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NordhausenProzess um 2.000 tote Schweine in Nordhausen: Gericht lässt Milde walten

18. Dezember 2023, 22:21 Uhr

Nach dem qualvollen Tod von mehr als 2.000 Schweinen in einem Mastbetrieb bei Nordhausen wurde ein ehemaliger Mitarbeiter zu einer Geldstrafe auf Bewährung verurteilt. Das Gericht machte den 28-Jährigen für das Massensterben im August 2022 verantwortlich. Der Richter erkannte mildernde Umstände an und benannte Mängel beim niederländischen Betreiber Van Asten.

von Armin Kung, MDR THÜRINGEN

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Der Angeklagte wurde am Nordhäuser Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 4.000 Euro verurteilt, die er in 80 Tagessätzen abzahlen könnte. Doch so weit wird es möglicherweise nicht kommen. Die Geldstrafe setzte der verhandelnde Richter zur Bewährung aus. Der Angeklagte muss das Geld nur zahlen, wenn er gegen Gesetze oder Auflagen verstößt. Garantiert zahlen muss er aber eine Spende von 300 Euro an einen Tierschutzverein in Nordhausen. Eine symbolische Geste.

Das Urteil ist vergleichsweise mild. Der verhandelnde Richter sagte in der Urteilsbegründung, er bleibe am unteren Rand seiner Strafmöglichkeiten. Das lag vor allem an den Umständen, denen der Angeklagte zur Tatzeit ausgesetzt war.

Tiere erstickten oder kollabierten, nachdem die Lüftungsanlage ausgefallen war

Der 28-Jährige hatte im August 2022 Rufbereitschaft, als in der Schweinemastanlage in Nordhausen die Lüftung ausfiel. Ohne elektrische Belüftung konnten in der hermetisch-abgeriegelten Anlage keine Giftgase entweichen oder Atemluft hineinkommen. Die Tiere erstickten, starben einen Hitzetod oder gingen an einem Herz-Kreislauf-Kollaps zugrunde.

Der Angeklagte war Teil einer telefonischen Alarmkette, auf die er laut Urteil unzureichend reagierte. Per Code akzeptierte er von zu Hause den Fernalarm, tat aber zu wenig, um die Tiere zu retten. Obwohl er keinen Führerschein besaß, hätte er persönlich mit dem Fahrrad, dem Taxi oder mithilfe seiner Frau zur Schweinemastanlage fahren können. Vor Ort hätte er zumindest versuchen müssen, die Tiere zu retten, so die Begründung. Im Notfall hätte er auch die Polizei oder Feuerwehr verständigen können. All das tat er nicht. Deshalb fiel am Montag der Schuldspruch anstelle eines Freispruchs.

Der Angeklagte (li.) mit seiner Verteidigung kurz vor der Urteilsverkündung am Amtsgericht Nordhausen Bildrechte: MDR/Armin Kung

Mildernde Umstände für Angeklagten

Doch die Schuld milderten viele Punkte. Der Angeklagte war vor der Tatzeit eine Woche lang in Rufbereitschaft. Er hatte bei seinem Arbeitgeber Van Asten mehrfach gegen den Dienst protestiert. Zudem hatte der Angeklagte seinem Arbeitgeber mitgeteilt, dass er derzeit umziehe und unter Stress stehe.

Außerdem wurde der gelernte Landwirt ausschließlich in der Fütterung eingesetzt. Von der Elektrik der Lüftungsanlage im Stall hatte er keine Ahnung. Auch eine Schulung zur Lüftungsanlage hatte der Mann von Van Asten nicht erhalten. Das bestätigten Zeugen.

Zudem hatte der 28-Jährige zumindest versucht, auf den Lüftungsalarm zu reagieren. Er telefonierte laut eigener Aussage zweimal mit seinem Vorgesetzten und versuchte mehrfach, eine spezielle Elektrikerfirma anzurufen. Aufgrund dieser Umstände blieb es bei einer Geldstrafe auf Bewährung.

Dass Staatsanwaltschaft und Verteidigung dies akzeptierten, spricht für das Urteil. Es ist umgehend rechtskräftig.

Prozess offenbarte Mängel bei Van Asten

Der Gerichtsprozess offenbarte zahlreiche Mängel beim Tierwohl in der Schweinemastanlage des niederländischen Betreibers Van Asten. Am zweiten Prozesstag wurde öffentlich, dass die Stalltüren nur 80 Zentimeter breit waren. Wie hier 50.000 Tiere im Brandfall zügig evakuiert werden sollen, fragte der verhandelnde Richter rhetorisch.

Im Prozessverlauf wurde außerdem deutlich, dass die Alarmkette für Wochenenden, Abende und die Nacht nicht ausgereift ist. Hinter vier Telefonnummern, die automatisch alarmiert werden, steckte zur Tatzeit nur ein Mensch. Da auch dieser versagte, mussten über 2.000 Schweine qualvoll sterben. Dass manche Mitarbeiter unzureichend ausgebildet wurden, zeigte der Prozess außerdem.

Ob an diesem Montag die richtige Person verurteilt wurde, ließ der verhandelnde Richter offen. Er könne nur verurteilen, wer angeklagt wurde, sagte der Richter zu dem 28-Jährigen. Dessen Rechtsanwalt ging in seinem Abschlussplädoyer einen Schritt weiter. Er hoffe auf weitere Ermittlungen durch das Veterinäramt und die Staatsanwaltschaft Mühlhausen bei der Tierzuchtfirma Van Asten.

MDR (aku/dr)

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 18. Dezember 2023 | 19:00 Uhr