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Ausstellung: "StadtLand:Kirche"Mit Ideen gegen Kirchen-Leerstand

02. Juni 2023, 15:57 Uhr

"Mitteldeutschland ist Kirchenland“ – so konstatiert es zumindest die Evangelische Kirche Mitteldeutschlands (EKM), denn 20 Prozent aller evangelischen Kirchen Deutschlands stehen auf dem Gebiet der EKM, rund 4.000 Kirchen. Doch die Zahl der Mitglieder sinkt. Was soll mit den vielen wertvollen Kirchgebäuden passieren? Allein in Thüringen gibt es knapp 2.000 evangelische Kirchgebäude. Neue Nutzungskonzepte müssen her. Die EKM und die Internationale Bauausstellung (IBA) haben gemeinsam sechs Kirchen umgestaltet. Eine Ausstellung in Erfurt stellt das Projekt vor.

von Doris Kothe

Den Kirchen gehen Mitglieder verloren, in Deutschland, in Europa – gleichzeitig müssen sie sich um ihre Gebäude kümmern, die zum Teil sehr wertvoll sind. So gibt es in Thüringen mit seiner kleinteiligen Siedlungsstruktur 2.000 Kirchen, 99 Prozent davon sind denkmalgeschützt. Doch nur wenige Menschen können sich darum kümmern.

Sonja Beeck, vom Berliner Planungsbüro "chezweitz" hat für die IBA Thüringen Kirchen in dieser Lage beraten und weiß, anderswo ist man nicht zimperlich, was Kirchengebäude angeht: "Die Niederländer sind sehr viel radikaler mit dem Aufgeben von Kirchen und dem Verkaufen. Dort werden Kirchen viel schneller in Wohnungen, Restaurants, Altenpflegeeinrichtungen und andere Nutzungen umgewidmet. Das war in den Thüringer Gemeinden oft nicht gewollt. Wir haben in vielen Workshops festgestellt, dass dort eine hybride Nutzung bevorzugt wird“.

Das gemeinsame Gespräch gesucht

Sonja Beeck hat oft mit Verantwortlichen von Kirchen, mit Dorfbürgermeistern und Ehrenamtlichen zusammengesessen und gemeinsam Ideen entwickelt.

Wir haben festgestellt, dass die Umsetzung mit großer Leichtigkeit und Engagement funktioniert, wenn der gemeinsame Wille da ist und die Idee gemeinsam entwickelt wurde. Projekte, die von außen kamen, auch wenn sie mit viel Geld unterstützt wurden, hatten es da meist schwerer.

Sonja Beeck

So ließ sich beispielsweise Klangkünstler Carsten Nicolai begeistern und installierte in die leerstehende Kapelle Krobitz seine Feuerorgel. Doch dann bekommt die kleine Gemeinde Angst vor der eigenen Courage: Kommt sie mit den Menschenmassen zurecht, die ein internationaler Künstler wie Nicolai vielleicht anlockt?

Carsten Nicolai´s Feuerorgel Bildrechte: Th. Müller

Es hat sich gut gefügt. Die Kirchengemeinde hat jetzt einen neuen jungen Pfarrer, der sich sehr für das Projekt engagiert. Inzwischen sprudeln die Ideen, man kann sich vorstellen, dass hier überhaupt mal wieder ein Gottesdienst stattfindet, eine Trauung oder eine Taufe. Es gibt eine positive Resonanz in der Kirchengemeinde.

Ulrike Rothe, IBA Thüringen

Es gab auch Konflikte und Diskussionen

Doch manchmal kollidieren Interessen in den hybriden Kirchen, so auch in der Herbergskirche in Neustadt am Rennsteig, die jetzt eben nicht nur Kirche, sondern auch eine beliebte Wanderherberge ist. Will es die Kirchgemeinde, dass da ein Bett steht, wenn Veranstaltungen oder Trauerfeiern stattfinden?

Am Ende gab es einen Kompromiss: die Herbergsbetten wurden unter die Orgelempore geschoben. Bei allen Konflikten und Diskussionen: Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland selbst ist begeistert von den Projekten ihrer Gemeinden. Die Modellkirchen haben gezeigt, was es für neue Nutzungskonzepte geben kann.Trotz des andauernden Mitgliederschwunds ist Aufbruchsstimmung da, meint Aline Ott, Projektmitarbeiterin vom Landeskirchenamt Erfurt.

Blick in die Herbergskirche Neustadt Bildrechte: René Zieger

Die Kirche als Herberge, Kulturort oder Soziokulturelles Zentrum. Das funktioniert nur, wenn sich die Gemeinden Verbündete suchen.

Ich glaube auch, das macht den Charme aus, dass wir nicht mehr Kirche für andere sind, sondern Kirche mit andern. Da verändert sich die Gemeinschaft vor Ort.

Aline Ott

Wie die sechs Modellprojekte aussehen, das zeigt jetzt eine Ausstellung im Landeskirchenamt Erfurt. Sie ist auch ein Schlusspunkt und Fazit der Zusammenarbeit von IBA und Evangelischer Kirche Mitteldeutschlands. Den Schwung aus dem Modelprojekt will man aufnehmen und nutzen.

Die Ausstellung "StadtLand:Kirche" Bildrechte: EKM

Die Doppelnutzung von Kirchen stößt derweil europaweit auf Interesse. Die Planerinnen Ulrike Rothe und Sonja Beeck werden inzwischen aus dem Ausland angefragt und können von den neuen alten Kirchen aus Thüringen berichten.

Ausstellung: "StadtLand:Kirche"11. Mai bis 15. August 2023

Mo—Fr 9—16 Uhr · Eintritt frei 

Landeskirchenamt Erfurt, Michaelisstraße 39

Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | Religion und Gesellschaft | 04. Juni 2023 | 09:10 Uhr