkelin einer ins NS-Deutschland verschleppten Zwangsarbeiterin.

Dass die Täter den Anschlag laut einem anonymen Bekennerschreiben auf der linksextremen Plattform Indymedia als "fachgerechte" Entfernung bezeichneten und die Bomben-Toten pauschal zu Tätern erklärten, denen man nicht gedenken dürfe, löst bei der Künstlerin Kopfschütteln aus. "Zu den Opfern des Bombenangriffs gehörten unbeteiligte Frauen, Kinder, alte Menschen und viele Flüchtlinge. Das Gedenken daran anzugreifen, ist absurd und ohne Logik."

Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert bezeichnet die Tat als Vandalismus, mit dem man "den demokratischen und zivilgesellschaftlichen Diskurs um eine vielfältige Erinnerungskultur" verlasse. Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch räumt ein, dass es "unbestritten" in Dresden Orte gebe, "die entweder historisch belastet und nicht markiert sind oder aus heutiger Sicht fragwürdig in ihrer Konnotation". Doch mit der Zerstörung der Skulptur "Tränenmeer" seien Tatsachen geschaffen worden, "die der Notwendigkeit der inhaltlichen Auseinandersetzung nicht hilfreich sind, sondern einen Bärendienst erweisen".

Ermittlungen laufen weiter, Bekennerschreiben wird geprüft.

Nach den Tätern wird weiter gefahndet. Ermittler ordnen das Bekennerschreiben einer "Autonomen Aktionsgruppe Dresden Entnazifizieren" zu, vermuten eine linksextremistisch motivierte Straftat. Eine Gruppierung namens "Undogmatische Radikale Antifa Dresden" lobte die Tat auf Twitter. Auf Anfrage teilt der Dresdner Oberstaatsanwalt Jürgen Schmidt mit, das Bekennerschreiben werde von der Polizei weiter geprüft wie auch Hinweise aus der Bevölkerung "fortlaufend durch die polizeilichen Ermittlungsbeamten".

Małgorzata Chodakowska wird am Sonntag zum Gedenktag des Bombenangriffes auf Dresden vormittags zum Heidefriedhof kommen. "Dann bin ich bei meinem Mädchen", lacht sie optimistisch.

Quelle: MDR/(Wiebke Müller,dk)

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 12. Februar 2022 | 19:00 Uhr