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Im Lindencafé im Leipziger Stadtteil Lindenau arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung zusammen. Bildrechte: MDR/Lars Tunçay

Tag der VielfaltIm Lindencafé Leipzig kochen Menschen mit Leidenschaft

28. Mai 2024, 06:00 Uhr

Im Haus der Stadtmission in Lindenau betreibt die Diakonie Leipzig das Lindencafé. Hier bereiten Menschen mit und ohne Behinderung frische Speisen zu. Das Café erfreut sich großer Beliebtheit im Kiez. Für die Mitarbeitenden ist die Arbeit in dem inklusiven Betrieb eine gegenseitige Bereicherung.

Normalerweise kommt Anja morgens um halb acht mit der Straßenbahn aus der Wohneinrichtung zum Lindencafé. Heute scheint die Sonne, da hat sie das Fahrrad genommen. In der Küche steckt sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen die Köpfe zusammen.

Im Lindencafé in Leipzig-Lindenau gibt es dienstags bis freitags ein vegetarisches Hauptgericht, eine Tagessuppe und Kuchen. Bildrechte: MDR/Lars Tunçay

Der Blick auf den Speiseplan verrät das Menü des Tages. Das stellen die Mitarbeitenden gemeinsam zusammen. "Alle bringen ihre Ideen und Rezepte mit", sagt Chefkoch Michael Nogga. "So haben wir einen Pool aus mittlerweile 30 Essen zusammengestellt, die wir immer wieder variieren."

"Ein sehr dankbarer Job"

Heute gibt es Sellerieschnitzel. Anja schält, schneidet und paniert gemeinsam mit ihrem Kollegen. Die Angestellten arbeiten in Zweierteams, die sich gegenseitig beflügeln sollen, sagt Nogga. Der Koch ist seit vier Jahren in den Lindenwerkstätten beschäftigt. Sein Handwerk hat er in der Schweiz gelernt. Die Arbeit mit körperlich und geistig Beeinträchtigten war Neuland für ihn. "Ein sehr dankbarer Job", sagt er. "Man blickt in viele leuchtende Augen. Das Schöne ist, dass wir alle voneinander lernen können. Ein sehr befruchtendes Arbeiten hier."

Chefkoch Michael Nogga Bildrechte: MDR/Lars Tunçay

Das Schöne ist, dass wir alle voneinander lernen können. Ein sehr befruchtendes Arbeiten hier.

Michael Nogga | Koch im Lindencafé

Spaß und Leidenschaft an erster Stelle

Die Arbeit im Lindencafé habe seine Perspektive auf den Beruf verändert, sagt er. "Ich habe gelernt, Dinge nicht so eng zu sehen. Ich komme aus der normalen Gastronomie. Da hast du permanent Stress und Druck. Hier passieren eben ganz viele Dinge nicht so, wie es geplant ist und das ist okay. Dafür sind wir eben ein inklusiver Betrieb." Für ihn sei die tägliche Arbeit dadurch wesentlich befriedigender. "Hier wird sehr viel gelacht. Da legen wir auch Wert drauf."

Der Unterschied in der Arbeit mit beeinträchtigten Menschen liege zum Beispiel in der Motorik, die einige Dinge unmöglich macht. Etwa das feine Schneiden von Zwiebeln. "Aber dafür ist das Essen von Menschen gemacht, die das lieben, in einem inklusiven Umfeld", sagt Nogga. "Ich glaube, die Gäste sehen und merken das und nehmen das genauso gerne an."

"Ein, zwei Mitarbeiter lieben Kartoffel schälen"

Wichtig ist für ihn, dass niemand aufgrund seiner Fähigkeiten benachteiligt wird. "Hier darf jeder alles machen. Solange die Menschen es gerne machen. Das sorgt dafür, dass hier jeder wirklich gerne hinkommt." Da bleiben auch die Kartoffeln nicht lange liegen, sagt Nogga. "Ich hab da so ein, zwei Mitarbeiter, die lieben einfach Kartoffel schälen."

Anja: "Ich bin eine kleine Backfee"

Anja backt am liebsten. "Ich bin eine kleine Backfee. Ich könnte jeden Tag backen für das Lindencafé. Am liebsten Hefezopf, Zimt- oder Mohnschnecken." Seit 2010 ist sie in den Werkstätten, arbeitete auch schon mal in einem Bäckereibetrieb in Connewitz. Aber in diesem Jahr lassen die Angebote auf sich warten. "Da sitzt man wie auf heißen Kohlen."

Anja liebt es zu backen, am liebsten Hefezopf, Zimt- oder Mohnschnecken. Bildrechte: MDR/Lars Tunçay

Ziel: Erster Arbeitsmarkt

Menschen mit Behinderung eine Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen, ist die vorrangige Aufgabe der Einrichtung, sagt Fred Umlauf, Leiter der Lindenwerkstätten. Das Ziel sei es, dass die Mitarbeitenden einmal einem geregelten Job nachgehen. Das gestalte sich allerdings schwierig, so Umlauf. "Die Beschäftigten arbeiten sehr gerne im Café und der Schritt nach draußen ist für viele einfach eine große Herausforderung. Die Werkstatt bietet ein soziales Umfeld, einen starken Rückhalt und es ist sehr schwierig, die Menschen zu bewegen, diesen Schutzraum zu verlassen."

Rund 20 Beschäftigte arbeiten laut Umlauf im gastronomischen Bereich. Hinzu kommen die Mitarbeitenden aus dem Berufsbildungsbereich, die zumeist die Förderschule beendet haben und auf die Arbeitswelt vorbereitet werden.

Viel los im Café

Das Sellerieschnitzel mit Reissalat und Kräuter-Dip ist zwischenzeitlich angerichtet und wird im Café serviert. Die Plätze sind gut besetzt. Heute tummeln sich hier auch eine Lehrerin und zehn Schulkinder. Fritz steht hinter der Theke und kümmert sich um die Abrechnung. Seit 2015 arbeitet er hier. "Ich mag den Kontakt mit Menschen und die Abwechslung", sagt er. Auch das Arbeitsklima gefällt ihm.

Fritz liebt die Arbeit im Café und den Kontakt mit den Menschen. Bildrechte: MDR/Lars Tunçay

Sein Tag fängt um halb zehn an. Er beginnt damit, die Tische herzurichten. "Es läuft zur Zeit sehr gut", sagt Fritz. "Wir sind sehr gefragt. Wir kochen ja ausschließlich vegetarisch, das kommt gut an bei den Gästen. Viele von ihnen sind Stammgäste, Angestellte der Werkstatt, aber auch von außerhalb. Die Älteste ist 88 Jahre und kommt auch heute noch gerne."

Niemand nimmt einen Konflikt nach Hause mit

Von Dienstag bis Freitag serviert das Lindencafé ein vegetarisches Tagesgericht, dazu eine Tagessuppe und Kuchen. Chefkoch Nogga legt Wert darauf, dass alle Gerichte selbst hergestellt werden. Besonders wichtig ist ihm aber der Spaß an der Arbeit. "Selbst bei uns wird es mal hektisch und der Ton ist etwas straffer. Aber was bei uns ganz oben auf der Agenda steht: Niemand geht nach Hause und nimmt einen ungeklärten Konflikt mit. Das ist ganz wichtig, dass am Ende des Tages über alles gesprochen wird."

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