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Steinach"Sprachlabor" erforscht seltenen Thüringer Dialekt

08. April 2024, 13:36 Uhr

In Steinach im Südzipfel Thüringens wird ein seltener Dialekt gesprochen. Seit Jahren erforscht Jasmin Pfeifer das sogenannte "Stänichä". Noch bis zum 9. April steht das "Dialektmobil" auf dem Steinacher Marktplatz und befragt Einheimische. Ein ganzes Steinacher Dialekt-Wörterbuch soll daraus werden. Und darüber hinaus soll ein spezieller Dialekt-Wanderweg Touristen anlocken.

  • Forschende der Universität Düsseldorf und der Rijksuniversiteit Groningen widmen sich dem seltenen Thüringer Dialekt in Steinach im Landkreis Sonneberg.
  • An der Forschung sind die Einheimischen selbst beteiligt und sprechen für die Forschenden im mobilen Sprachlabor.
  • Aus den Ergebnissen soll ein Steinacher Dialekt-Wörterbuch entstehen, später auch ein touristischer Wanderweg und ein Dialekt-Kochbuch.

600 Kilometer sind sie gefahren: Wissenschaftlerinnen aus Düsseldorf und aus dem niederländischen Groningen erkunden auf Tuchfühlung den seltenen Dialekt, der in Steinach im südlichen Thüringen gesprochen wird. Sie sammeln Wörter und ihre Bedeutungen, dokumentieren die Aussprache, können mit Ultraschall sogar zeigen, was im Mund geschieht, wenn man Dialekt spricht. Denn damit, dass der Steinacher Dialekt irgendwann doch einmal aussterben könnte, wollen sie sich nicht abfinden. Dabei setzen sie auf die Eigeninitiative der Menschen von Steinach. Offenkundig mit Erfolg schon in den vergangenen Tagen: "Wir werden hier quasi überrannt", freut sich die federführende Düsseldorfer Sprachwissenschaftlerin Jasmin Pfeifer.

Ein Wagen voller Hochtechnologie

Man könnte es für einen fahrbaren Bäckerei-Verkaufsstand halten. Aber das mobile "Spraaklab", das Teja Rebernik und Hedwig Sekeres von der Universität Groningen mitgeracht haben und das vier Tage lang auf dem Steinacher Marktplatz steht, ist vollgestopft mit Technik: Man kann vor allem Audioaufnahmen in Studioqualität herstellen. Denn das ist der Kern der Arbeit, die sich Jasmin Pfeifer und ihre beiden niederländischen Kolleginnen vorgenommen haben: Sie wollen möglichst exakt festhalten, wie es sich anhört, das "Stänichä" – wie die Menschen hier sagen. Es ist schließlich eine besondere Sprache.

Das "Spraaklab" verzeichnete von Beginn an regen Besuch. Bildrechte: Jasmin Pfeifer

Fränkische Laute in Thüringen

In diesem Zipfel Südthüringens wird gerade nicht das bekannte Thüringisch gesprochen. Denn da erhebe sich der Rennsteig als eine natürliche Grenze, erklärt Jasmin Pfeifer: "Er trennt verschiedene Dialektgebiete voneinander ab. Und hier auf dieser Seite des Rennsteigs wird das Fränkische beziehungsweise das sogenannte Itzgründische gesprochen – und da stellt das Steinacher eine Untervarietät dar." Seit über vier Jahren beschäftigt sich die Wissenschaftlerin damit intensiv. Rasch verließ sie ihr Büro in der Universität Düsseldorf und tauchte tief ein in den Thüringer Alltag.

Bürgeruniversität: Forscherdrang in Steinach

Das Modell der sogenannten Bürgeruniversität schien wie geschaffen für Jasmin Pfeifers Projekt: Sie kam nach Steinach und befragte die Menschen vor Ort. Wie sprechen sie? Welche besonderen Wörter machen den Steinacher Dialekt aus? Wie spricht man korrekt? Wie klingt es, wenn man hochdeutsche Sätze in den Dialekt übersetzt? Oder wenn man alltägliche Dinge im Dialekt schildert? Und die Menschen von Steinach zogen mit: Eine Fülle Wörter, Details und Eigenheiten ihres Dialektes haben sie in den letzten Jahren schon zusammengetragen.

Im Sprachmobil werden Mitschnitte der Sprache im Dialekt erstellt. Bildrechte: Teja Rebernik

Jasmin Pfeifer fand heraus: Die Älteren in Steinach sprechen im Dialekt Tag für Tag, die Jüngeren allerdings schon etwas seltener und abgewandelt. Sie haben immerhin sogar eine eigene Bezeichnung für das Smartphone gefunden: "Wischkastla".

Das Sprachlabor mit seiner Technik rückt die Forschung nun auf eine neue Stufe: Es gibt noch genauere Aufschlüsse über Aussprache, Wortwahl, Satzbau. Darüber hinaus wollen die drei Expertinnen wissen: Wie stehen die Menschen innerlich zu ihrem Dialekt? Wie verbindet sich das mit ihrer Identität?

Das Kernprojekt: ein Wörterbuch

Das Sammeln von Wörtern allerdings war denn auch nur der erste Schritt. Denn nun traten Jasmin Pfeifers Düsseldorfer Studierende in Aktion. Sie systematisierten die Fülle des Materials, arbeiteten es wissenschaftlich auf. Aus allem soll ein aktuelles Wörterbuch des Steinacher Dialekts werden. Und da stellt sich ein typisches Problem von Dialektsprache: Wie soll man die Laute auf Papier festhalten? Um dieses Problem zu lösen, braucht es schon das Können der promovierten Sprachwissenschaftlerin: "Denn momentan schreibt einfach jeder, wie er will, und jeder anders, und keiner weiß es so richtig." Gerade hier sollen die Erkenntnisse aus dem Sprachlabor helfen. Jasmin Pfeifer hofft, dass das Wörterbuch vielleicht noch in diesem Jahr in die Buchläden kommt.

Jasmin Pfeifer mit interessierten Steinachern Bildrechte: Teja Rebernik

Dialekt als Tourismus-Magnet

Allerdings erschöpft sich das Düsseldorfer Projekt nicht in diesem Wörterbuch. Steinach liegt inmitten einer höchst reizvollen Landschaft. Da war bald die Idee geboren, einen besonderen Dialekt-Wanderweg einzurichten. Dazu gehört eine eigens entworfene Beschilderung. Die Einheimischen wussten genau, wo diese Schilder am besten platziert werden sollten. "Wir haben eine Kooperation aufgebaut mit dem Naturpark Thüringer Wald", erläutert Jasmin Pfeifer. "Der wird uns dabei behilflich sein, die Schilder aufzustellen – jetzt fehlt halt noch die konkrete Ausarbeitung und Gestaltung der Schilder."

Auch Liebe zu Dialekt geht durch den Magen

Wenn alles gutgeht, könnte der Steinacher Dialekt-Wanderweg zur Tourismus-Saison 2025 fertig sein. Wer sich dann auf den Weg macht, der kann sich auch stilechten Proviant einpacken. Jasmin Pfeifer, ihre Studierenden und die Menschen von Steinach bereiten nämlich noch ein drittes Projekt vor: ein echtes Steinacher Dialekt-Kochbuch.

Quelle: MDR KULTUR (Michael Kuhlmann)
Redaktionelle Bearbeitung: hro

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 08. April 2024 | 12:10 Uhr