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MigrationskrisePolen: Hunderte Flüchtlinge durchbrechen Grenzzaun

10. November 2021, 15:03 Uhr

Die Lage an der Grenze zwischen Polen und Belarus spitzt sich weiter zu. In der Nacht zum 10. November haben drei Gruppen von insgesamt mehreren Hundert Menschen versucht, die Grenze zu überschreiten.

von Cezary Mariusz Bazydlo, MDR Osteuroparedaktion

Die Gruppen zählten jeweils 200, 100 und "einige Dutzend" Menschen, teilte die polnische Grenzschutz-Sprecherin Katarzyna Zdanowicz mit. "Alle wurden nach Belarus zurückgeleitet", sagte sie weiter. Die Migranten hätten zuvor die Grenzzäune in der Nähe der Dörfer Białowieża, Krynki und Dubicze Cerkiewne zerstört. Der polnische Grenzschutz wirft dem Nachbarland Belarus schon seit einiger Zeit vor, Migranten und Geflüchtete mit Werkzeug auszustatten, mit dem sie den Grenzzaun überwinden können, etwa mit Metallsägen und Bolzenschneidern.

Lage am Grenzübergang Kuźnica

Am Grenzübergang in Kuźnica ist es unterdessen in der Nacht zum Mittwoch ruhig geblieben. Dort harren nach Schätzungen des polnischen Grenzschutzes seit Montag rund 800 Migranten aus, in der Hoffnung, in die EU einreisen zu können. Einige versuchten zunächst, mit Hilfe von Baumstämmen und größeren Ästen, den Grenzzaun zu überwinden. Die polnischen Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein und verhinderten den Grenzdurchbruch. Inzwischen sind die beschädigten Grenzbarrieren nach Angaben der polnischen Behörden wieder repariert.

Am Dienstag wurde zudem ein Bus mit deutschen Flüchtlingshelfern gestoppt, der auf dem Weg zum Grenzübergang in Kuźnica waren. Da in den grenznahen Landkreisen ein Ausnahmezustand gilt, dürfen sich dort momentan nur Einwohner mit festem Wohnsitz aufhalten. Die Aktivisten von der Initiativen "Seebruecke Deutschland" und "LeaveNoOneBehind" wurden deshalb an einem Kontrollpunkt zurückgewiesen. Sie wollten nicht nur Hilfsgüter nach Kuźnica bringen, sondern auf dem Rückweg auch Migranten nach Deutschland mitnehmen. Dies ist jedoch illegal – das Bundesinnenministerium warnte vor strafrechtlichen Konsequenzen.

Soldaten zur Unterstützung an Grenze

Nach Schätzungen von Polens Innenminister Mariusz Kamiński warten derzeit im Grenzraum bis zu 4.000 Migranten auf eine Gelegenheit für einen Grenzübertritt. Die polnische Regierung hat rund 15.000 Soldaten an die belarussische Grenze entsandt, die Grenzschutz- und Polizeibeamte unterstützen sollen. Seit Jahresbeginn wurden dem polnischen Grenzschutz zufolge rund 30.000 versuchte illegale Grenzübertritte gezählt. Die meisten seien vereitelt worden. Dennoch ist die Grenze offenbar nicht dicht – nach Informationen von tagesschau.de reisten allein im Oktober 2021 rund 5.000 Migranten aus Belarus über Polen nach Deutschland ein.

In Polen gilt der Notstand an der mehr als 400 Kilometer Grenze, vor allem zu Belarus und in einem Abschnitt zu Litauen. 183 Ortschaften sind davon betroffen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Gesteuerte Einreise per Flugzeug

Die Migrationskrise an der polnisch-belarussischen Grenze hält seit Juli 2021an. Migranten und Flüchtlinge aus Fernost, aus dem Irak, Afghanistan und Libyen kommen seither per Flugzeug in die belarussische Hauptstadt Minsk. Von dort versuchen sie, über die grüne Grenze in die EU zu gelangen. Betroffen sind neben Polen auch die baltischen Staaten Litauen und Lettland. Die EU wirft dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, die Menschen absichtlich ins Land zu holen und als "menschliche Waffen" im hybriden Krieg gegen die EU zu missbrauchen – aus Vergeltung für Sanktionen, die die EU wegen Menschenrechtsverletzungen gegen Belarus verhängt hatte.

Quelle: MDR, Osteuroparedaktion

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR aktuell | 10. November 2021 | 17:45 Uhr