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Können wir solche Einschläge (Symbolbild) in Zukunft vermeiden? ESA und NASA arbeiten daran. Bildrechte: imago/Science Photo Library

Kollisionskurs auf Didymos geplantESA und NASA wollen Asteroiden ablenken

11. September 2019, 14:31 Uhr

Immer mal wieder fliegt ein Asteroid relativ nahe an der Erde vorbei. 20.300 solcher Objekte, die uns gefährlich werden könnten, sind zur Zeit katalogisiert. Jährlich entdecken Wissenschaftler etwa 2.000 neue Gesteinsbrocken, die uns zu nahe kommen. Deshalb wollen sie jetzt überprüfen, wie sie unserem Planeten im Fall der Fälle die Haut retten könnten. Für die geplante Mission gibt es grünes Licht und ab heute (11.09.2019) beraten NASA und EASA in Rom über das Projekt "AIDA".

Mindestens 250 Mal haben große Asteroiden unsere Erde getroffen. Das schließen Wissenschaftler aus entsprechenden Kratern, die die Gesteinsbrocken hinterlassen haben. Die gehen sogar täglich auf uns nieder, oft allerdings unbemerkt. Etwa 100 kg Materie verglühen dabei pro Tag in der Atmosphäre. Ab und zu sind jedoch auch größere Himmelskörper unterwegs, deren Einschlag Schäden ähnlich einem Tornado verursachen kann - oder die gleich dem ganzen Planeten gefährlich werden. Deshalb forschen Weltraumexperten seit einigen Jahren an einer Möglichkeit, solche Einschläge zu verhindern.

Einfach aus der Bahn werfen?

Im Mittelpunkt ihrer Überlegungen steht die Frage: Wie kann ich einen Asteroiden aus seiner Bahn ablenken? Eine Theorie haben die Experten dazu bereits entwickelt. Nun wollen die europäische Weltraumagentur ESA und die US-Raumfahrtbehörte NASA gemeinsam prüfen, ob ihr Plan auch tatsächlich aufgeht. Dazu planen sie gemeinsam die Weltraummission "AIDA". Sie hat nichts mit der Oper oder dem Kreuzfahrtschiff zu tun, sondern steht für "Asteroid Impact and Deflection Assessment". Es soll also überprüft werden, wie eine Asteroid reagiert, wenn ein anderer Körper auf ihn einschlägt und ob er sich dadurch von seiner Bahn ablenken lässt.

Wenn sich zwei Asteroiden umkreisen, und ich schieße einen Satelliten auf den kleineren von den beiden, dann verändere ich die Umlaufszeit der zwei Asteroiden.

Detlef Koschny, ESA

So erklärt es Detlef Koschny aus der Abteilung für Sonnensystemmissionen der ESA. Das heißt: Durch den Aufprall einer Sonde soll einer von zwei sich umkreisenden Asteroiden von seinem Kurs abgelenkt werden. Die positive Wirkung: Der Asteroid würde von seiner Bahn minimal, aber stark genug abweichen, so dass er an der Erde vorbeifliegt. Und hier kommt das Gemeinschaftsprojekt AIDA ins Spiel: Die USA und die ESA werden jeweils eine Raumsonde bereitstellen. Die der Amerikaner wird einen Asteroiden torpedieren, die der Europäer später prüfen, wie sich das auf den Himmelskörper und sein Flugverhalten auswirkt.

Der Barringer Krater in Arizona entstand vor etwa 50.000 Jahren durch den Einschlag eines Meteoriten. Dieser hatte einen Durchmesser von 45 Metern, wog 300.000 Tonnen und bestand hauptsächlich aus Eisen. Bildrechte: imago/StockTrek Images

NASA-Sonde nimmt 2022 Kurs auf Didymoon

Das Ziel der NASA-Sonde ist der Doppel-Asteroiden Didymos, genauer gesagt der kleinere von beiden. Inoffiziell nennen die Forscher ihn "Didymoon" - den Didymond. Er hat einen Durchmesser von rund 170 Metern, der große Didymos ist 800 Meter dick.

