JustizNeonazi-Drogendealer vor Gericht: Höchststrafe für Turonen-Chef gefordert
Im Prozess um die Neonazi-Bande Turonen am Landgericht Erfurt hat die Staatsanwaltschaft für den Hauptangeklagten die Höchststrafe gefordert. Er soll demnach für 15 Jahre hinter Gitter. Ein Urteil wird bereits für nächste Woche erwartet.
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- Der Neonazi-Bande Turonen wird Drogenhandel vorgeworfen, unter anderem mit Crystal Meth und Kokain.
- Die Lebensgefährtin des Hauptangeklagten soll Rotlichtgeschäfte und Zwangsprostitution organisiert haben.
- Die Verteidiger-Plädoyers werden für nächste Woche erwartet.
- Die Zeit für Urteil am Landgericht Erfurt wird knapp.
15 Jahre - die Höchststrafe. Damit hatten der Turonen-Chef und sein Verteidiger im Prozess am Landgericht Erfurt augenscheinlich nicht gerechnet. Doch Staatsanwältin Heike Schneider zeigte sich gnadenlos. Die Skrupellosigkeit und die hohe kriminelle Energie, die der Rechtsextremist an den Tag gelegt habe, ließe kein anderes Strafmaß zu, sagte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer.
Wir begrüßen die durch die Staatsanwaltschaft geforderten empfindlichen Strafen.
Madeleine Henfling | Parlamentarischer Untersuchungsausschuss "Politisch motivierte Gewaltkriminalität"
Der Hauptangeklagte habe einen straff geführten Apparat geschaffen, in dem soldatischer Gehorsam galt. So soll der selbsternannte "Präsident" der Turonen nicht nur Bekannte und Verwandte für seinen großangelegten Drogenhandel eingespannt haben, sondern auch andere Neonazis, die in der "Bruderschaft Thüringen" organisiert waren.
Vorwurf: Drogenhandel in großem Stil
Strafverschärfend müsse laut Staatsanwaltschaft beachtet werden, dass sich das rechtsextreme Drogenkartell vor allem auf harte, schnell süchtig machende Drogen wie Crystal Meth, Kokain und Amphetamine konzentrierte, die es mutmaßlich in hohem Kilogrammbereich und in hoher Qualität in Thüringen verkaufte.
Spätestens seit Anfang 2020 habe die rechtsextreme Bruderschaft den Drogenhandel aufgebaut, vor allem um die Neonazi-Organisation in Thüringen zu verankern und auszubauen, erklärte die Staatsanwaltschaft. Damit seien auch die Voraussetzungen einer kriminellen Vereinigung erfüllt. Der Vorwurf der Bildung einer solchen Vereinigung wirkt sich strafverschärfend aus.
Frau des Hauptangeklagten: Zwangsprostitution und Rotlichtgeschäfte
Auch die anderen Angeklagten hätten sich skrupellos und gewaltbetont gezeigt, erklärte die Staatsanwältin. Vor allem die Lebensgefährtin des Hauptangeklagten sei besonders verwerflich gewesen. Sie soll begonnen haben, das Rotlichtgeschäft der Bande zu organisieren. Auch eine Bekannte soll sie zur Prostitution gezwungen haben.
Während der Zwangsprostitution habe sich eine weitere Angeklagte, die auch die Drogen versteckt haben soll, um das Kleinkind der Genötigten gekümmert. Auch dafür forderte die Staatsanwältin zwölf Jahre für die Lebensgefährtin und acht Jahre für die mutmaßliche Bunkerhalterin und Kindesbetreuerin.
Verteidiger zeigen sich erschüttert: Plädoyers nächste Woche erwartet
"Wir begrüßen die durch die Staatsanwaltschaft geforderten empfindlichen Strafen. Der Prozess muss, wie durch die Staatsanwaltschaft thematisiert, vor dem Hintergrund der Turonen als international und bundesweit vernetzte rechtsextreme Bruderschaft betrachtet werden", erklärte Madeleine Henfling, Obfrau von Bündnis 90/Die Grünen, im parlamentarischen Untersuchungsausschuss "Politisch motivierte Gewaltkriminalität" auf Anfrage. Es sei wichtig, dass der extrem rechte Hintergrund auch im weiteren Verlauf des Verfahrens beachtet wird.
Die Verteidiger zeigten sich nach dem Plädoyer erschüttert. Bis zuletzt hatten sie das Gericht mit Anträgen überhäuft, so dass die Verlesung des Plädoyers sich immer weiter verschob.
Zeit für Urteil wird knapp
Nun wird für die Strafkammer die Zeit knapp. In der nächsten Woche dürfen die Verteidiger ihre Erklärungen abgeben. Bis zum Ende der kommenden Woche muss eigentlich das Urteil fallen, weil nicht mehr Verhandlungstage eingeplant wurden.
Drogenhandel und Geschäfte mit Rechtsrock
Die "Bruderschaft Thüringen" hatte sich 2015 in Ballstädt bei Gotha gegründet. Die rockerähnliche Bande spezialisierte sich zuerst darauf, Rechtsrock-Konzerte zu organisieren und abzusichern. Als die rechtsextremen Festivals wegen der Corona-Pandemie nicht mehr möglich waren, sollen die Chefs der Turonen auf den Drogenhandel ausgewichen sein. Dabei knüpften sie offenbar problemlos an die hochkriminellen Drogenmilieus in Thüringen an. Mittlerweile müssen sich auch zwei weiter führende Neonazi-Rocker am Landgericht Gera verantworten.
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MDR (ahem/cfr)
Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 30. August 2023 | 19:00 Uhr