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SelbstverteidigungUnterlegen und bedroht? Trainer übt mit Kindern brenzlige Situationen

29. April 2023, 18:41 Uhr

Was mache ich, wenn mich ein Fremder anspricht? Wie reagiere ich bei Stress auf dem Schulhof? In Radebeul hat der Karateverein Ohtsuka am Sonnabend erstmals einen Präventionskurs für Jungen und Mädchen im Grundschulalter angeboten. Der Kurs war in kurzer Zeit ausgebucht.

Coaching gegen Schulhofstress: 19 Jungen und Mädchen haben auf dem Parkett mit Karatetrainer Gerd Hahnemann einen Kreis gebildet. "Was macht ihr, wenn ihr angegriffen werdet?", fragt er in die Runde. "Sich verteidigen", erwidert zögernd ein schmales Mädchen. "Wegrennen", antwortet der Trainer. "Ja, verteidigen auch." Hahnemann habe einmal auf einem Schulhof einen Jungen erlebt, der sich reglos weinend hat verprügeln lassen. "Das geht gar nicht", sagt der 65-Jährige. Selbst Boxer würden ihre Fäuste zum Schutz an den Kopf heben, zeigt er.

Rat vom Trainer: Sicherer Stand, Gleichgewicht herstellen

Der Radebeuler Karateverein Ohtsuka hat erstmals einen Gewaltpräventionskurs für Kinder in der Schulturnhalle der Grundschule Niederlößnitz organisiert. Auch, weil es Vorfälle an den örtlichen Grundschulen gegeben habe, wo Kinder von Fremden angesprochen wurden, erklärt Manuela Müller, die stellvertretende Vereinsvorsitzende. Der Lehrgang sei dafür da, dass die Kinder sich schützen können. Dass sie lernten, Situationen einzuschätzen und nicht mit Fremden mitzugehen. Die Resonanz auf den Kurs sei riesig gewesen und der Termin war in kürzester Zeit ausgebucht, berichtet die 46-Jährige.

Rat vom Trainer: Selbstbewusst wirken, nicht anstarren

Karatetrainer Gerd Hahnemann, der extra aus dem erzgebirgischen Thalheim angereist ist, geht mit den Kleinen verschiedene Situationen durch. Ein Beispiel: Wie laufe ich an einer Gruppe größerer Kinder vorbei, die den Bürgersteig blockieren? Was mache ich, wenn einer aus der Gruppe zu mir heraustritt? Selbstbewusst vorbeigehen, ihn nicht anstarren, sondern hindurchgucken, gibt Hahnemann Ratschläge. Und wenn's brenzlig wird, vom Geschehen wegrennen, aber nicht auf die Straße!

Es ist eine gute Sache, das Kind stärker zu machen, falls es angegriffen wird.

Steffi Paetsch | Mutter

Vom Rande aus verfolgen Eltern auf den hölzernen Turnbänken sitzend das Geschehen. "Ich dachte, es wäre eine gute Sache, das Kind stärker zu machen, falls es angegriffen wird", erklärt die Mutter Steffi Paetsch, warum ihr Kind beim Kurs dabei ist. Schon Erstklässler erlebten Konflikte in der Schule, wo die Älteren gegen die Kleinen angehen. Für sie als Mutter sei es schrecklich, so etwas zu hören.

Rat vom Trainer: Vorfälle sofort den Eltern mitteilen

Schockierend sind die Vorfälle und Straftaten, bei denen Kinder von Erwachsenen angesprochen und angegangen werden. Kinder sollten hier weder vor Angst erstarren, noch zutraulich mit ihnen mitgehen", sagt Hahnemann. Auch er hat von dem jüngsten Fall in Dresden gehört, als zwei Mädchen aus einem Auto heraus am Arm gepackt wurden. "Offensichtlich haben die Mädchen richtig reagiert, sie konnten sich befreien und sind weggelaufen. Und sie haben den Vorfall sofort ihren Eltern mitgeteilt, so dass er zur Anzeige gebracht wurde."

Hahnemann weiß aber auch von häufigen Falschmeldungen, die hartnäckig kursierten. Hier dürften sich Eltern nicht nervös machen lassen. "Aber wenn es etwas Offizielles gibt, dann sich sofort Gedanken machen und die Kinder immer wieder sensibilisieren", mahnt er.

Rat vom Trainer: Unangenehmen Situationen aus dem Weg gehen

Im Präventionskurs machte der Trainer den Kleinen immer wieder deutlich, unangenehmen Situationen von vornherein aus dem Weg zu gehen. "Die körperliche Auseinandersetzung zwischen einem Kind und einem Erwachsenen spielt für mich eine untergeordnete Rolle. Denn ein Kind kann sich gegenüber einem Erwachsenen letztlich nicht groß zur Wehr setzen", so Hahnemann.

Das sieht Jörg Dietrich, Vereinschef von Ohtsuka Karate, genauso. "Es geht nicht darum, den Kindern beizubringen, dass sie sich verteidigen können", betont er. Selbst nach langjährigem Kampfsporttraining sei das schwierig. "Die Kinder sollen lernen zu erkennen, wann eine Situationen für sie gefährlich ist. Und wenn sie aus dieser Situation wegrennen können, dann so schnell wie möglich", so Dietrich.

Rat vom Trainer: Bei Gefahr wegrennen, Hilfe rufen

Die Kinder freuen sich vor allem über die spielerischen Elemente im Kurs. Auch Hahnemanns unverkrampfte, lockere Art schafft Luftigkeit in den ernsten Hintergrund der Veranstaltung. Sehr cool finden es hier zum Beispiel Eddie, Max und Tim. Fragt man die Siebenjährigen, wie sie sich nun in einer Notlage verhalten würden, haben sie Lösungen parat. "Hilfe rufen", sagte Eddie. "Wir haben den sicheren Stand gelernt und aus dem sicheren Stand schnell losrennen", erklärt Tim.

Der Radebeuler Karatesportverein plant bereits zwei weitere Präventionskurse für den Herbst.

Kinder sensibilisieren und auf den Ernstfall vorbereitenDie Polizei Sachsen macht darauf aufmerksam, dass Kinder, die in Notsituationen geraten, vor allem eins brauchen: Menschen, die wahrnehmen und handeln. Dazu gehöre auch, mit Kindern zu besprechen, wie sie selbst mit bestimmten Situationen umgehen können.

- Nie mit Fremden mitgehen!

- Wenn ein Kind bedrängt wird, ist Wegrennen hin zu anderen Menschen bzw. in Geschäfte, Praxen, Schule etc. der beste Weg für ein Kind, um sich Hilfe zu holen.

- Ist Hilfeholen nicht möglich, ist dem Kind alles erlaubt, was dabei hilft, auf sich aufmerksam zu machen - zum Beispiel: schreien, kratzen, beißen und treten.

- Wenn Ihr Kind von Unbekannten aufgefordert worden ist, mitzugehen oder mitzufahren oder Sie Zeuge einer Situation sind, in der ein Kind bedrängt wird, informieren Sie umgehend die Polizei!

- Schreiten Sie ein, wenn ein Kind offensichtlich bedrängt wird, z. B. durch fragen, ob alles in Ordnung ist.

MDR

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Dresden | 02. Mai 2023 | 16:30 Uhr