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Im Dauereinsatz sind aktuell die Feuerwehrkräfte in der Sächsischen Schweiz. Bildrechte: IMAGO / suedraumfoto

InterviewDie Feuerwehr im Waldbrand: Wenn das Ehrenamt gefährlich wird

29. Juli 2022, 18:43 Uhr

Seit Tagen kämpfen Hunderte Feuerwehrleute in der Sächsischen Schweiz gegen mehrere Waldbrände. Viele der Helfer sind ehrenamtlich bei Freiwilligen Feuerwehren engagiert. Ihre aktuelle Aufgabe ist auch für diese erprobten Feuerwehrmänner und -frauen keine einfache. Unter anderem über das Geräusch, das Bäume machen, die kurz vor dem Abbrechen sind, hat MDR SACHSEN mit einem ehrenamtlichen Feuerwehrmann aus Langenhennersdorf gesprochen.

Ole F. [Name der Redaktion bekannt] ist schon seit Jahren Feuerwehrmann in einem Ortsteil der Stadt Bad Gottleuba-Berggießhübel im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Nicht hauptberuflich, sondern im Ehrenamt. MDR SACHSEN hat mit ihm über seine aktuellen Einsätze bei den Waldbränden in der Böhmischen und Sächsischen Schweiz gesprochen.

Rotierendes System und jede Menge Handarbeit

Das erste Mal war Ole in der Nacht zu Montag im Einsatz. Seitdem versucht er in einer Art Wechselsystem zusammen mit anderen Feuerwehrmännern und -frauen den Waldbrand in der Sächsischen Schweiz zu löschen. Acht bis zehn Stunden kann ein solcher Einsatz dauern. "Aufgrund des schweren Geländes wird versucht, alle acht Stunden die Kameraden auszutauschen", erklärt Ole.

Zuletzt war er unterhalb der Affensteine am Friesenstein im Einsatz. Die Aufgabe für Ole und die weiteren Kameraden seines Trupps: eine mobile Pumpe in den Wald bringen. "Unwegsames Gelände, die Pumpe zweihundert Kilo schwer. Sie muss von vier Mann getragen werden, dann schmale Waldwege, überall umgefallene Bäume - das ist eine körperliche Höchstleistung gewesen", erzählt er. Insgesamt zehn Männer waren dort im Einsatz.

Unwegsames Gelände, die Pumpe zweihundert Kilo schwer. Sie muss von vier Mann getragen werden, dann schmale Waldwege, überall umgefallene Bäume - das ist eine körperliche Höchstleistung gewesen.

Ole F. | Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr

Maximal 20 oder 25 Meter weit konnte das schwere Gerät von den Einsatzkräften getragen werden. Dann hieß es, absetzen und das Personal austauschen. Ohne Pumpen geht es in dem bergigen Gebiet nicht. Denn durch die langen Schlauchleitungen, die in dem unwegsamen Gelände gelegt werden müssen, komme es immer wieder zu einem Druckabfall. Die Pumpe wirke dem entgegen, pumpe das Wasser mit einer höheren Bar-Zahl weiter, damit das Löschwasser auch so auf die Flammen aufgebracht wird, dass man dort eine Löschwirkung erzielen kann, erklärt der ehrenamtliche Feuerwehrmann.

Keine Sicherung trotz unwegsamem Gelände

Obwohl das Gelände steil und unwegsam ist, sind Ole und seine Mitstreiter nicht mit Seilen gesichert. Im Ernstfall könnte diese Sicherung eine große Gefahr für die Einsatzkräfte bedeuten, denn sie schränken die Bewegung ein, erklärt der 38-Jährige: "Dieser eingeschränkte Bewegungsradius bei einem umstürzenden Baum oder einem Steinschlag würde dazu führen, dass wir nicht weg kommen."

Lebensgefahr von allen Seiten

Oft könne nicht vom ohnehin schon schmalen Waldweg aus gelöscht werden. Kameraden müssten ins Unterholz oder über abgestorbene Bäume klettern, immer die Schlauchleitung hinter sich herziehend. Besondere Gefahr geht von dem Totholz und den vom Borkenkäfer befallenen Fichten aus, sagt Ole. Die Bäume, an denen er entlang musste, "haben nicht äußerlich, sondern innerlich gebrannt, und zwar bis in eine Höhe von ungefähr vier bis fünf Metern", beschreibt er die Situation vor Ort. Wo normalerweise die ersten Äste bei den Fichten angesetzt hätten, sei das Feuer aus der Fichte "ausgetreten". Die Folge: Der Baum wird mürbe, bricht ab und stürzt ins Gelände.

