InterviewUnfallforscher: Lenk- und Ruhezeiten der Busfahrer sind hochproblematisch
Busunglücke können durch technisches und menschliches Versagen entstehen. Siegried Brockmann, Leiter des Bereichs Verkehrssicherheit bei der Björn-Steiger-Stiftung erklärt MDR SACHSEN warum er die aktuellen Lenk- und Ruhezeiten für Busfahrer hochproblematisch findet.
Wie schätzen Sie die Arbeitsbedingungen der Busfahrer ein?
Die Lenk- und Ruhezeiten liegen, wenn man sie ausnutzt, an der Oberkante dessen, was physisch und psychisch für die Fahrer zu verarbeiten ist. Darüber müssen wir diskutieren. Das sieht die Busindustrie zwar völlig anders, weil sie jetzt schon zu wenig Fahrer hat und eine striktere Regelung dazu führen würde, dass Fahrten nicht durchgeführt werden können.
Arbeitszeiten und Sozialvorschriften lassen im Extremfall sogar 56 Lenkstunden pro Woche zu.
Siegried Brockmann | Leiter des Bereichs Verkehrssicherheit bei der Björn-Steiger-Stiftung
Wir wissen nicht, wie lange der Busfahrer bei diesem Unfall tatsächlich am Steuer saß. Er ist vielleicht zwei Stunden vorher in Berlin losgefahren. Das heißt aber nicht, dass er ausgeschlafen war. Er kann genauso gut irgendwo hergekommen sein, Passagiere abgeladen und eingeladen und wieder losgefahren sein. Das wissen wir nicht.
Arbeitszeiten und Sozialvorschriften lassen im Extremfall sogar 56 Lenkstunden pro Woche zu. Wenn sie diese mit den Arbeitszeiten anderer Menschen von 38 Stunden pro Woche vergleichen, bemerken Sie, wie viel das im Einzelfall sein kann. Die Zeit am Busbahnhof kommt zusätzlich on top, sie ist ja in die reine Lenkzeit gar nicht eingerechnet.
Wer legt die Lenk- und Ruhezeiten eigentlich fest?
Das ist keine Frage, die wir in Deutschland lösen können. Lenk- und Ruhezeiten sind europaweit als Sozialvorschriften einheitlich gestaltet. In Deutschland haben wir darüber hinaus die normalen Arbeitszeitvorschriften, hier kann man in der Regel nicht länger als zehn Stunden am Tag arbeiten. Wenn man diese einigermaßen kreativ gestaltet, kann man sieben Tage in der Woche arbeiten – und Busfahrer fahren ja am Wochenende.
Wenn jemand bis 24 Uhr unterwegs wäre, könnte er also theoretisch wieder um acht Uhr starten?
Wenn Sie sich die Lenk- und Ruhezeitverordnungen ansehen, dann ist das etwas für Spezialisten. Sie haben grundsätzliche Lenk- und Ruhezeiten, dann haben Sie Ausnahmen, dann müssen Sie eine Pause machen, die muss aber nach so und so viel Tagen mindestens so lang sein. Es ist unmöglich, dass an dieser Stelle hier im Detail zu erklären. Sie können sicher sein, dass die Profis in den Unternehmen sehr genau wissen, wie man an diese Grenzen kommen kann.
Es ist also noch viel Luft nach oben, um die Arbeitsbedingungen der Busfahrer zu verbessern?
Es geht ja nicht nur um die Arbeitsbedingungen der Busfahrer, es geht ja um die Sicherheit aller. Es ist ja so, dass Passagiere gefährdet oder verletzt werden können oder sogar sterben können.
Es geht uns alle etwas an, nicht allein die Busfahrer. Zum Vergleich: Die Lokführer haben gerade eine schöne 35-Stunden-Woche erstritten. Hier ist es noch ein wenig anders. Selbst wenn der Lokführer müde ist, passiert so schnell immer noch nichts, allein weil er auf seiner Schiene unterwegs ist. Wenn das Signal auf Rot steht, wird der Zug automatisch eingebremst, all das haben wir ja beim Bus nicht.
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 28. März 2024 | 16:00 Uhr