Die einzige Aufgabe des Satelliten ist es, auf dem kleineren der beiden Asteroiden einzuschlagen - mit einer Geschwindigkeit von sechs Kilometern pro Sekunde. Der Asteroid misst aber nur 163 Meter im Durchmesser. Das ist eine ganz schöne Herausforderung. Wir sind froh, wenn wir ihn treffen!

Eugene Fahnestock, JPL

Selbstverständlich wird kein Astronaut an Bord der Sonde sein, so Luft- und Raumfahrtingenieur Eugene Fahnestock vom kalifornischen Jet Propulsion Laboratory (JPL). Sie wird auch nicht von der Erde aus ferngesteuert, sondern sie muss ihr winziges Ziel selbständig finden.

Ein paar Stunden vor dem Auftreffen übergeben wir die Kontrolle völlig an die Einschlagsonde. Sie muss das dann alleine schaffen. Wahrscheinlich werden wir bis wenige Sekunden vor dem Aufprall Bilder empfangen.

Eugene Fahnestock

Wenn die Mission gelingt, wird der Miniasteroid einen Krater mehr haben. Das Entscheidende ist jedoch, dass er dann seinen größeren Partner auf einer leicht veränderten Bahn umkreisen wird. Damit dürfte die Gefahr für die Erde gebannt sein. Das hofft auch Andrew Rivkin vom Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins University im US-Bundesstaat Maryland.

Das Didymos-System. Im Vordergrund der größere, Hinten der kleinere - auch Didymoon genannt. Hier soll die Sonde DART mit 6,6 km/s einschlagen. Bildrechte: ESA – Science Office

Der kleinere Mond umkreist den größeren Asteroiden mit 40, 50 Zentimetern pro Sekunde. Wenn wir das um ein paar Millimeter pro Sekunde verändern könnten, summiert sich das. Das Objekt wäre schon bald an einem Ort auf seiner Umlaufbahn, an dem es nicht wäre, hätten wir es nicht angestoßen.

Andrew Rivkin, Johns Hopkins University

Ein italienischer Satellit wird die Mission begleiten und, so hoffen die Wissenschaftler, Bilder vom Aufschlag liefern. Gelingt der erste Teil der Mission, wird zwei jahre Später, also 2024 die ESA ihre Sonde starten und vor Ort nachschauen, wie sich das Doppelasteroidensystem verändert hat. Patrick Michel vom Observatoire de la Cȏte d’Azur in Nizza wird den europäischen Part von AIDA leiten:

Wir werden die eigentliche Show verpassen. Aber wir kommen nicht zu spät, um Messungen anzustellen. Wir wollen die Auswirkungen des Einschlags untersuchen. Asteroiden verändern sich in astronomischen Zeitskalen von Tausenden oder Zehntausenden Jahren. Nach ein paar Jahren dürfte sich am Krater nichts verändert haben, so dass wir nicht zu spät kommen.

Patrick Michel, Observatoire de la Cȏte d’Azur

Die ESA-Sonde soll z.B. den neuen Krater und die Masse des Asteroiden vermessen und darüber hinaus auch Satelliten einsetzen, die Nahaufnahmen von Didymoon liefern. Außerdem soll zum ersten Mal eine Radarsonde für einen Asteroiden eingesetzt werden.

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Bereits 2016 hatten NASA und ESA das Vorhaben der Öffentlichkeit präsentiert. Doch die Prüfung und Genehmigung einer Weltraummission nimmt oft Jahre in Anspruch, die Entwicklung und Fertigung des nötigen Equipments ebenso. Inzwischen baut die NASA bereits ihre Sonde "DART" (Double Asteroid Impact Text), die der ESA befindet sich noch in der Entwicklungsphase. Es wird also noch dauern, bis es gesicherte Erkenntniss dazu gibt, ob Asteroiden tatsächlich von ihrem Kurs auf die Erde abgelenkt werden können. Bis dahin können wir nur hoffen, dass uns nicht der "Himmel auf den Kopf fällt", wie Asterix und Co. es befürchteten. Oder wir genießen bis dahin die Asteroiden, die uns als Sternschnuppen den Nachthimmel verschönern.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 30. Juni 2019 | 09:20 Uhr

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