RusslandPutins Kampf gegen "ausländische Agenten"
Das Ausländische-Agenten-Gesetz, mit dessen Hilfe jetzt die russische Menchenrechtsorganisation "Memorial" aufgelöst wurde, ist nur eines von vielen Gesetzen, mit denen Putin Zivilgesellschaft und Opposition ausschalten will.
Oppositionelle? "Ausländische Agenten"!
Für Wladimir Putin, den einstigen KGB-Mann, lauern die Feinde überall. Die Bedrohung kommt aber vor allem aus dem Ausland, insbesondere aus den USA, zumindest wird sie von dort finanziert. Ein Narrativ, das der Kremlchef schon im Parlamentswahlkampf 2007 bemühte: "Wie Schakale streifen sie um die Botschaften (…) und setzen darauf, dass sie Unterstützung von ausländischen Stiftungen oder Regierungen bekommen", so Putin damals über die russische Opposition. Wagenburgmentalität zum Zwecke des Machterhalts.
2012 wurde aus dieser Erzählung das sogenannte Ausländische-Agenten-Gesetz. Wer Fördermittel oder Unterstützung aus dem Ausland erhält und sich "politisch betätigt", wird vom Justizministerium als "ausländischer Agent" gelistet. Strenge Auflagen drohen, bei Zuwiderhandlung Geldbußen oder gar Schließung. Es trifft Bürger- und Menschenrechtsorganisationen, aber auch Medien oder Einzelpersonen, Blogger etwa. Früh betroffen waren die unabhängige russische Wahlbeobachterorganisation "Golos", zu Deutsch "Die Stimme" und die Menschenrechtsorganisation "Memorial". Auch der Oppositionssender "Dozhd" gilt inzwischen als "ausländischer Agent". Folgendes Banner muss "Dozhd" deshalb auf seiner Homepage posten: "Dieser Inhalt wurde erstellt und/oder verbreitet von einem ausländischen Massenmedium, das die Funktion eines ausländischen Agenten ausfüllt, und/oder von einer russischen juristischen Person in der Funktion eines ausländischen Agenten".
Reaktion der Staatsmacht auf den Protestwinter 2011/12
2012 war Putin gerade als Staatschef in den Kreml zurückgekehrt und tief verunsichert. Im Winter 2011/12 waren Zehntausende in Moskau und anderen Großstädten auf die Straße gegangen, aus Protest gegen die offensichtlich gefälschten Parlamentswahlen vom 4. Dezember 2011 und gegen die absehbare Rückkehr Putins in den Kreml nach der Präsidentschaftswahl im Frühjahr. Im Winter ließ der Kreml Protestierende und Opposition weitgehend gewähren. Doch ab dem Frühsommer brachte man eine Reihe von Gesetzen durch das Parlament mit nur einem Ziel: Protest und Opposition ausschalten! Das Konzept "ausländischer Agent" wirkt dabei besonders weitreichend. Schon zu Sowjetzeiten wurden Staatsfeinde so gebrandmarkt. "Ausländischer Agent", das sät Misstrauen bei Lesern, Usern, Informanten, Werbekunden, Kooperationspartnern.
"Unerwünschte Organisationen"
Damit nicht genug. 2015 führte Russland außerdem die Kennzeichnung "unerwünschte Organisation" ein. Darunter fallen internationale NGOs, die eine "Bedrohung für das Fundament der verfassungsmäßigen Ordnung der Russischen Föderation (…) darstellen". Was genau damit gemeint ist, das lässt das Gesetz bewusst offen. Betroffene Organisationen, wie etwa der "Deutsch-Russische-Austausch" mit Sitz in Berlin, dürfen in Russland nicht mehr aktiv sein. Die Zusammenarbeit mit einer "unerwünschten Organisation" kann für Russinnen und Russen strafbar sein – da reicht mitunter schon ein "Like" auf Social-Media-Plattformen.
"Diffamierung", "Fake News", "Extremismus"
Seit 2012, seit Putins dritter Präsidentschaft, brachten Unter- und Oberhaus des Parlaments zahlreiche umstrittene Gesetze auf den Weg: Die Versammlungsfreiheit wurde immer wieder beschnitten, ein Straftatbestand der "Diffamierung" wieder eingeführt, die Verletzung "religiöser Gefühle" unter Strafe gestellt, immer neue Gesetze zur Beschränkung des Internets wurden verabschiedet oder bestehende verschärft, sei es im Namen des "Jugendschutzes", sei es im Kampf gegen "Fake News" oder "Extremismus". Diese Gesetze sind dabei meistens so schwammig formuliert, dass sie leicht auch gegen Andersdenkende angewandt werden können und werden. Anfang des Jahres 2021 etwa wurde Putins schärfster Kritiker Alexej Nawalny zu einer Geldstrafe von fast 10.000 Euro verurteilt, weil er in einem Tweet einen Weltkriegsveteranen beleidigt haben soll.
Der Vorwurf des "Extremismus" diente den Behörden allerdings auch schon vor 2012 dazu, Kritiker und politische Gegner auszuschalten. Nawalnys "Stiftung zum Kampf gegen Korruption" traf es dieses Jahr. Sie wurde verboten. Die Organisation habe Informationen verbreitet, die Hass gegen staatliche Behörden schürten, so die Staatsanwaltschaft, und extremistische Verbrechen begangen, nämlich Minderjährige zu nicht genehmigten Demos gelockt und damit deren Leben gefährdet. Am 28. Dezember 2021 ordnete Russlands Oberster Gerichtshof die zwangsweise Auflösung des Dachverbands der Menschenrechtsorganisation Memorial an.
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Quelle: MDR
Dieses Thema im Programm:MDR Aktuelle Hörfunk | 25. November 2021 | 17:00 Uhr