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Ulrike Schade (rechts) übt mit Schülerin Nancy, sich im Straßenverkehr zurechtzufinden. Bildrechte: MDR/Konstantin Henß

Podcast - Folge 6Was macht eigentlich eine Rehabilitationstrainerin?

13. Oktober 2023, 05:00 Uhr

Daniels hochgradige Sehbehinderung entwickelte sich erst im Laufe seines Lebens. Viele Dinge, die er bereits konnte, musste er mit voranschreitender Erblindung erneut lernen. Zum Beispiel: kochen, putzen, sich eigenständig im Straßenverkehr zurechtfinden. Im Fachjargon wird das auch LPF genannt - lebenspraktische Fähigkeiten. Damit Blinde und Sehbehinderte beim Neu-Lernen nicht alleine sind, gibt es sogenannte Mobilitätstrainer wie Ulrike Schade.

Ulrike Schade übt ihren Beruf mit Leidenschaft aus. Das merkt man direkt. Sie begrüßt zuerst einmal Daniel. Die beiden kennen sich noch von früher. Als Daniel vor vielen Jahren von Paderborn nach Zwickau gezogen ist, musste er lernen, sich am neuen Ort zurechtzufinden. Ulrike hat ihm dabei geholfen, denn sie ist sogenannte Rehabilitationslehrerin für Blinde und Sehbehinderte.

Spezialisiert ist sie auf die Bereiche Orientierung, Mobilität und LPF, die sogenannten lebenspraktischen Fähigkeiten. Kurzum: Sie hilft blinden und sehbehinderten Menschen dabei, im Alltag alleine klarzukommen, selbstständig den Weg von der Wohnung zur Straßenbahn zu finden und ihren Haushalt weitestgehend ohne fremde Hilfe führen zu können.

Trainer dringend gesucht

Laut Ulrike Schade arbeiten in ihrem Berufsfeld aktuell etwa 230 Leute deutschlandweit. Das gelte für diejenigen Kollegen, die im Berufsverband "Rehabilitation für Blinde und Sehbehinderte" organisiert seien. Allerdings gebe es einige Kolleginnen und Kollegen, die durch die Statistik nicht erfasst würden - zum Beispiel solche, die an blinden Bildungseinrichtungen arbeiten. So oder so sind es zu wenig, sagt Ulrike Schade. Und auch die Zukunft sehe nicht besser aus.

Das ist eine zu kleine Zahl für Deutschland. Und wie gesagt, momentan gehen leider mehr Leute in Rente, als wir Nachwuchs finden können.

Ulrike Schade | Rehabilitationstrainerin

Ein Problem ist die Bekanntheit des Berufs, sagt Ulrike Schade. Viele Menschen würden ihre Tätigkeit gar nicht sehen.

Einfühlungsvermögen gefragt

Um als Rehabilitationstrainerin oder wie in Ulrike Schades Fall als spezialisierte Mobilitätstrainerin zu arbeiten, bedarf es eines pädagogischen Abschlusses. Im Anschluss folgt eine zusätzliche Ausbildung, um am Ende mit Blinden und Sehbehinderten arbeiten zu dürfen. Da die Weiterbildung etwas spezifisch ist, gibt es nur zwei Ausbildungsstätten: eine in Hamburg und eine Marburg. Einen großen Teil macht laut Ulrike Schade der sogenannte Perspektivwechsel aus. Dabei werde simuliert, wie es ist, weniger bis gar nichts mehr zu sehen.

Ich musste mehr als 100 Stunden mit einer Augenbinde herumlaufen. Das ist wichtig, damit uns während der Arbeit der Perspektivwechsel gelingt.

Ulrike Schade | Rehabilitationstrainerin

Laut Ulrike Schade ist das ungemein wichtig, um später im Beruf den beeinträchtigten Menschen in Alltagssituationen besser helfen und beschreiben zu können, worauf es ankommt.

Jede Stunde ist anders

Ulrike Schade hat einen vollen Terminkalender. Sie erzählt, dass sie gegenwärtig zwei bis drei blinde und sehbehinderte Menschen pro Tag betreut. Eine Schulungseinheit dauere etwa 90 Minuten und sei dabei ganz individuell zugeschnitten.

Es ist kein Mensch gleich wie der andere. Es ist immer wieder anders, immer wieder abwechslungsreich, immer wieder spannend.

Ulrike Schade | Rehabilitationstrainerin

Festgehalten wird das in einem Schulungsplan. Dort wird festgehalten, wie sich die Partner entwickeln, wo es noch Nachholbedarf gibt und welche LPF schon gut funktionieren. Eine ihrer aktuellen Schulungspartnerinnen ist Nancy. Sie war, genauso wie Daniel, bereits in der Vergangenheit in der Obhut von Ulrike Schade. Nach ihrem Umzug nach Leipzig ist eine sogenannte Folge- bzw. Auffrischungsschulung hilfreich, erklärt Ulrike Schade.

Nancy ist außerdem Anwärterin auf einen Blindenhund. Um ihren Stock durch einen Hund auszutauschen, muss sie sich vorbereiten. Unter anderem stehen die eigene Körperwahrnehmung und die Auswertung akustischer Signale dabei im Vordergrund, so Ulrike Schade.

Die Richtung ist entscheidend

Eine vielbefahrene Straßenkreuzung mitten in Leipzig. Neben den Straßenspuren aus allen vier Himmelsrichtungen kommt hier noch eine Straßenbahnhaltestelle hinzu. Wer hier steht, kann selbst als Mensch ohne Sehbeeinträchtigung durch die Vielzahl an Geräuschen schnell überfordert sein.

An einer Ecke dieser Kreuzung findet ein Teil der heutigen Stunde von Nancy und Ulrike statt. Nancys Kopf ist in Richtung Straße gerichtet. Ihre Aufgabe: Ulrike erzählen, aus welcher Richtung die Autos, Busse, Straßenbahn und Fahrräder kommen und in welche Richtung sie fahren. Bei dem Verkehrsaufkommen keine einfache Aufgabe. Doch laut Ulrike Schade macht sie sich gut. Beide sind glücklich.

An einer vielbefahrenen Straße in Leipzig muss Nancy herausfinden, von wo nach wo sich verschiedene Fahrzeuge bewegen. Bildrechte: MDR/Konstantin Henß

Und das ist es, was Ulrike Schade antreibt: Leute dabei zu begleiten, ein Stück selbstständiger zu werden, ihren Alltag zu bewältigen. Außerdem seien die meisten Leute richtig tolle Schulungspartnerinnen und -partner, mit denen man arbeiten kann.

Ich finde, das ist ein herrlicher Job. Ich habe das nie bereut, das zu machen.

Ulrike Schade | Rehabilitationstrainerin

Mehr zum Ohren-Podcast

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 13. Oktober 2023 | 08:00 Uhr