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Aenne-Biermann-Preis 2023Fotografie und KI: Leipziger Künstlerin ausgezeichnet

22. November 2023, 13:38 Uhr

Der Aenne-Biermann-Preis für deutsche Gegenwartsfotografie wird seit mehr als 30 Jahren in der Stadt Gera vergeben. Der erste Preis ist in diesem Jahr an die Leipziger Künstlerin Stefanie Schroeder gegangen. Sie überzeugte die Jury mit einer unkonventionellen Herangehensweise an das Medium Fotografie. Entstanden ist ein Power-Point-Vortrag. Den zweiten Preis erhielt der in Aschersleben geborene Kai-Uwe Schulte-Bunert für seine klassischen Fotografien eines Bauern.

Stefanie Schroeder hat Fotografie studiert, sich aber schon immer für Bewegtbild interessiert. Für ihre Arbeit "Die unsichere Bank" ist sie nun mit dem Aenne-Biermann-Preis der Stadt Gera 2023 ausgezeichnet worden. Darin erzählt Schroeder sowohl mit echten als auch mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI) erzeugten Bildern in knapp 50 Minuten eine dokumentarische Geschichte über prekäre Arbeit. Damit habe sie sich schon während des Studiums beschäftigt, erzählt Stefanie Schroeder, da es sie beispielsweise bei Nebenjobs betroffen habe.

"Die unsichere Bank" wird ein sicherer Gewinn

Mit dem Siegerbeitrag "Die unsichere Bank" hat die Leipziger Künstlerin Stefanie Schroeder eine Performance geschaffen: eine Power-Point-Präsentation unterlegt mit Audio- und Videosequenzen, die keine klassisch-fotografische Arbeit ist. Wie geht das mit einem Fotografiepreis zusammen?

Sehr gut, sagt Holger Saupe von den Kunstsammlungen Gera. Schroeders Arbeit sei schon etwas Ungewöhnliches gewesen, habe aber mit jeder Menge fotografischer und medialer Mittel gearbeitet. Damit kehre sie zum Ausgangspunkt von Aenne Biermann zurück. Diese habe beispielsweise bei ihrer Fotografie von Gestein stets auch die Grenzen der eigentlichen Fotografie überschritten. "Das haben wir bei Stefanie Schroeder auch gefunden, und das hat uns fasziniert", so Holger Saupe weiter.

Zwei Preise für gegensätzliche Ansätze der Fotokunst

Saupe gehört der sechsköpfigen Jury zum Aenne-Biermann-Preis der Stadt Gera an. Aus 1.500 Bewerbungen hat diese sich schließlich auf insgesamt fünf Arbeiten geeinigt. Auch auf den zweiten Preisträger: Kai-Uwe Schulte-Bunert und seine eher klassischen Fotografien – praktisch ein Gegenentwurf zu den Arbeiten Stefanie Schroeders. Mit dokumentarisch-poetischen Fotos hat er die Jury überzeugt. Schulte-Bunert nimmt den Betrachter mit nach Italien, in das Leben von Dante, der allein einen Bauernhof betreibt. Drei Jahre lang sind so magische Alltagsbilder entstanden, die teilweise an altmeisterliche Malerei erinnern.

Auch wenn mehr neue Medien und Gestaltungsformen die Kunst erobern – als "aussterbende Spezies" sieht Schulte-Bunert die klassische Fotografie nicht. Er glaubt, dass diese durch KI eine Renaissance erfahren wird. "Diese Bewegung, die da gerade stattfindet, ist für mich eine Bestätigung, genau so weiter zu machen", so Schulte-Bunert. Den Aenne-Biermann-Preis hatte Schulte-Bunert schon lange beobachtet, sich aber nie beworben. Aenne Biermann interessiere und fasziniere ihn sehr. "Ich hätte absolut nicht geglaubt, hier ausgewählt zu werden. Aber – bin ich“, schmunzelt er.

Ein neuer Anspruch an die Fotografie

Der Aenne-Biermann-Preis macht die Vielfalt der Fotografie deutlich. Eingereicht werden Arbeiten von Studierenden, Autodidakten sowie Profis. Die traditionellen Sonnenuntergänge oder Reisefotos sind kaum noch zu finden, sagt Juror Holger Saupe. Stattdessen gehe es um Fotografie als Medium, als Mittel der Auseinandersetzung mit der Realität, mit Gedanken und Gefühlen. Zudem zeigten die Preisträgerinnen und Preisträger, dass sich der Anspruch an die Fotografie gewandelt hat.

Ihre Arbeiten sind in insgesamt sieben Räumen im Museum für angewandte Kunst in Gera zu sehen. "Sie zu platzieren war eine schwere Arbeit — eben weil sie so verschieden sind", sagt Kuratorin Julia Ortmeyer. Dementsprechend wurde bis kurz vor Beginn der Preisverleihung am Dienstagabend noch geschraubt, gerahmt, gehangen.

Annerkennungen für fotografische Arbeiten über Heimat

Neben den beiden Hauptpreisträgern hat die Jury drei Anerkennungen ausgesprochen – an drei Kunstschaffende, die sich im weitesten Sinne mit Heimat beschäftigen: Felicitas Fäßler ist mit ihrer Reihe "residues" dem Silber des Erzgebirges auf der Spur. Sie zeigt, wie Silber auf Pflanzen wirkt und der Mensch durch den Abbau des Metalls die Umwelt zerstört.

Tobias Kruse ist in der Nähe der ehemaligen Giftmülldeponie der DDR in Schönebeck aufgewachsen. Er fängt in "Deponie" atmosphärisch-düstere Stimmungsbilder ein und mixt schwarz-weiß Porträts mit Landschaften. Florian Glaubitz hingegen hat die Keramiksammlung seiner Mutter inspiriert. So hat er sich das Material Ton als Motiv seiner Fotografie ausgesucht, ergänzt durch Keramiken aus verschiedenen deutschen Museen – auch aus dem Geraer Museum für angewandte Kunst.

Renommierter Preis mit langer Tradition

Der Aenne-Biermann-Preis wurde 1992 erstmals von der Stadt Gera vergeben. Seit 2003 kooperiert die Stadtverwaltung dafür mit der SV Sparkassen Versicherung und der Thüringer Staatskanzlei. Der Preis wird im Zwei-Jahres-Rhythmus ausgeschrieben. Namenspatin des Wettbewerbs ist die Geraer Künstlerin Aenne Biermann. Als Autodidaktin fertigte sie in den 1920er- und 1930er-Jahren mehrere Tausend Fotografien an. Das Museum für Angewandte Kunst Gera verwahrt heute rund 400 ihrer Bilder – und damit einen der größten Bestände ihres Werkes in Deutschland.

Mehr InformationenDie Werke der Preisträgerinnen und Preisträger sind bis zum 11. Februar 2024 im Museum für Angewandte Kunst in Gera ausgestellt.

Jeden Mittwoch um 12:30 Uhr gibt es eine Kurzführung.

Die Performance der Preisträgerin Stefanie Schroeder ist live am 9. Dezember 2023 zu erleben, sowie am 13. Januar 2024 und 3. Februar 2024 jeweils um 14 Uhr.

Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen.

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 22. November 2023 | 06:15 Uhr

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