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In Deutschland findet die Weiterbildung bisher nur in geringem Umfang statt. Bildrechte: IMAGO / Westend61

WeiterbildungSachsens Wirtschaft reagiert skeptisch auf Heils Bildungszeit-Pläne

17. Januar 2023, 14:20 Uhr

Deutschland benötigt dringend mehr hoch qualifizierte Fachkräfte. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil setzt auf Weiterbildung und verweist auf Österreich. Dort gibt es eine sogenannte Bildungszeit – eine bezahlte Auszeit vom Job, um sich weiterzubilden. Heils Pläne sehen dafür bis zu zwei Jahre vor. Finanzieren soll das die Bundesagentur für Arbeit. Die Reaktionen darauf gehen in Sachsen weit auseinander.

Der Vorschlag des Arbeitsministers ist Wasser auf die Mühlen des DGB in Sachsen. Der Gewerkschaftsbund setzt sich immerhin seit geraumer Zeit für einen fünftägigen Bildungsurlaub im Freistaat ein, wie es ihn in allen Ländern außer Bayern bereits gibt. Ein deutlich kürzeres Modell also, bei dem außerdem der Arbeitgeber die Kosten trägt.

Daniela Kolbe, Vizechefin des DGB in Sachsen und lange Jahre für die SPD im Bundestag, lobt den Vorschlag des Arbeitsministers. In Zeiten von Fachkräftemangel sei er gut und plausibel. Es sei für die Gewerkschaften ein wichtiger Punkt, dass die Unternehmen auch in ihre Belegschaften schauen und fragen: Wer könne weiterentwickelt werden? Wer habe vielleicht noch keinen Abschluss? Wer brauche noch eine Zusatzqualifikation? Die bezahlte Bildungszeit sei ein starkes Instrument, um das umzusetzen, sagt Kolbe.

Bedenken bei Arbeitgebern

Die sächsische Wirtschaft ist da etwas zurückhaltender. Grundsätzlich könne man den Ansatz nur befürworten, sagt der Sprecher der Industrie- und Handelskammer Dresden, Lars Fiehler. Schließlich seien Arbeitgeber daran interessiert, ihre Beschäftigten fit zu halten. Jedoch stelle sich auch die Frage, wie lange man auf den einen oder anderen verzichten könne. Da müsse man bei Zeiträumen, die bis zu einem Jahr gingen, schauen, wie man das in der Belegschaft gut abfedern könne.

Möglicherweise müssen die Betriebe gleich ganz auf die Beschäftigten verzichten. Das jedenfalls gibt Sven Meiselbach zu bedenken. Er ist Vize-Präsident der Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft und warnt, dass immer wieder Bezug auf das österreichische Modell genommen werde. Wenn man sich die Statistiken dort anschaue, seien 45 Prozent der Leute nicht wieder an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt. Das sei natürlich ein fader Beigeschmack, wenn man jemanden weiterbilde und dann an die Konkurrenz verliere.

Meiselbach argumentiert, die Arbeitgeber arbeiteten bereits jetzt auf vielen Ebenen daran, ihre Mitarbeiter weiterzubilden. Was die Pläne des Arbeitsministers zusätzlich bewirken sollten, sei ihm nicht klar.

Wenig Weiterbildung in Deutschland

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit sieht dagegen einen ganz klaren Bedarf. Direktor Bernd Fitzenberger sagt: "Die Weiterbildung in Deutschland findet, obwohl das alle wollen, in zu geringem Umfang statt. Das ist die große Krux bei dem Thema." Insbesondere Menschen mit bisher niedrigem Qualifikationsniveau oder mit veralteten Qualifikationen nähmen an zu wenigen Weiterbildungsmaßnahmen teil.

Und eben an diese Gruppe richte sich das Bildungszeit-Angebot, sagt Fitzenberger. Hier über eine weitere Förderung nachzudenken, sei sicherlich richtig, aber auch leichter gesagt als getan: "Für Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen bisher, für Menschen, die keine sehr großen Erfolge bisher in ihrem Leben mit Bildung hatten, die vielleicht sogar keinen Berufsabschluss haben, diese für Bildung und Weiterbildung zu gewinnen, das ist die große Herausforderung. Da wird es nicht ausreichen, finanzielle Anreize zu setzen."

Da brauche es das passende Bildungsangebot, einen Kompass, in welche Richtung die Weiterbildung gehen solle, sagt Fitzenberger. Dazu sei in den Überlegungen zur Bildungszeit bislang aber relativ wenig zu finden.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 17. Januar 2023 | 06:00 Uhr

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