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Reispflanze ist nicht gleich Reipflanze. Und der kleine wichtige Unterschied steckt bei Astol1 in einem Protein. Bildrechte: S.-K. Sun / Nature Communications

StudieDie Reispflanze, die Arsen abbaut

04. März 2021, 16:01 Uhr

Arsen ist ein chemisches Element in der Erdkruste. Was viele nicht wissen: Reis nimmt das Gift über seine Wurzeln auf. Forscher haben jetzt aber eine Reis-Art entdeckt, die das Arsen abbaut – eine einzige aus 4.000, also eine Art Stecknadel im Heuhaufen. Diese Reis-Sorte hat ein Drittel weniger Arsen im Korn als alle anderen und 75 Prozent mehr Selen. Was ist anders an diesem Reis?

Wie giftig Arsen ist, wissen wir spätestens seit dem Filmklassiker "Arsen und Spitzenhäubchen", in dem zwei ältere Damen in ihrer Pension einsame alte Männer mit einer Mischung aus reichlich Arsen, Strychnin und Zyankali ins Jenseits befördern. Aber auch in kleineren Dosen ist Arsen giftig und gilt als krebserregend.

Wie kommt das Arsen ins Reiskorn?

In Reis ist Arsen ebenfalls enthalten, die Pflanzen nehmen den Stoff über ihre Wurzeln auf. Arsen ist ein natürlicher Bestandteil der Erde und kommt zum Beispiel in Gesteinsschichten vor. Professor Rüdiger Hell, Pflanzenmolekularbiologe am Centre for Organismal Studies in Heidelberg, ist auf Pflanzen spezialisiert. Der Wissenschaftler sagt, problematisch werde es da, wo Arsen in die Nahrungskette gelange, wie eben beim Reis. Das Problem mit dem Reis: Das anorganische Arsen gelangt zunehmend ins asiatische Grundwasser, durch Düngung und Klärschlamm. Da der Reis knietief im Wasser steht, nimmt die Pflanze das Gift mit auf, und zwar bis in die Reiskörner.

Der spannende Fund auf dem Reisfeld

Eine Pflanze aber macht das kaum, eine einzige von 4.000 Reisvarianten, die jetzt von Wissenschaftlern überprüft wurden.

Dazu wurden Exemplare all dieser Arten arsenhaltigem Wasser ausgesetzt. In den Körnern der Reispflanzen vom Typ Astol1 wurde im Feldversuch ein Drittel weniger Arsen als in herkömmlichen Reiskörnern nachgewiesen, die ebenfalls arsenhaltigem Wasser ausgesetzt waren. Gefunden hat sie Professor Dr. Fang-Jie Zhao von der Landwirtschaftlichen Universität Nanjing. Was ist das nun für eine Reissorte, liegt die auch bei uns in den Supermarkt-Regalen? Professor Rüdiger Hell aus Heidelberg verneint:

Das ist eine ganz unbedeutende chinesische Reissorte, die vorher kein Mensch kannte außer ein paar chinesischen Züchtern.

Was ist anders am Reis-Typ Astol1?

Was ist nun anders am Reis Astol1? Ein einziges Protein mit einer Punktmutation, also einer klitzekleinen Änderung an der richtigen Stelle. Dieses Protein steht am Anfang einer wichtigen Kette, die dafür sorgt, dass die Pflanze Schadstoffe entgiften kann. Das Protein gehört zu einem Sensor-Komplex, der die Bildung der Aminosäure Cystein überwacht. Cystein wiederum ist ein wichtiger Grundstoff für die Herstellung von Phytochelatinen, also Substanzen, die entgiftend wirken und von Pflanzen gebildet werden, um Schadstoffe zu neutralisieren. Professor Hell vergleicht die Wirkungsweise des Proteins mit einem molekularem Schalter im Stoffwechsel der Pflanze, der ständig eingeschaltet ist:

Dadurch, dass dieser Schalter, wie ein Lichtschalter dauerhaft brennt, hat er sein Regulationsprodukt in großen Mengen hergestellt. Es ist genau dieses Produkt, das dieser Schalter kontrolliert, das der Pflanze hilft, das Arsen zu entgiften.

So verhindert die Pflanze, dass das Arsen in die Reiskörner gelangt, zum großen Teil jedenfalls.

Astol1 enthält mehr Selen

Aber die Reis-Sorte Astol1 kann noch mehr: Sie nimmt 75 Prozent mehr Selenat auf.

Selenat kennen wir als Spurenelement Selen und das wiederum braucht unser Körper zum Beispiel für die Produktion von Schilddrüsenhormonen. Womit der Reis ernährungstechnisch ganz gezielt genutzt werden könnte, wie Dr. Sheng-Kai Sun erläutert, der ebenfalls an der Reis-Studie beteiligt war: "In Zukunft könnten Reispflanzen wie Astol1 in arsenbelasteten Regionen zur Ernährung der Bevölkerung eingesetzt werden. Zugleich könnten sie helfen, ernährungsbedingten Selenmangel zu bekämpfen."

Astol1 im Supermarkt? Noch Fehlanzeige

Das klingt vielversprechend, hat aber – jedenfalls bei uns in Europa – einen Haken: Astol1 gibt es hier gar nicht zu kaufen. Das ist aber auch nicht das Ziel, sagt Rüdiger Hell, es soll ja auch in Zukunft Basmati- und Risottoreis geben. Die Wissenschaftler wollen jetzt versuchen, die Eigenschaften von Astol1 in andere Reissorten zu kreuzen. Dieser Prozess wird aber ein paar Jahre dauern.

Es wird weiter verschiedene Reisarten geben. Aber vielleicht lässt sich das Protein in andere Reissorten einkreuzen. Bildrechte: MDR/Anett Linke

(kd/lfw)

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