Die Bäume haben nicht äußerlich, sondern innerlich gebrannt, und zwar bis in eine Höhe von ungefähr vier bis fünf Metern.

Ole F. | Mitglied Freiwillige Feuerwehr

Um rechtzeitig reagieren zu können, müssten die Einsatzkräfte genau hinhören. Denn in der Regel kündige sich ein Baumsturz an. Das Geräusch, das Bäume verursachen, die kurz davor stehen abzubrechen, beschreibt Ole als ein "ganz komisches hohles Knacken". Für die Feuerwehrleute bedeutet das Lebensgefahr.

Versorgung mit Löschwasser schwierig

Neben dem unwegsamen Gelände sieht Ole noch eine weitere große Schwierigkeit: "Generell gibt es ein sehr, sehr großes Problem in der Sächsischen Schweiz oder auch in anderen ländlichen Regionen mit der Löschwasserversorgung." Ein Löschwasser-System, wie noch zu Beginn der 1990er-Jahre gebe es nicht mehr. In das Wassernetz, das von Zweckverbänden verwaltet werde, dürfe die Feuerwehr nur noch bedingt eingreifen.

"Es ist ein ganz, ganz großes kommunales Problem", meint Ole. "Draußen in dem Wald gibt es keine Hydranten. Dort wird über große Tanklöschfahrzeuge das Wasser herangeschafft." Aus der Kirnitzsch werde das Wasser gepumpt und dann so weit wie möglich in den Wald gefahren, dort in ein Sammelbecken gepumpt - eine Art überdimensionalen Swimmingpool - und dann beispielsweise an die beiden Wasserwerfer verteilt.

Doch in den entlegeneren Gebieten sei es noch deutlich schwieriger betont Ole: "Wir haben da sogenannte lange Wegstrecken, also mitunter fünf bis sechs Kilometer Schlauchmaterial von der Elbe in das Kirnitzschtal reingelegt, um die Löschwasserversorgung sicherzustellen." Etliche Pumpen sorgten dafür, dass ausreichend Druck vorhanden ist.

Zu wenig Geld für die Feuerwehr?

Feuerwehrmann Ole wirkt nach seinen vielen Jahren als Ehrenamtlicher und seinem Einsatz im Nationalpark frustriert. Aktuell seien die Wehren bei diesem Brand bestens ausgestattet. Derzeit ist für das Gebiet Katastrophenalarm ausgerufen - der Landkreis koordiniert die Arbeiten, große Feuerwehren sind beteiligt. Das sei normalerweise nicht so: Zu kleine Löschfahrzeuge erschwerten sonst die Arbeit. Grund sei fehlendes Geld, da die Feuerwehren in die kommunale Zuständigkeit fallen. Und da gebe es schlicht kein Geld für große Fahrzeuge. In seinen Augen müsste das dringend auf höherer Eben in die Hand genommen werden.

Kritik an später Hilfe und "politischer Trägheit"

Gleiches gilt aus Oles Sicht für grenzübergreifende Hilfen. "Das sollte diskutiert werden! Vor drei oder vier Jahren hatten wir auch schon mal einen Brand im Grenzgebiet zwischen Deutschland und Tschechien. Und auch dort hatten wir schon das Problem, dass politisch nicht geklärt war, inwiefern wir Hilfe leisten können auf tschechischem Gebiet." Versicherungsfragen stehen demnach im Raum: Sind deutsche Feuerwehrleute versichert, wenn sie sich beim Einsatz in Tschechien verletzen?

"Da sind Jahre ins Land gegangen. Wir haben das gleiche Szenario jetzt wieder", erklärt der Familienvater. "Meine ganz private Meinung: Wir hätten, schon viel eher die tschechische Feuerwehr mit Amtshilfe unterstützen können, wenn wir politisch auf Landes- und Kommunalebene nicht so träge wären. Hier brennt es im Grenzgebiet. Es ist doch egal, ob auf tschechischer oder deutscher Seite." Er wünscht sich, dass bürokratische Hürden abgeschafft werden, denn "ansonsten haben wir das Problem, dass diese Freiwilligkeit, das Ausüben des Ehrenamtes, immer mehr zurückgeht."

In diese Richtung gehen nun Pläne des sächsischen Innenministers Armin Schuster (CDU). Er will gemeinsam mit tschechischen Partnern die Zusammenarbeit erleichtern. Der Minister nannte bessere technische Absprachen, Kommunikation per Funk, Lufteinsätze und die engere Zusammenarbeit der Führungsstäbe als Zielsetzungen. Ob und wann das zum Alltag wird, wird sich zeigen. Ole und seine Kameraden warten darauf.

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MDR (bbr/kp)