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Mit neuem HochleistungsprüfstandChemnitzer Forscher wollen Brennstoffzellen-Autos serienreif machen

29. Juli 2019, 15:56 Uhr

Noch gibt es in Deutschland keine Serienproduktion von Brennstoffzellen-Fahrzeugen. Forscher der TU Chemnitz wollen das ändern. Mithilfe eines einzigartigen Prüfstandes wird an der Serienreife der Technologie gearbeitet.

von MDR-Wissenschaftsredakteurin Annegret Faber

Kaum zu glauben: Aber Brennstoffzellen werden hierzulande noch immer einzeln hergestellt. Es gibt keine Serienproduktion für diese Systeme, in denen aus Wasserstoff und Luft elektrische Energie gewonnen wird. Im Gegensatz zu den Japanern, Koreanern oder Chinesen haben die Deutschen keine Komplettlösung für Brennstoffzellen-Motoren.

Genau daran arbeiten jetzt Forscher im sächsischen Chemnitz. Die dortige Technische Universität hat dafür einen einzigartigen Brennstoffzellen-Prüfstand erhalten. Er soll der größte in Europa auf universitärer Ebene sein. Mit Hilfe dieser Anlage sollen in den nächsten fünf Jahren Brennstoffzellen zur Serienreife gebracht werden.

Neuer Prüfstand in Betrieb

TU-Chemnitz-Rektor Gerd Strohmeier, Stephan Rebhan, Leiter Powertrain Technology & Innovation, Sachsens Wirtschaftsminister Dulig und Thomas von Unwerth, Professor für Alternative Fahrzeugantriebe, weihen den neuen Prüfstand für Brennstoffzellen ein (v.l.n.r.). Bildrechte: Jacob Müller

Der Direktor des Instituts für Automobilforschung und Inhaber der Professur Alternative Fahrzeugantriebe an der TU Chemnitz, Prof. Dr. Thomas von Unwerth, und Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig nahmen den Prüfstand nun gemeinsam in Betrieb. Der SPD-Politiker betonte dabei die zunehmende Bedeutung der Brennstoffzellen-Nutzung im Straßenverkehr: Vor allem für Langstrecken seien Brennstoffzellen "die sinnvollste Antriebstechnologie", sagte Dulig. Deshalb brauche es auf diesem Gebiet noch einmal einen "großen Nachholeschub".

Worin der Unterschied zu einem herkömmlichen Prüfstand für Verbrennungsmotoren besteht, brachte Motorenentwickler von Unwerth auf den Punkt: Während man bei letzterem Motorengeräusche hören und Abgase registrieren würde, höre man beim Brennstoffzellen-Prüfstand "nur ein leichtes Strömungsgeräusch", was aus der Prüfanlage komme, welche das Brennstoffzellen-System betreibe.

Chemnitz bei Brennstoffzellen weit vorne

Von Unwerth: "Chemnitz bei Brennstoffzellen-Forschung weit vorne." Bildrechte: Jacob Müller

Durch seinen neuen Prüfstand ist Chemnitz laut von Unwerth auf dem Gebiet der Brennstoffzellen-Forschung nun weit vorne. Deutschland insgesamt sei hingegen noch etwas im Hintertreffen. Ein Grund sei, dass die Bundesregierung in erster Linie auf rein batteriebetriebene Fahrzeuge setze, auch für den Fernverkehr.

Von Unwerths Einschätzung dazu: "Im Ausland, in Asien, passiert deutlich mehr." Und auf dem asiatischen Markt kennt sich der Motorenentwickler in der Tat gut aus. Seit 2002 testete er für den VW-Konzern Brennstoffzellen. Später war er in China Projektleiter für Volkswagen-Brennstoffzellen-Fahrzeuge. Nun setzt von Unwerth in Chemnitz seine Visionen um.

Energie aus Wasserstoff und Sauerstoff

Der Chemnitzer Brennstoffzellen-Prüfstand ist im universitären Bereich europaweit einmalig. Bildrechte: Jacob Müller

Doch wie funktioniert eine Brennstoffzelle überhaupt? "Ja, einfach bildlich gesprochen: Wasserstoff und Sauerstoff aus der Luft reagieren zu nichts anderem als Wasser. Das ist eine chemische Reaktion, die  kennt man schon seit Jahrhunderten", erklärt von Unwerth. Wasserstoff werde dabei in Protonen und Elektronen aufgespalten. Die Protonen wanderten durch eine Membran. Die Elektronen wiederum, also die elektrische Energie, werde auf der anderen Seite dem Elektromotor zugeführt: "Damit können sie einen Motor antreiben. Das ist der ganze einfache Reaktionsmechanismus."

