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KommunenOberbürgermeister contra Stadtrat: Darum geht es im Finanzstreit in Gera

14. Dezember 2022, 10:50 Uhr

Im Streit um die Dezember-Bezüge der Angestellten der Stadt Gera haben sich Oberbürgermeister und Stadtrat ineinander verhakt, jetzt versucht der OB einen Alleingang. Worum es geht: Fragen und Antworten.

Zur Vorgeschichte: Nachdem im Geraer Stadtrat am Montagabend mangels Stadträten kein Beschluss zustande kam, will der parteilose Oberbürgermeister Julian Vonarb die Dezember-Bezüge der städtischen Angestellten per Eilentscheidung überweisen lassen.

Wann sind die Gehälter zur Auszahlung fällig?

Ausgezahlt werden die Gehälter der städtischen Angestellten am Monatsende. Bis Mittwoch (14.12.) muss Oberbürgermeister Vonarb eine unterschriebene Mappe mit den Dezember-Gehältern an die Kämmerei abgeben, damit das Geld angewiesen werden kann. Das dauere einige Tage, so Vonarb: "Die Zeit rennt uns weg."

Was sagt das Landesverwaltungsamt als Kommunalaufsicht zu Vonarbs Vorgehen?

Vonarb bezeichnet den Nicht-Beschluss des Stadtrates als rechtswidrig. Seiner Ansicht nach hätten die Stadträte zustimmen müssen, denn Personalkosten stünden über dem Haushaltsrecht. Aus diesem Grund beanstandete Vonarb den Nicht-Beschluss offiziell beim Landesverwaltungsamt und informierte damit die Kommunalaufsicht über diesen "rechtswidrigen Zustand". Damit sollte der Fall für die Aufsichtsbehörde erledigt sein, sagte ein Sprecher des Amtes in Weimar MDR THÜRINGEN. Nach Informationen der "Ostthüringer Zeitung" hat das Landesverwaltungsamt die Zahlung per Eilentscheid mittlerweile auch offiziell genehmigt.

Das Landesverwaltungsamt verweist zwar noch darauf, dass Stadträten nach der Kommunalordnung ein Ordnungsgeld verhängt werden kann, wenn sie sich nicht ausreichend für das Fernbleiben einer Sitzung entschuldigen. Im vorliegenden Fall waren aber wohl alle nicht anwesenden Stadträte entschuldigt.

Was sagen die Stadträte zu Vonarbs Alleingang?

Vielen Stadträten missfällt das Handeln der Rathausspitze, das sie als intransparent ansehen. Deswegen hat eine Mehrheit der Stadträte bereits in der Sitzung am vergangenen Mittwoch ihre Zustimmung zur Beschlussvorlage verweigert. So ist wohl seit dem Spätsommer klar, dass die Personalkosten die im vergangenen Jahr vom Stadtrat festgelegte Obergrenze von knapp 69 Millionen überschreiten. Offiziell mitgeteilt wurde das den Stadträten offenbar nicht.

Linken-Fraktionschef Andreas Schubert sagte MDR THÜRINGEN: "Uns wurde 2021 entweder ein falscher Haushaltsentwurf vorgelegt - oder der Oberbürgermeister hat es nicht besser gewusst und seinen Laden nicht im Griff." Schubert kritisierte außerdem, dass die Stadträte seit einem Jahr auf ein Personal- und Standortentwicklungskonzept warten, das sie mit dem Haushalt für 2022 gefordert hatten.

Da in Gera bereits das zweite Jahr in Folge die tatsächlichen Personalkosten die geplanten übersteigen würden, bezeichnete CDU-Fraktionschef Christian Klein den Haushaltsbeschluss als Makulatur. Klein bemängelte, dass es in der Stadtverwaltung offenbar keine eigenen Pläne für die Schlüsselzuweisungen des Landes gebe. Ein Großteil des Geldes solle nun in die Personalkosten fließen und nicht - wie von vielen Stadträten gewünscht - in Schulen und Kindergärten, Brücken oder Straßen.

Nils Fröhlich von den Grünen kritisierte dagegen das Verhalten der Stadtratsmehrheit. Er vermutet, dass diese Vonarb "einen Denkzettel" verpassen wollte - und sie ein leichtes Spiel hätte, da die Gehälter per Eilentscheidung gesichert seien. Die Grünen-Stadträte hatten für den Beschluss gestimmt: "Allen war von vornherein klar, dass die veranschlagten Personalkosten nicht reichen würden."

Geras größte Stadtratsfraktion, die AfD, kritisiert die Einstellungspolitik der Stadtverwaltung und bemängelt, dass das Geld des Landes nun anstatt in Investitionen ins Personal fließt. Fraktionschef Harald Frank sagte: "Eine Personalkostenobergrenze gilt auch für einen Oberbürgermeister." Frank fügte hinzu: "Wir haben es einfach mal mit Ansage drauf ankommen lassen, das war eine Machtfrage." Zum Nichterscheinen von AfD-Stadträten konnte Frank nichts sagen, er war krank und selbst nicht da.

Warum kamen nur sieben von 42 Stadträten zur Sondersitzung am Montag?

Die Ladungsfrist für eine Stadtratssitzung beträgt drei Tage. Nachdem der Stadtrat am vergangenen Mittwoch der Beschlussvorlage nicht zustimmte, legte Oberbürgermeister Vonarb den Termin für eine Sondersitzung auf den Montag - ohne Rücksprache mit den Fraktionen. Nach Meinung von Schubert und Klein war das für viele zu kurzfristig. So hätten viele der ehrenamtlichen Stadtratsmitglieder sich mit anderweitigen (beruflichen) Terminen entschuldigt, heißt es. "Wer glaubt, ein ehrenamtlicher Stadtrat könnte per Fingerschnips Termine freischaufeln, der ist nicht von dieser Welt", kritisierte CDU-Fraktionschef Klein.

Gera ist seit Langem finanziell klamm. Wieso stellt die Stadt dann Mitarbeiter ein?

Laut der Beschlussvorlage des OB sind die höheren Personalkosten auf Tariferhöhungen für den Sozial- und Erziehungsdienst und vergüteter Mehrarbeit zurückzuführen. Mehr Personal habe die Stadt wegen der Corona-Impfpflicht im Gesundheitswesen und wegen ukrainischer Flüchtlinge einstellen müssen.

Nach Ansicht von Grünen-Fraktionschef Fröhlich bleibt aufgrund des ausstehenden Personal- und Standortentwicklungskonzept vieles unklar. "Da könnte man sehen, wo gespart werden kann, wo es aber auch Bedarf gibt", sagte er etwa mit Blick auf die Digitalisierung.


Hinweis der Redaktion: Unter dem Beitrag "Geras OB will Dezember-Gehälter für Mitarbeiter im Alleingang anweisen" kann zum Thema diskutiert werden.


MDR (seg)

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