Material und Energieeffizienz verbessern

Klingt, als könne man daran nicht viel besser machen. Ist aber nicht so. So sollen an dem Chemnitzer Brennstoffzellen-Prüfstand unter anderem neue Materialien getestet werden. Auch an der Energieeffizienz könne man noch schrauben, sagt Stephan Rebhan: "Wir haben in der reinen Brennstoffzelle - also Wasserstoff rein, Strom raus - einen Wirkungsgrad zwischen 50 und 60 Prozent. Das ist deutlich besser als bei einem Verbrennungsmotor, wo ich so bei 35/40 Prozent bin."

Rebhan ist bei der Firma Powertrain, einem Ableger von Continental, für zukünftige Technologien und Systemtechnik verantwortlich. Die Brennstoffzelle gehöre da unbedingt dazu, betont der Manager. Der Grund: Brennstoffzellen-Fahrzeuge kommen schon heute bis zu 600 Kilometer weit. Gegenüber rein batteriebetriebenen Fahrzeugen haben sie außerdem den großen Vorteil, dass sie innerhalb von wenigen Minuten betankt werden können.

Grundlagen für Serienproduktion

Rebhan: "Brennstoffzellen haben besseren Wirkungsgrad." Bildrechte: Jacob Müller

Doch es fehlt noch immer die Serienproduktion von Brennstoffzellen. Jedes deutsche Auto, jeder Bus, jeder Lkw oder Zug, der heute schon mit Brennstoffzellen fährt, ist im Grunde eine Einzelanfertigung. Mit dem Chemnitzer Prüfstand soll die Serienproduktion nun Fahrt aufnehmen. Dazu Rebhan: "Also man muss sich vorstellen: Ein Brennstoffzellen-System besteht aus einer großen Anzahl von Komponenten. Und einige dieser Komponenten sind sehr ähnlich den Komponenten, die in klassischen Verbrennungsmotoren drin sind. Und deswegen haben wir ein natürliches Interesse, das weiter zu verfolgen und diese  Komponenten in der nächsten Generation zu nutzen."

Turbolader, Sensoren, Ventile, das ganze Luft- und Thermo-Management, all das muss für die Brennstoffzelle zugeschnitten werden, erläutert Rebhans Kollege Thomas Müller: "Mit dem Prüfstand können Umweltbedingungen simuliert werden. Das heißt, man kann simulieren, dass ein Fahrzeug in großer Höhe fährt. Man kann auch verschiedene Temperaturszenarien nachbilden. Und dafür reicht die Peripherie, die wir hier sehen, nicht aus. Das heißt, da ist noch ein sehr großer Wasserstofftank dazu."

Tank mit 400 Kilogramm Wasserstoff

400 Kilogramm Wasserstoff passen in den 18 Meter hohen Tank. Bildrechte: Jacob Müller

Der steht vor dem Gebäude und ist 18 Meter hoch. Davor steht der technische Mitarbeiter Peter Schwotzer-Uhlig und erklärt: "Der Tank hat ein Speichervolumen von zirka 400 Kilogramm Wasserstoff. Das ist eine Lkw-Ladung." Damit könne der Teststand zwei Tage am Stück betrieben werden.

Professor von Unwerth bezeichnet den Tank sogar als den Joker des ganzen Systems. Damit könne man eine zweitägige Autofahrt simulieren - auf dem flachen Land, aber auch in den Bergen, wo die Luft dünner wird; im Sommer bei 40 Grad Celsius mit einer anständigen Klimaanlage oder im Winter bei minus 20 Grad und einer guten Heizung. Das mit Wasserstoff betriebene Auto müsse denselben Komfort bieten, wie Fahrzeuge mit herkömmlichen Motoren, betont von Unwerth.

Brennstoffzellen-Autos in fünf bis zehn Jahren

Motorenentwickler von Unwerth ist sich sicher: In fünf bis zehn Jahren werden Brennstoffzellen-Fahrzeuge in Serie gebaut. Bildrechte: Jacob Müller

Und wann soll die Serienproduktion von Brennstoffzellen-Fahrzeugen in Deutschland anlaufen? "Also Brennstoffzellen-Fahrzeuge in Serie sind für die nächsten fünf bis zehn Jahre angedacht", sagt der Motorenentwickler, als gäbe es da keine Frage. Tatsächlich hat von Unwerth mit Continental einen finanzstarken Partner im Rücken. Ein Chemnitzer Start Up-Unternehmen ist bereits involviert und soll die Serienproduktion in Chemnitz übernehmen. Investoren aus China stünden auch schon bereit.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 28. Juli 2019 | 09:17 Uhr